Transkript
SÜSSUNGSMITTEL
Süssungsmittel – besser als ihr Ruf
CLAUDIA REINKE
Obwohl Süssstoffe, wie die meisten anderen im Lebensmittelbereich eingesetzten Zusatzstoffe, vor ihrer Zulassung einem strengen toxikologischen Prüfverfahren unterzogen werden, werden Nutzen und Unbedenklichkeit in der Öffentlichkeit immer wieder diskutiert. Sicherheit und nützliche Effekte dieser Substanzen waren Gegenstand eines informativen Medienund Expertenseminars, das im Juni 2014 unter dem Patronat der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE in Bern stattfand.
Süssstoffe überprüft und sicher
Im Gegensatz zu Zucker (Mono- und Disaccharide) und Zuckeraustauschstoffen gehören Süssungsmittel nicht zu den Lebensmitteln, sondern zu den Lebensmittelzusatzstoffen, wie Prof. Dr. Jürgen König, Professor für spezielle Humanernährung an der Universität Wien, in seinem Referat erklärte. Entsprechend den EU-Regelungen handelt es sich bei diesen Substanzen um synthetisch hergestellte, süss schmeckende Stoffe, wie beispielsweise Aspartam oder Acesulfam K, deren Süsskraft um ein Vielfaches höher ist als jene von Zuckeraustauschstoffen (Zuckeralkohole und Fruktose) oder Saccharose (Haushaltszucker). In umfangreichen toxikologischen Prüfverfahren, die sämtliche in der Lebensmittelindustrie eingesetzten Zusatzstoffe vor ihrer Zulassung durchlaufen müssen, wurden diese Süssstoffe als sicher und gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Diese Beurteilung bestätigte sich wiederholt in den von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) regelmässig durchgeführten Reevaluationen. Erst kürzlich wurde Aspartam einer solchen Neubewertung unterzogen und erneut als unbedenklich und sicher eingestuft, so König. Seit Jahren werden die kalorienfreien Süssungsmittel zahlreichen Light-Getränken zugesetzt. Diese Entwicklung beruht auf der Annahme, dass künstlich gesüsste Getränke oder Lebensmittel die Gewichtskontrolle erleichtern. Dementsprechend erfreuen sich diese Produkte vor allem bei
solchen Zielgruppen grosser Beliebtheit, die auf ihr Körpergewicht achten (müssen), aber nicht auf den süssen Geschmack verzichten wollen. Dem immer wieder geäusserten Verdacht, die künstlichen Süssstoffe könnten Übergewicht und Stoffwechselstörungen begünstigen, erteilte König jedoch eine Absage. Ein deutlich erhöhter Energiebedarf (steigendes Hungergefühl) oder ein relevanter Anstieg des Insulinspiegels beziehungsweise des Blutzuckerspiegels sei nach Zufuhr von künstlich gesüssten Getränken oder Lebensmitteln wissenschaftlich nicht erwiesen. Studien würden dagegen zeigen, dass die Verwendung von Süssstoffen in Light-Getränken aufgrund der verminderten Kalorienaufnahme einen Beitrag zur Gewichtskontrolle beziehungsweise – in Kombination mit einer Reduktionsdiät – zur Gewichtsabnahme leisten kann.
Süssstoffe können die Gewichts-
reduktion erleichtern
Dr. Isabelle Aeberli vom Institut für Lebensmittelwissenschaften, Ernährung und Gesundheit der ETH Zürich widmete sich in ihrem Referat der Rolle der Süssstoffe im Alltag. Auf die Frage, inwiefern künstlich gesüsste Lebensmittel und/ oder Getränke das Abnehmen erleichtern, meinte Aeberli: «Auch wenn die aktuelle Datenlage, vor allem was den langfristigen Nutzen betrifft, keine eindeutigen Aussagen erlaubt, scheint sich aus den verschiedenen Studien bei Kindern wie auch Erwachsenen abzuzeich-
nen, dass ein gezielter Ersatz von zucker-
gesüssten durch künstlich gesüsste Ge-
tränke zumindest kurzfristig helfen kann,
ein gesünderes Körpergewicht zu errei-
chen.» Diese Aussage ergänzte die Ernäh-
rungswissenschaftlerin durch die Präsen-
tation einer kürzlich in der Fachzeitschrift
«Obesity» publizierten Studie, in der wäh-
rend eines verhaltenstherapeutischen
Programms zur Gewichtsabnahme die
Auswirkung einer Zufuhr von Wasser ver-
sus künstlich gesüssten Getränken auf die
Gewichtsreduktion untersucht wurde.
Demnach haben jene Probanden, die
süssstoffgesüsste Getränke zu sich nah-
men, mehr Gewicht verloren (5,95 kg)
und über ein deutlich geringeres Hunger-
gefühl berichtet als die Gruppe der Studi-
enteilnehmer, die zum Trinken nur Wasser
erhielt (4,09 kg) (1).
Zusammenfassend geht Aeberli davon
aus, dass Süssstoffe
• als Zuckerersatz – insbesondere bei
Getränken – den Kaloriengehalt massiv
reduzieren und zumindest kurzfristig
dabei helfen können, ein gesünderes
Körpergewicht zu erreichen bezie-
hungsweise zu erhalten;
• vorübergehend zu einer geringen Er-
höhung des Hungergefühls führen
können, das pro Tag aber keine ver-
mehrte Energieaufnahme nach sich
zieht;
• nach heutigen Erkenntnissen auch für
Kinder nicht gesundheitsschädigend
sind.
Eine ausführliche Podiumsdiskussion in
breiter Expertenrunde unter reger Beteili-
gung des Publikums schloss die informa-
tive Veranstaltung ab.
CR
Literatur: 1. Peters JC, Wyatt HR, Foster GD et al. The effects of water and non-nutritive sweetened beverages on weight loss during 12-week weight loss treatment programm. Obesity 2014 Jun; 22 (6): 1415–1421.
Quelle: «Süssungsmittel: Fluch oder Segen?» Schweizer Medien- und Expertenseminar zu Nutzen und Sicherheit von Süssungsmitteln, unterstützt von Coca Cola Schweiz, unter dem Patronat der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE; 12. Juni 2014, Bern.
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