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EDITORIAL
Entzündlich-rheumatische Erkrankungen und Ernährung
«Der stille Tod: Versteckte Entzündungen lösen Zivilisationskrankheiten aus», war in einem Internetartikel zu lesen. In der Tat werden chronische niederschwellige Entzündungen für die Entstehung von verschiedenen Krankheiten wie Krebs, Arteriosklerose oder die rheumatoide Arthritis (rA) verantwortlich gemacht. Die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine typisch westliche Ernährung über die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine und Eicosanoide eine chronische Entzündung unterhält. Die pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen Ernährung und Entzündungsprozessen wurden in den letzten Jahren intensiv erforscht, und es konnte gezeigt werden, dass durch geeignete antiinflammatorische Ernährungsweisen diese Entzündungsprozesse gemildert werden können. Mehr als 80 (!) proinflammatorische Substanzen werden aus der mehrfach ungesättigten Fettsäure Omega-6-Arachidonsäure gebildet. Zudem leiden Patienten mit rA doppelt so häufig an den Folgen der Arteriosklerose wie die Durchschnittsbevölkerung. Diese erstaunlichen Tatsachen finden sich im Einführungsartikel von O. Adam (Seite 6), in dem die Pathophysiologie und die Bedeutung der Entzündung für Gesundheit und Krankheit profund dargelegt werden. Japaner haben eine genetische Prädisposition, an rA zu erkranken. Trotzdem leiden sie zu einem Drittel weniger häufig an rA als andere Populationen. Der hohe Konsum von Omega-3-Fettsäuren wird als Erklärung herangezogen. Die Supplementierung von Fischölen zeigt einen bescheidenen, jedoch konsistenten positiven Effekt auf die Aktivität der rA. Ballmer et al. (Seite 11) zeigen aber klar und evidenzbasiert, dass Einzelkomponenten der Ernährung weniger wirksam sind als die mediterrane Ernährung als Gesamtes. Die Ernährung des modernen Menschen führt zu einer Nettosäurebelastung von 50 bis 100 mmol H+ pro Tag. Die Neutralisierung dieser Säurebelastung resultiert in einer negativen Kalziumbilanz, da im Austausch für H+ Kalium, Natrium sowie Kalzium und Phosphor aus dem Knochen herausgelöst werden, ohne dass die gastrointestinale Resorp-
tion kompensatorisch zunimmt. Osteoporose ist die Folge. Der Beitrag von Imoberdorf (Seite 17) versucht aufzuzeigen, dass der progrediente Verlust des Knochenmineralgehaltes nach Erreichen der «peak bone mass» kein unabwendbares Schicksal des modernen Menschen ist. «Der Dicke aber – Autsch! mein Bein! – hat wieder heut das Zipperlein!», so dichtete Wilhelm Busch. Die Gicht ist von allen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen am besten durch die Ernährung zu beeinflussen. Die traditionelle purinarme Diät ist «out». Was «in» ist, lesen Sie im klinisch sehr relevanten Artikel von Forster und Krebs (Seite 20). Vitamine, Mineralstoffe, einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe und Protein, das sind die Ingredienzien von Nüssen, Kernen und Ölsaaten. Alles, was man über Nüsse wissen möchte und wissen sollte, findet sich im detaillierten und informativen Artikel von H-H. Martin (Seite 25). Akute Entzündungsreaktionen dienen dem Überleben, während chronische Entzündungen den Organismus schädigen. Den Autorinnen und Autoren möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. Es ist ihnen gelungen, die schwierigen Zusammenhänge zwischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und Ernährung didaktisch geschickt zu erklären und die ernährungstherapeutischen Interventionsmöglichkeiten evidenzbasiert und ausgewogen vor dem geistigen Auge des Lesers zu entwickeln. Meine wichtigste Erkenntnis lässt sich frei nach Aristoteles zusammenfassen: «Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.»
Dr. med. Reinhard Imoberdorf Klinik für Innere Medizin, Kantonsspital Winterthur
E-Mail: reinhard.imoberdorf@ksw.ch
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