Transkript
VEGETARISMUS VERSUS FLEISCHKONSUM
Die Schweiz isst flexibel: Mal mit, mal ohne Fleisch und Fisch
STEPHANIE BAUMGARTNER PERREN*
Die Schweizer Gesundheitsbefragungen zeigen, dass 2012 über 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung Fleisch und Fisch ass. Dagegen interessieren sich junge, besser gebildete Frauen für vegetarische Kostformen. Sicher wählen auch junge Männer vermehrt vegetarische Produkte, denn 40 Prozent der Bevölkerung gelten als Flexitarier, sie sind also Teilzeitvegetarier. Dieses Essverhalten entspricht weitgehend den offiziellen Ernährungsempfehlungen, regelmässig vegetarische Tage einzulegen. Wer seine vegetarischen Mahlzeiten sorgfältig plant und die kritischen Nährstoffe bewusst beachtet, geht dabei auch kein Risiko ein, sondern tut sich etwas Gutes.
Verschiedene Kostformen aus unterschiedlichen Gründen
Die Essgewohnheiten der Schweizer Bevölkerung widerspiegeln das hiesige Angebot an landwirtschaftlichen Produkten, den Zeitgeist «schnell – gut – preiswert», das zunehmende Verständnis für gesundheitliche, ökologische und ethische Zusammenhänge und die Lust auf Reisen in ferne Länder und ihre Küchen. Betrachten wir den Umgang mit den Eiweissquellen Fleisch, Fisch, Eier und Milch sowie Hülsenfrüchten, Nüssen und Vollkorngetreide, so lassen sich die Anhänger nach ihren Essgewohnheiten in folgende Gruppen einteilen: Omnivoren: Über 90 Prozent der Schweizer Bevölkerung nutzen alle Eiweissquellen. Sie sind «Allesesser» oder Omnivoren und ernähren sich von einer Mischkost mit Fleisch und Fisch, wobei der Anteil der verschiedenen Eiweissquellen schwanken kann. Da sie mit riesigem Abstand die grösste Gruppe bilden, entspricht ihr Ess-
*Geschäftsführerin Infood GmbH, Leiterin Fachgruppe Ernährung von Public Health Schweiz, Brugg
verhalten dem durchschnittlichen Essverhalten in der Schweiz. Omnivoren nutzen Fleisch und Fisch aus folgenden Gründen als Lebensmittel: Gewohnheit, Tradition, Unterstützung der heimischen Landwirtschaft und Gesundheit. Pescetarier: Sie essen kein Fleisch, geniessen aber Fisch, Milch und Eier. Pescetarier nennen sich selbst auch Vegetarier, basierend auf der Definition: «Fleischlos essen = vegetarisch essen». Die vegetarische Ernährung entwickelte sich unter kulturellen Einflüssen und unterscheidet sich je nach Region. So kann in Südeuropa ein vegetarisches Menü auch Fisch oder Meeresfrüchte enthalten. Vegetarier: Essen kein Fleisch und keinen Fisch, je nach Überzeugung aber Milchprodukte (LaktoVegetarier) oder Eier (Ovo-Vegetarier). Die westeuropäische Definition des Vegetarismus schliesst die Pescetarier aus: «Wir essen keine Lebensmittel, für die ein Tier sterben muss.» Dabei bleiben Fragen offen. Wie ist ein Ei zu bewerten? Was be-
deutet die für die Milchgewinnung notwendige Geburt eines Jungtieres? Aus solchen Fragen heraus haben sich verschiedene Ausprägungen des Vegetarismus entwickelt. Veganer sind Vegetarier, die auf sämtliche tierische Lebensmittel (Fleisch, Fisch, Eier, Milch, Honig usw.) verzichten und die Nutzung eines Tieres in jeder Form ablehnen. So verzichten sie auch auf jegliche tierische Erzeugnisse (Leder, Wolle, Seide,
Daunen etc.) und verwenden tierversuchsfreie Medikamente, Kosmetika und Putzmittel. Für Vegetarier, inklusive Veganer stehen ethischmoralische und religiöse Gründe für ihre Essgewohnheiten im Vordergrund, wie
das Gebot der Gewaltlosigkeit gegenüber allen Lebewesen. Am zweithäufigsten und vor allem bei jungen Menschen sind Umweltschutz und Nachhaltigkeit die Leitmotive. An dritter Stelle der Motivation stehen gesundheitliche Aspekte, da etliche epidemiologische Studien belegen, dass Menschen mit gut
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VEGETARISMUS VERSUS FLEISCHKONSUM
geplanter vegetarischer Ernährung gegenüber Omnivoren klare Vorteile haben (1, 2). In diesem Text wird «vegetarisch» als Oberbegriff der vier Kategorien ovolacto-vegetarisch, lacto-vegetarisch, ovovegetarisch und vegan verwendet. Diese Einteilung ist international einheitlich und wird auch für die Kennzeichnung von Lebensmitteln im Detailhandel und von Speisen in der Gastronomie verwendet (3). Das Europäische Vegetarismuslabel (V-Label, siehe Seite 6) deklariert alle Arten von vegetarischen Produkten. Zur Unterscheidung muss dabei jeweils die Kategorie unterhalb des Labels abgedruckt werden. So ist es möglich, den interessierten Konsumenten auf der Verpackung eine Orientierungshilfe zu geben. In der Schweiz wurde die Unterscheidung in Kategorien sogar in der LebensmittelKennzeichnungsverordnung gesetzlich verankert (4).
Fleischkonsum in der Schweiz
ist stabil
Angenäherte Angaben zur Verbreitung der verschiedenen Kostformen in der Schweiz können aus den Schweizer Gesundheitsbefragungen (SGB) abgeleitet werden (5). Gemäss der SGB des Jahres 2012 (SGB 2012) essen 97 Prozent der
Schweizer Bevölkerung mehr oder weniger häufig Fleisch oder Fisch und gehören somit zur Gruppe der Omnivoren. Auf die Frage «An wie vielen Tagen pro Woche essen Sie im allgemeinen Fleisch oder Wurstwaren?» antworteten 50 bis 60 Prozent der Befragten aller Altersgruppen und beider Geschlechter: «An 3 bis 5 Tagen pro Woche» (5). Daraus resultiert, dass sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung an 2 bis 4 Tagen pro Woche während aller Mahlzeiten vegetarisch ernährt. Der nahezu tägliche Fleischkonsum ging in den letzten 20 Jahren von 32,7 Prozent der Bevölkerung (SGB 1992) auf 23,9 Prozent (SGB 2012) zurück. Frauen essen generell seltener Fleisch als Männer. Im Jahr 2012 lag der Fleischverkauf bei 52 kg pro Kopf und Jahr, beziehungsweise bei einem Kilo pro Woche; dazu kamen 2012 pro Kopf 8,6 kg Fisch und Meeresfrüchte pro Jahr (6). 59,5 Prozent der Schweizer essen gemäss SGB 2012 1- bis 2-mal Fisch pro Woche, 24,1 Prozent seltener, und 10,6 Prozent essen nie Fisch (5). Der Fleischkonsum in der Schweiz ist seit mehr als einem Jahrzehnt stabil; der Fischkonsum steigt dagegen leicht an (7). In der SGB 2012 gaben zudem 2,7 Prozent der Befragten (Frauen 3,9%, Männer 1,3%) an, nie Fleisch und Wurstwaren zu essen, sie sind also Vegetarier oder allen-
falls Pescetarier. Über alle Altersklassen hinweg assen 2012 mehr Frauen vegetarisch als Männer, mit einem Höchstwert von 6,1 bis 6,6 Prozent für 15- bis 35-jährige Frauen und von 2,3 Prozent bei den 35- bis 44-jährigen Männern (5). Bei 25bis 34-jährigen gut gebildeten Deutschschweizerinnen dürfte der Anteil der Vegetarierinnen bei über 7 Prozent liegen. 1992 verzichteten erst 1,9 Prozent der Befragten (Frauen 2,7%, Männer 1%) vollständig auf Fleisch. Der Anteil Vegetarierinnen und Vegetarier in der Schweiz ist folglich in den letzten 20 Jahren um fast die Hälfte angestiegen und liegt auf tiefem Niveau im mittleren Bereich der westeuropäischen Länder (Frankreich 2%, England 9%) (8). Erfahrungsgemäss sind 10 Prozent der Vegetarier Veganer, von der Veganen Gesellschaft Schweiz wird ihre Zahl auf 20 000 bis 25 000 Personen geschätzt (9).
Ernährungswissenschaftliche
Wertung
Im Zentrum der ernährungswissenschaftlichen Diskussion um Mischkost mit Fleisch, vegetarische und vegane Ernährung stehen die bedarfsdeckende Versorgung mit essenziellen Nährstoffen, den Vitaminen, Mineralstoffen, Aminosäuren und Fettsäuren, aber auch präventiv wir-
Tabelle: An wie vielen Tagen pro Woche essen Sie im allgemeinen Fleisch oder Wurstwaren?
Altersgruppe
Total 15-24-jährig 25-34-jährig 35-44-jährig 45-54-jährig 55-64-jährig 65-74-jährig 75+ -jährig
6 bis 7 Tage pro Woche % Pop. % M % F
23,9 31,7 16,4 37,1 50,0 23,7 25,2 34,6 15,7 23,0 30,4 15,7 21,8 28,3 15,2 21,7 28,5 14,8 19,1 24,2 14,4 18,6 22,4 16,2
3 bis 5 Tage pro Woche % Pop. % M % F
54,2 53,5 54,8 45,7 43,2 48,3 54,2 52,7 55,7 55,6 52,8 58,4 55,4 55,5 55,3 54,6 55,2 54,0 58,0 58,6 57,5 55,3 59,2 52,9
1 bis 2 Tag(e) pro Woche % Pop. % M % F
Seltener % Pop. % M % F
18,1 12,8 23,2 1,2 0,6 1,6 13,3 5,7 21,1 (0,5) (0,3) (0,8) 15,5 10,6 20,5 (1,0) (0,4) (1,6) 17,9 13,7 22,2 0,8 (0,8) (0,8) 19,1 14,2 24,1 1,2 (0,8) 1,8 20,2 15,0 25,4 1,2 (0,3) 2,0 19,6 14,9 23,8 1,4 (0,9) 1,8 22,3 16,6 25,9 2,3 (1,2) 3,0
Nie
% Pop. % M % F
2,7 1,3 3,9 3,4 (0,9) 6,1 4,1 (1,7) 6,6 2,6 2,3 2,9 2,4 (1,1) 3,6 2,3 (0,9) 3,8 1,9 (1,3) 2,4 1,5 (0,6) (2,1)
Schweizerische Gesundheitsbefragung 2012 % Pop. = Prozent der gesamten Population; % M: Prozent der Männer; % F: Prozent der Frauen ( ): Ungenügende Anzahl Beobachtungen (< 30). Sie geben eine eingeschränkte statistische Zuverlässigkeit oder eine fehlende statistische Zuverlässigkeit an. © BFS – CD-Rom Standardtabellen SGB12/Quelle: BFS, Schweizerische Gesundheitsbefragung 7 5/14 VEGETARISMUS VERSUS FLEISCHKONSUM kende Lebensmittelinhaltsstoffe wie Nahrungsfasern sowie die gesundheitlichen Folgen der entsprechenden Kostformen. Fleisch, Fisch, Eier und Milch liefern biologisch wertvolles Eiweiss, diese Mischung an Aminosäuren kann vom menschlichen Körper besser verwertet werden als pflanzliches Eiweiss. Zudem stammt eine bedeutende Menge der Vitamine A, B12, D und Niacin (Abbildung 1) ebenso wie die Mineralstoffe Kalzium (Milch), Eisen und Zink (Fleisch) sowie Jod (Fleisch, Fisch, Milch (Abbildung 2) aus der herkömmlichen Mischkost von tierischen Lebensmitteln. Fisch ist zudem eine besonders interessante Quelle für Vitamin D (7). Die langkettigen n-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (EPA, C20:5 n-3) und Docosahexaensäure (DHA, C22:6 n-3) befinden sich fast ausschliesslich in fetten Kaltwasserfischen. Nachteilig wirkt sich bei einer fleischbetonteren Mischkost der insgesamt hohe Fettanteil aus Fleischund Milchprodukten aus, sowie die Salzund Pökelsalzzugabe bei der Verarbeitung (1). Pflanzliche Lebensmittel liefern den grössten Anteil an Karotinoiden und Vitaminen C, Folsäure, B6 und B1 (Abbildung 1) sowie Magnesium und Kalium (Abbildung 2). Gesundheitlich vorteilhaft sind die sekundären Pflanzenstoffe und der hohe Gehalt an Nahrungsfasern, insbesondere in Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten, und der tiefe Fettgehalt. Pflanzliche Öle liefern zudem Vitamin E sowie die essenziellen langkettigen Fettsäuren Linolsäure (LA, C18:2 n-6) und alpha-Linolensäure (ALA, C18:3 n-3) (1). Nachteilig ist das biologisch tieferwertige pflanzliche Eiweiss, das häufig einen Mangel an der Aminosäure Lysin aufweist. Es muss durch geschicktes Kombinieren von Getreide und Hülsenfrüchten aufgewertet werden: Reis mit Tofu, Vollkorndinkel und Linsen, Mais und Bohnen sind vollwertige, vegane Kombinationen (10). Epidemiologische Studien zeigen, dass Kostformen mit einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel gesundheitlich vorteilhaft sind. Vegetarier leiden weniger häufig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, weisen bessere Blutlipidwerte und Abbildung 1: Prozentualer Beitrag der einzelnen Lebensmittelgruppen zum Verbrauch von Vitaminen Quelle: 6. Schweizerischer Ernährungsbericht (7) Abbildung 2: Prozentualer Beitrag der einzelnen Lebensmittelgruppen zum Verbrauch von Mineralstoffen Quelle: 6. Schweizerischer Ernährungsbericht (7). tiefere Blutdruckwerte auf, erkranken und sterben weniger häufig an Krebs und sind schlanker. Dank den tieferen BMI-Werten tragen sie ein geringeres Risiko für Adipositas-assoziierte Folgekrankheiten wie Diabetes (2, 7). Ob ein völliger Verzicht auf Fleisch und Fisch für diese positiven Resultate der vegetarischen Ernährung notwendig ist, kann zurzeit nicht eingeschätzt werden. Die Analyse der Ursachen dieses positiven Resultats ergibt, dass der Konsum von viel Gemüse, Früchten, aber auch Nüssen, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten einen wesentlichen An- teil hat. Ovo-lacto-Vegetarier erfüllen im Gegensatz zum Durchschnitt der Bevölkerung in dieser Hinsicht die heutigen Ernährungsempfehlungen in idealer Weise, während mit der durchschnittlichen Mischkost in der Schweiz zu wenig Früchte und Gemüse, zu wenig Vollkorngetreide und sogar zu wenig Milch und Milchprodukte konsumiert werden (7). Andererseits lässt sich aus Kohortenstudien mit guter Evidenz ableiten, dass für rotes Fleisch (Rind, Kalb, Schwein, Lamm, Pferd und Wild) und in stärkerem Ausmass für verarbeitetes Fleisch gesund- 5/14 8 VEGETARISMUS VERSUS FLEISCHKONSUM heitlich negative Langzeitwirkungen auf, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ 2 und bestimmte Formen von Krebs wie Dickdarmkrebs angenommen werden müssen (11). Die Nährstoffe sind also nicht gleichmässig in allen Lebensmitteln enthalten. Deshalb wird von Ernährungswissenschaftlern vor allem und immer wieder Abwechslung in der Lebensmittelwahl propagiert, bei bedarfsgerechter Kalorienzufuhr. Wird eine Lebensmittelgruppe aus dem Menüplan gestrichen, sinkt die Zufuhr der entsprechenden Lebensmittel-typischen Nährstoffe und muss korrigiert werden. Je umfassender Lebensmittel weggelassen werden, umso durchdachter muss die Ernährung umgestellt werden, um Nährstoffdefizite zu vermeiden. Verschiedene Fachgesellschaften unterstützen Interessierte dabei (12). Die Amerikanische Gesellschaft für Ernährung (Academy of Nutrition and Dietetics, vormals American Dietetic Association) hält in ihrem Positionspapier «Vegetarische Ernährung» verschiedene Empfehlungen für eine ausgewogene, vegetarische Ernährung bereit und schreibt: «Die Amerikanische Gesellschaft für Ernährung vertritt die Ansicht, dass wohlgeplante vegetarische Kostformen, inbegriffen die vegane Ernährung, gesund und dem Nährstoffbedarf angemessen sind und dass sie gesundheitliche Vorteile für die Prävention und die Behandlung von bestimmten Krankheiten bringen können. Wohlgeplante, vegetarische Ernährungsformen sind für Menschen in allen Lebensstadien möglich, inklusive Schwangerschaft, Stillzeit, Säuglings- und Kleinkindzeit, Kindheit, Jugend und für Sportler.» (2) Flexibel vegetarisch In den letzten Jahrzehnten hat sich die wissenschaftlich begründete Erkenntnis durchgesetzt, dass ein höherer Anteil an Gemüse, Früchten, Nüssen sowie Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten wesentlich zur Erhaltung der Gesundheit beiträgt. Das führt zur Empfehlung, vermehrt vegetarische Mahlzeiten in den Menüplan zu integrieren und vegetarische Tage einzuschalten. Die Schweizeri- sche Gesellschaft für Ernährung SGE und das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV empfehlen in den Erläuterungen zur Lebensmittelpyramide (13), nebst dem regelmässigen Konsum von Milchprodukten, 1-mal täglich Fleisch, Geflügel, Fisch, Eier, Tofu, Quorn oder Seitan als Eiweissquellen zu geniessen. Im Umsetzungsbeispiel sind in einer Woche 3 vegetarische Tage vorgesehen. Aus der empfohlenen Portionengrösse von 100 bis 120 g Fleisch beziehungsweise Fisch ergibt sich ein Konsum von maximal 500 g Fleisch und Fisch pro Kopf und Woche, was der Hälfte des derzeitigen Konsums entspricht. Aufgrund ökologischer Überlegungen (14, 15) wurden in FOODprints®, den Empfehlungen zu einer gesunden und nachhaltigen Ernährung, die empfohlenen Verzehrmengen an Fleisch und Fisch weiter reduziert: «Essen Sie nicht öfter als 2- bis 3-mal pro Woche Fleisch (inkl. Fleischprodukte und Geflügel), und geniessen Sie Fisch nur ab und zu als etwas Besonderes.» (16). Dadurch lassen sich auch die Balancen zwischen Milch- und Rind-/Kalbsfleischkonsum, beziehungsweise Ei- und Pouletkonsum wieder etwas ins Lot bringen. Diese Empfehlungen werden auch aus ernährungswissenschaftlicher Sicht unterstützt. So hält die Eidgenössische Ernährungskommission EEK in ihrem neuesten Expertenbericht fest: «Insbesondere sollten die Empfehlungen zum Verzehr von unverarbeitetem rotem Fleisch eine Beschränkung beinhalten. Der Verzehr von verarbeitetem rotem Fleisch sollte noch einschränkender empfohlen werden. Diese Empfehlungen gelten für Erwachsene im Alter von 35 bis 70 Jahren, da die Studien diese Altersgruppen untersuchten. Bei älteren Personen sind einschränkende Empfehlungen nicht angezeigt. Bei diesen ist die Deckung des Eiweissbedarfs, zum Beispiel durch den Konsum von Fleisch, besonders wichtig.» (11); (siehe dazu auch Seite 31 in diesem Heft). Die offiziellen Ernährungsempfehlungen ermuntern also zu Teilzeit-Vegetarismus und führten zur Wortschöpfung «Flexitarier»: Ab und zu bewusst auf Fleisch und Fisch verzichten. Tatsächlich offerieren und kennzeichnen immer mehr Restau- rants vegetarische Speisen, und das Angebot im Detailhandel nimmt zu. Dieser wachsende Trend wird durch die Flexitarier stimuliert. Die aktuellste Trendstudie von Coop erfasste rund 40 Prozent Flexitarier in der Schweiz (17). Heute will man sich nebenbei verpflegen – aber gut, gesund und somit immer häufiger pflanzlich. Das fördert den Wunsch nach lakto-vegetarischem Tabouli-Salat mit Fetawürfeln oder veganem Kichererbsensalat. Sie passen zum Zeitgeist. Dazu beigetragen hat auch der Imagewandel weg vom langweiligen Körnlipicker zu Lust und Lebensfreude. Viele der vegetarischen Produkte lehnen sich an fremde Kulturen an, wecken Ferienerinnerungen und bringen neue Geschmacksrichtungen. Gerade die östliche Küche – allein im hinduistischen Indien leben 20 bis 40 Prozent Vegetarier – kennt interessante vegetarische Lebensmittel: Tofu (Sojaeiweiss), Seitan (Weizeneiweiss), Tempeh (fermentierte Sojabohnen), Hummus (Kichererbsenpaste), Tahini (Sesampaste), Falafel (Kichererbsenbällchen) und Miso (Sojapaste mit Reis oder Gerste). Zum Teil eignen sich diese auch zur Herstellung von Fleischersatz. Damit werden Lebensmittel bezeichnet, die geschmacklich, in der Konsistenz oder vom Eiweissgehalt her Fleisch ähneln, ohne aus Fleisch hergestellt zu sein. Denn auch die Sehnsucht nach den Geschmäckern der Kindheit soll mit den Bedürfnissen nach gesunder, nachhaltiger Ernährung in Einklang gebracht werden. Korrespondenzadresse: Dr. Stephanie Baumgartner Perren Infood GmbH Stäblistrasse 6 5200 Brugg E-Mail: stephanie.baumgartner@infood.ch Literatur: 1. International Organization for Standardization (ISO), Environmental management – Life cycle assessment – Principles and framework. 2006, ISO 14040: 2006; Second Edition 2006-06: Geneva. 2. Jungbluth N, Nathani C, Stucki M, Leuenberger M. 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