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BARIATRIE
Komplikationen der Bariatrie – «red flags» für die Praxis
F.F. HORBER, R. STEFFEN, TH. FRICK, N. POTOCZNA, S. HERREN
F. F. Horber
Seit dem 1.1.2011 ist es in der Schweiz möglich, morbid adipöse Patienten mit einem BMI > 35 kg/m2 bariatrisch-chirurgisch als Pflichtleistung der Grundversicherung der Krankenkasse abzurechnen, falls die Patienten mindestens zwei Jahre unter fachkundiger Anleitung (Ärzte, Ernährungsberatung, strukturierte Programme wie Weight Watchers etc.) erfolglos versucht haben, ihr Übergewicht signifikant zu reduzieren. Ziel der angewendeten Operationen ist es, die reduzierte Lebenserwartung der Patienten zu normalisieren, deren mannigfache und häufige Begleiterkrankungen zu therapieren und im Idealfall zum Verschwinden zu bringen sowie vor allem ihre Lebensqualität zu verbessern oder zu normalisieren. Dies bedingt aber, dass allfällige Nebenerscheinungen dieser Eingriffe erkannt und rechtzeitig behandelt werden, damit nicht im Verlauf wegen sich neu entwickelnder, durch die Operationen ausgelöste Erkrankungen Gewonnenes wieder verliert. Derzeit sind drei Hauptoperationen für die Behandlung der morbiden Adipositas zugelassen und werden durch die Krankenkassengrundversicherung bezahlt. Untenstehend wird auf die Komplikationen der einzelnen Eingriffe und deren Therapie detailliert eingegangen.
Das Magenband
Das Magenband (Abbildung 1) ist zweifellos die einfachste bariatrisch-chirurgische Operation. Sie ist sicher, verändert nichts an der Anatomie des Magen-DarmTrakts, und die Mortalität ist in vielen grossen Serien gleich null. Das Ziel der Intervention ist eine Restriktion der Essmenge, idealerweise herbeigeführt durch eine Verminderung des Hungergefühls und nicht unbedingt nur durch eine Restriktion. In einem unselektionierten Patientengut wird das Übergewicht um ungefähr 50 Prozent beziehungsweise der BMI um 11 bis 13 Punkte reduziert. Allerdings müssen je nach Studie 30 bis 50 Prozent der Patienten reoperiert werden, weil die Gewichtsabnahme ungenügend ist, das Magenband nicht toleriert wird oder technische Komplikationen des Bandes auftreten (1). Nach unserer Erfahrung erzielen junge Frauen mit einem BMI von weniger als
50 kg/m2 die besten Ergebnisse (2). Ein Essverhalten mit Essattacken, begleitet von Kontrollverlust, ein niedriger Grundumsatz, ein langjährig bestehendes metaboles Syndrom sowie Männer über 50 Jahre sind Faktoren, bei denen wir von einer Magenbandimplantation absehen (2). Die Nachsorge ist nach Magenbandeinlage, wie unten aufgeführt, aufwendig und lebenslang notwendig.
Komplikationen
1.Veränderung der Restriktion ohne Intervention des behandelnden Arztes Das Magenband wird mit einer Flüssigkeit durch das implantierte Portsystem gefüllt. Es wird ein hyperosmolares Kontrastmittel (Iopamiro®) oder 0,9% NaCl injiziert. Beim Kontrastmittel hat das Band die Tendenz, kleinste Mengen Flüssigkeit (mikroliterweise) aus dem Körper aufzunehmen. Bei der NaCl-Füllung hingegen hat das Band die Tendenz, Flüssigkeit zu
Abbildung : Adjustierbares Silikonmagenband mit auch sternumfixiertem Port
verlieren, also sich langsam zu entleeren. Dies kann dazu führen, dass die Patienten mit zunehmender Zeit (Monate bis Jahre) unerklärlicherweise besser oder schlechter essen können und die Speiseröhre in Mitleidenschaft gezogen werden kann.
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Deshalb sind lebenslänglich regelmässige Kontrollen (mindestens halbjährlich) nötig, um mit dem Patienten die Füllmenge zu diskutieren. Damit lässt sich langfristig das Versagen der Methode reduzieren (1).
2. Plötzlicher vollständiger Verlust der Restriktion mit rasanter Gewichtszunahme Meistens handelt es sich hier um ein Leck im Magenband oder im Portsystem. Die Diagnose kann durch maximales Füllen des Bandes unter Durchleuchtung gestellt werden. Der Ort des Lecks kann mittels Kontrastmittelextravasats dargestellt werden. Um ein Leck nicht zu verpassen (und dem Patienten nicht Unrecht zu tun), ist es wichtig, das Band supramaximal zu füllen (Menge je nach Bandtyp unterschiedlich), bis der Patient ein ausgeprägtes retrosternales Beklemmungsgefühl verspürt. Diese Komplikation tritt mit einer Häufigkeit von 1 bis 2 Prozent pro Jahr auf (3). Differenzialdiagnostisch muss bei plötzlichem Verlust der Restriktion auch an die sonst symptomlose Penetration des Magenbandes durch die Magenwand gedacht werden. Mittels Gastroskopie kann die Diagnose gestellt werden (1, 3).
3. Intermittierend auftretende nächtliche Aspirationen wegen zu starker Füllung des Magenbandes Dies kann einerseits bedingt sein durch zu starkes Auffüllen des Magenbandes aufgrund «sanften» Drucks des Patienten auf den Therapeuten oder andererseits wie unter Punkt 1 beschrieben. Typische Symptome sind nächtlicher Husten und morgendliche Fieberschübe, die von den Patienten häufig nicht als bandassoziiert interpretiert werden. Als weitere Ursache kann ein Verrutschen des Bandes (sog. Slipping) beobachtet werden. Die Häufigkeit dieser beiden Konstellationen ist bei 20 bis 30 Prozent der Bandträger anzutreffen. Die Diagnose wird einerseits klinisch gestellt (siehe oben) und radiologisch durch eine Ösophaguspassage verifiziert. Bei der Ösophaguspassage wird entweder die Bandlokalisation festgestellt (ideal liegt das Band in einem
Winkel von 45 bis 60° zur Vertikalen) oder ein massiv in der Breite zunehmender Ösophagus mit tertiären Kontraktionen. In diesen Situationen muss das Band entweder chirurgisch repositioniert oder – bei massiver Ösophagusdilatation – eine Umwandlung in einen Magenbypass diskutiert werden, falls der Patient mit der erreichten Gewichtsabnahme nicht zufrieden ist und/oder sich nach leichter Entlastung die klinische Situation nicht beruhigt (4). Häufig wird bei der Bandentleerung ein zu grosses Volumen entnommen. Bereits die Entfernung von 0,1 ml kann dazu führen, dass der gastroösophageale Schliessmuskel wieder funktioniert, keine Gewichtszunahme zu beobachten und der Patient klinisch symptomfrei ist. Interessanterweise normalisiert sich die ösophageale Motilität auch bei sogenannten Megaösophagi nach Bandentfernung und Umwandlung in einen Magenbypass klinisch meist sofort und objektiv in der Ösophaguspassage innert Wochen (1).
4. Verstopfung Patienten mit einem Magenband leiden häufig unter ausgeprägter Obstipation, die präventiv mit flüssigen Abführmitteln (z.B. Paragar®, Movicol®, Transipeg® etc.) angegangen werden sollte. Quellmittel sind zu vermeiden, da sie zu Obstruktionen am Magenband führen können. Häufig verbessert sich nach der Obstipationsbehandlung auch die Essqualität der Patienten (5).
5. Vitamin- und Mineralienkontrollen (6, 27) Bereits vor der Implantation eines Magenbandes haben morbid adipöse Patienten Mineral- und Vitamindefizite, die sich postoperativ akzentuieren können. Eisenmangel, insbesondere bei menstruierenden Frauen, ist häufig, da Magenbandpatienten meist nur geringe Mengen von Fleisch zu sich nehmen können. Ein peroraler Eisenersatz führt häufig zu Dysphagie, weswegen bei einem Menschen mit einem Ferritinwert von unter 30 µg/l die intravenöse Applikation von Venofer® oder Ferinject® diskutiert werden sollte (200–500 mg). Zirka 10 µg/l Fer-
ritin entspricht aus unserer Erfahrung bei diesen Patienten 100 mg infundiertem Eisen bei normalem Hb. Vitamin-B- und Folsäuremangel ist häufig, weshalb wir diesen Patienten routinemässig wasserlösliche Vitamine, wie B-Komplex und Folsäure, applizieren. Leider ist die Compliance der Patienten unterschiedlich, sodass sich regelmässige Kontrollen empfehlen, zum Beispiel in Form einer Jahreskontrolle. Polyvitaminpräparate sind eher nicht zu empfehlen, da morbid Adipöse per se hohe Vitamin-Aund Vitamin-E-Plasmaspiegel aufweisen. Vitamin D: Viele morbid adipöse Patienten (wie übrigens auch viele Normalgewichtige) weisen einen mehr oder weniger ausgeprägten Vitamin-D-Mangel auf, was in gewissen Fällen zu einem sekundären Hyperparathyreoidismus mit Knochenschmerzen führen kann. Tägliche Applikationen von 20 bis 30 Tropfen Vi-De 3® (1 Trpf. = 100 IE), 4 bis 6 Tropfen Vitamin D3 Wild® (1 Trpf. = 500 IE) oder alle 3 Monate 1 Ampulle Vitamin D3 Streuli® i.m. sollten in diesen Situationen evaluiert werden. Bei persistierendem sekundärem Hyperparathyreoidismus muss zusätzlich auch Kalzium per os appliziert werden. Damit verschwinden die Knochenschmerzen und Arthralgien meistens. Vitamin C: Die Patienten können häufig Früchte wegen ihres hohen Fasergehaltes nur als Fruchtsäfte zu sich nehmen. Da Fruchtsäfte eine hohe Energiedichte aufweisen, sollten sie aus Gewichtsgründen vermieden werden. Viele Patienten weisen daher einen Vitamin-C-Mangel auf, der zusammen mit dem häufigen nächtlichen Reflux zu ausgeprägten Gebiss- und Zahnfleischproblemen führen kann. Deswegen sollte Vitamin C monitorisiert und mit 1 bis 2 g/Tag Vitamin C per os substituiert werden.
6. Rücken- und Gelenkbeschwerden Viele Patienten klagen bei massiver Gewichtsabnahme über zunehmende Rücken- und Gelenkbeschwerden. Nach Ausschluss eines Vitamin-D-Mangels und allfälligen sekundären Hyperparathyreoidismus sollte eine intensive physiotherapeutische Evaluation erfolgen. Viele Patienten sind völlig dekonditioniert. Im
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Abbildung 2: Roux-Y-Magenbypass mit 15 ml Pouch
Rahmen eines massiven Gewichtsverlustes kommt es auch zu Verlust von Fett aus der Muskulatur mit einer Destabilisierung derselben. Zusätzlich ändert sich die biomechanische Belastung durch veränderte Hebelwirkung der aktiven Muskulatur an den Gelenken, was zu ausgeprägten diffusen Schmerzsyndromen führen kann. Eine gute physiotherapeutische Diagnostik mit anschliessenden Dehnungsübungen und Muskelaufbau bringt dieses Syndrom meistens zum Verschwinden. Die Patienten einfach in ein Fitnesscenter zu schicken oder ihnen mehr Bewegung nahezulegen, ist häufig wirkungslos.
7. Essattacken (7) 20 bis 30 Prozent der morbid-adipösen Patienten (je nach Studie) weisen eine Essstörung im Sinne eines Binge- und Night-Eating-Syndroms auf, Letzteres vor allem bei mit Stilnox® behandelten Schlafstörungen. Solche Patienten sollten eigentlich kein Magenband erhalten. Ist dies dennoch geschehen, sollten eine psychotherapeutische Begleitung, eine Umwandlung in einen Magenbypass oder eine Therapie mit Topimarat (8) diskutiert werden. Letzteres führt häufig zu einer Unterdrückung der Essattacken und zu einer zusätzlichen Gewichtsreduktion. Allerdings muss der Patient wissen, dass dieses Medikament für diese Indikation nicht zugelassen ist und die Kosten selber zu tragen sind, ausser es würde wegen zusätzlich bestehender Migräneattacken
zur Prophylaxe eingesetzt. Häufige Nebenwirkungen sind: Parästhesien an Händen und Füssen, Merkfähigkeitsstörungen und Nierensteine, worüber die Patienten vor Applikation informiert werden müssen.
8. Innere Hernien, bedingt durch den Verlängerungsschlauch des Magenbandes Immer daran denken bei sich wiederholenden unerklärlichen Abdominalschmerzen. Mittels Laparoskopie kann der Darm «befreit» beziehungsweise der Schlauch anders fixiert werden.
Der Standard-Magenbypass (RouxY-Magenbypass) (9,13)
Der Magenbypass (Abbildung 2) entspricht funktionell einer subtotalen Gastrektomie. Dabei wird ein kleiner Rest von 15 bis 30 ml des Kardiamagens belassen, und über diesen kleinen Magenpouch wird die Kalorieneinschränkung gesteuert. Die Bypassoperationen sind invasiv, die Anatomie wird definitiv verändert, und die Mortalität beträgt 0,1 bis 0,5 Prozent. Die Übergewichtsreduktion nach einem Standard-Magenbypass ist eindrücklich und erreicht oft kurzfristig bis zu 70 Prozent, im Langzeitverlauf (< 5 Jahre) 50 Prozent, also vergleichbar mit dem Magenband. Die Nachsorge ist einfacher als bei der Magenbandeinlage, es gibt keinen Fremdkörper zu berücksichtigen.
Komplikationen (10–17)
1. Sekundäre Gewichtszunahme 20 bis 30 Prozent der Patienten nehmen nach einem maximalen Verlust von 70 bis 80 Prozent des Übergewichtes allmählich wieder zu. Diese Situation sollte von Anfang an ernst genommen werden. Bei einer Zunahme von über 10 Prozent vom Nadir sollte eine Reintervention erwogen werden. Als Ursachen für die Gewichtszunahme gelten eine Vergrösserung des belassenen Restmagens und/oder eine Erweiterung der oberen Anastomose. Revisionen des kleinen Restmagens allein verschieben häufig die sekundäre Gewichtszunahme nur um 1 bis 2 Jahre. Eine Wiederherstellung der Restriktion auf
einen gastrojejunalen Durchmesser von 12 bis 13 mm mittels gastroskopischer Sklerosierung der oberen Anastomose ist zu erwägen. Bei deren Versagen sollte die Implantation eines fixen «Silastic Ring» oder eines zusätzlichen anpassbaren Magenbandes diskutiert werden. Diese chirurgischen Interventionen führen in über 90 Prozent der Fälle zu einer Stabilisation des Gewichtes und/oder erneuter Gewichtsabnahme. Interessanterweise treten die beschriebenen Komplikationen des primären Magenbandes bei seiner Anwendung um den Bypass praktisch nicht auf, da dieses zur Herstellung der Restriktion meist nur unwesentlich aufgefüllt werden muss.
2. Anastomosenstenose (Verengung des Übergangs vom kleinen Restmagen zum Jejunum) Dies ist je nach Serie eine Komplikation, die in 10 bis 20 Prozent der Fälle meist in den ersten 3 Monaten nach der Operation auftreten kann. Die Patienten haben dann eine Festnahrungsintoleranz und bei Stenosendurchmesser von 1 bis 2 mm auch eine Flüssignahrungsintoleranz. Eine endoskopische Dilatation ist dann notwendig mit einer Häufigkeit von 1- (in unserer Serie) bis 33-mal (durchschnittlich 2–3-mal). Es ist aber darauf hinzuweisen, dass die Dilatation nicht zu liberal durchgeführt werden sollte, da als Konsequenz davon häufig sekundäre Gewichtszunahmen im Langzeitverlauf beobachtet werden können. Man sollte versuchen, den Patienten zu motivieren, je nach Klinik eine gewisse «Leidenszeit» zu tolerieren. Eine chirurgische Revision der Anastomosenstenose kann und sollte unbedingt vermieden werden.
3. Ulzera an der oberen Anastomose Unmittelbar postoperativ sind diese häufig und können mit PPI und Ulcogant® behandelt werden. Sie können zu einer vorübergehenden Dysphagie führen, heilen aber spontan ab. Treten im späteren Verlauf solche Ulzera auf (nicht selten begleitet von einer oberen GI-Blutung), muss eine gastrogastrische Fistel ausgeschlossen werden, da dabei Salzsäure aus dem grossen Restmagen in den Pouch zurück-
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fliessen kann. Therapeutisch kann diese Fistel endoskopisch mit einem Clip verschlossen werden. Bei ungenügendem Ansprechen bleibt nur die Neuanlage des Bypasses mit Fundektomie – ein chirurgisch äusserst anspruchsvoller Eingriff.
4. Innere Hernie Innere Hernien sind nicht selten, aber tendenziell lebensbedrohliche Komplikationen des Magenbypasses, obwohl die Mesolücken und der «Petersenspace» von den Chirurgen bei der Primäroperation prophylaktisch meist verschlossen werden. Trotz Verwendung von nicht resorbierbaren Fäden treten solche Lücken durch den massiven mesenterialen Fettverlust erneut auf, und es kann – durch die Hernie ausgelöst – zu Ilei kommen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, dass solche Patienten über krampfartige Schmerzen im Bauch klagen, meist nahrungsabhängig, häufig auch ohne ein Korrelat im Labor und im Abdomen-CT. Einzig die notfallmässige Probelaparoskopie mit erneutem Verschluss der Mesolücken kann bei diesen oft sehr starken Schmerzen (Darmischämie) Abhilfe schaffen. Deswegen verzichten wir bei typischer Symptomatik zunehmend auf zeitintensive Abklärungen vor der Revision (> 2 h). Intraoperativ findet sich als indirekter Hinweis für eine innere Hernie häufig wenig chylöser Aszites. Auch nach Revision ist eine erneute innere Hernie nie ausgeschlossen, da die Naht bei ungenügender Entzündungsreaktion auf das Nahtmaterial ausreissen kann und die Lücke ungenügend vernarbt.
5. Frühdumping Häufig klagen Patienten im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme über Pulsanstieg, Nausea, Flushing oder Durchfall. Dieses Syndrom kommt dadurch zustande, dass im Darm – im Vergleich zum Plasma – Isoosmolarität hergestellt wird mit Flüssigkeitsverschiebung aus dem Plasmaraum in den Darm, von den Patienten nicht selten als Gurgeln im Oberbauch beschrieben. Gute Hydratation und Trinken von 1 bis 2 Gläsern Wasser vor dem Essen sowie gestaffeltes Zuführen von zuerst Eiweiss, dann Gemüse und erst
am Schluss Kohlenhydraten kann die Symptome mildern. Je länger der Bypass besteht, desto seltener ist dieses Syndrom.
6. Laktoseintoleranz Je nach Serie entwickeln 5 bis 20 Prozent der Patienten nach der Operation eine Milchzuckerintoleranz, die sich durch Nausea und Durchfall während oder unmittelbar nach dem Essen manifestiert. Die Diagnose lässt sich durch einen oralen Laktosetoleranztest (Nichtansteigen der Plasmaglukose nach 75 mg Laktose per os) feststellen. Als Therapie eignen sich das Vermeiden laktosehaltiger Nahrungsmittel beziehungsweise der Wechsel auf laktosefreie Milchprodukte oder die Gabe von Lacdigest® (4 Tabletten) vor einer laktosehaltigen Mahlzeit.
7. Spätdumping (12, 13) Wegen Wegfalls des Pylorus und bei zunehmender Lebensdauer des Bypasses nimmt die Restriktion der oberen Anastomose ab. Dadurch kann es 1½ bis 4 Stunden nach der Einnahme von Kohlenhydraten zu einem relativen Hyperinsulinismus kommen mit konsekutiver, zum Teil schwerer Hypoglykämie, die in schwerer Ausprägung zu Koma und epileptischen Anfällen führen kann. Eingehende Instruktion des Patienten über diese Problematik ist dringend notwendig, da Patienten diese Symptome häufig wegen des grossen Abstandes zur letzten Mahlzeit nicht mit dem Essen in Verbindung bringen. Zudem ist das Auftreten dieser Symptome, zum Beispiel während des Autofahrens, lebensgefährlich. Neben einer eingehenden Ernährungsinstruktion (zuerst Eiweisse essen, dann Gemüse und nur komplexe Kohlenhydrate) muss die Wiederherstellung der Restriktion mittels fixen «Silastic Ring» oder anpassbaren Magenbandes mit dem Patienten diskutiert werden; dies insbesondere auch, da Spätdumping häufig mit einer sekundären Gewichtszunahme einhergeht. Es kann aber auch vorkommen, dass Patienten mit Spätdumping weiter abnehmen, weil sie aus Angst vor dem Dumping nicht mehr zu essen wagen.
8. Sekundärer Hyperparathyreoidismus und Osteoporose (14) Patienten nach Magenbypass haben häufig eine Kalziummalabsorption, die sich in einem sekundären Hyperparathyreoidismus äussert. Mittels Gabe von 1 bis 4 g Kalzium per os kann diese Situation meistens normalisiert werden (PTH unter 65 ng/l). Sollte eine orale Kalziumgabe nicht genügen, müsste eine Induktion der Kalziumtransporter im Darm mittels 1,25-(OH)2-Dihydroxyvitamin D3 (Rocaltrol®) verschrieben werden. Falls dies nicht ausreichend durchgeführt werden kann, muss – vor allem bei postmenopausalen Frauen – mit der Entwicklung einer Osteoporose gerechnet werden. Deswegen ist mit den Patienten im Verlauf eine Osteodensitometrie zur Kontrolle der Knochendichte zu diskutieren. Bei Patienten mit Malcompliance bezüglich zusätzlicher Kalziumeinnahme muss mit einem schweren Hyperparathyreoidismus gerechnet werden, der sich durch diffuse invalidisierende Gelenkbeschwerden manifestiert. Therapeutisch erfordert dies kurzfristig intravenöse Kalziumgaben über mehrere Tage und eine anschliessende regelmässige hoch dosierte Kalziumeinnahme.
9. Vitaminersatz Notwendig ist eine routinemässige Applikation von Vitamin-B-Komplex (insbesondere Vitamin B1, B6 und B12). Vitamin-B1Mangel kann zu Paresen und massiven Merkfähigkeitsstörungen (Wernicke-Korsakow-Syndrom) (15) führen und ist vor allem in den ersten Monaten nach der Operation bei Patienten, die bezüglich Vitamin-B-Substitution malcompliant sind, zu erwägen. Die Vitamin-B12-Speicher können am besten mittels Messung von Holotranscobolamin abgeschätzt werden. Allenfalls sind regelmässige perorale Gaben von Vitamin B12 oder parenteral (i.v. oder i.m., falls vom Patienten toleriert) notwendig (15). Da gewisse Patienten auch mit einem Standard-Magenbypass eine Fettmangelaufnahme aufweisen können, ist auch das Vitamin A regelmässig zu kontrollieren und nach Symptomen für Nachtblindheit zu fragen. In letzter Zeit häufen sich Berichte, dass
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Patienten nach Magenbypass einen Kupfermangel (17) erleiden können, der zu unspezifischen neurologischen Symptomen führen kann. Da diese Läsionen potenziell irreversibel sein können, ist ein sofortiger Ersatz durch Kupfer per os oder Tracutil i.v. indiziert. Wegen Ausschlusses des Duodenums im Rahmen der Magenbypassanlage ist ein Eisenmangel, begleitet von Müdigkeit, Haarausfall und Nagelveränderungen, eine häufig beobachtete klinische Situation. Regelmässige Einnahme von Eisentabletten oder, falls nicht toleriert, Venofer® oder Ferinject® i.v. ist die übliche Therapiemodalität. Bei Haarausfall muss auch darauf geachtet werden, dass der Patient genügend, also mindestens 60 g Eiweiss pro Tag, zu sich nimmt. Wir weisen die Patienten immer darauf hin, dass sie versuchen sollten, eiweisshaltige Nahrungsmittel zuerst einzunehmen.
10. Psychische Nebenwirkungen (18) Nicht selten beobachtet man nach einem Magenbypass, dass Patienten depressiv werden oder sich gegenüber der Umgebung zunehmend latent aggressiv verhalten. Häufig merken es die Patienten selber nicht, und es kommt im Verlauf zu einer psychosozialen Dekompensation mit ausserordentlichen Todesfällen, zum Beispiel Suizid. Präoperative Warnung der Patienten und vor allem ihrer Angehörigen vor dieser Situation ist dringend notwendig. Bei Auftreten ist eine gute psychotherapeutische Begleitung und allfälliger Einsatz von SSRI zu erwägen. Mit diesen Therapiemodalitäten kann häufig die Situation langfristig zielbringend behandelt werden.
11. Syndrom des ausgeschlossenen Magens Es gibt Patienten, die postoperativ viele Nahrungsmittel nicht mehr essen oder trinken können, da sie eine Aversion, zum Beispiel auch auf Wasser, entwickeln. Dies hat möglicherweise damit zu tun, dass als Folge des Bypasses verschiedenste enteral sezernierte Hormone in anderen Konzentrationen als vor der Operation das Gehirn erreichen und damit chirurgisch induzierte «Geschmacksveränderungen»
verursachen. Dies muss dem Patienten präoperativ eingehend erklärt werden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass mit zunehmender Lebensdauer des Bypasses diese Veränderungen wieder verschwinden.
12. Bakterielle Überwucherung des von der Nahrungszufuhr ausgeschlossenen Zwölffingerdarms und Restmagens (19, 20) Es ist unüblich, dass Patienten mit einem Standard-Magenbypass Durchfälle entwickeln. Falls diese auftreten, muss eine bakterielle Überwucherung des Restmagens oder eine Laktoseintoleranz ausgeschlossen werden. Die bakterielle Überwucherung kann am besten, nach vorgängiger Probiotikagabe, mittels peroraler Antibiotikatherapie behandelt werden. Bei einem Rezidiv muss diese wiederholt werden. Üblicherweise sollten im antibiotischen Spektrum auch Anaerobier und Pilze enthalten sein.
13. Rücken- und Gelenksbeschwerden Siehe Punkt 6 Magenband.
14. Nierensteine (21) Auch konventionelle Roux-Y-Magenbypässe haben häufig eine Steatorrhö wechselnden Ausmasses. Als Folge davon kommt es zu einer Verseifung von Fettsäuren im Darm und einem enteralen Kalziumverlust mit Bildung von Natriumoxalat, das wasserlöslich ist und nach Resorption renal elimiert wird. Daher können Kalziumoxalatnierensteine entstehen. Eine Gabe von bis zu 4 g Kalzium per os (unter Kontrolle von PTH und Serumkalzium) kann die Entwicklung einer Lithiasis meistens verhindern.
Der Schlauchmagen oder sogenannte Sleeve (22)
Beim Schlauchmagen (Abbildung 3), einer kürzlich eingeführten Therapiemodalität, wird etwa 90 Prozent des Magens entfernt, und der Magen imponiert als Schlauch. Theoretisch sollten mit dieser Operation durch Verkleinerung des Magens ghrelinproduzierende Zellen entfernt und damit das Hungergefühl
Abbildung 3: Abtrennung der meisten ghrelinproduzierenden Magenanteile beim Schlauchmagen
langfristig reduziert und eine geringere Kalorienaufnahme erreicht werden. Es handelt sich dabei nach wie vor um eine langfristig experimentelle Therapiemodalität, da Langzeitdaten von grösseren Serien länger als 4 Jahre fehlen. Ein Umstand, der aus unserer Sicht jedem Patienten präoperativ mitgeteilt werden sollte. Weiterhin sind Algorithmen zur Therapie einer später sich allenfalls erneut manifestierenden sekundären Gewichtszunahme noch weitgehend unbekannt – ebenfalls ein Fact, den ein Patient, der sich für diese Operation entschliesst, kennen muss.
Komplikationen
1. Stenosen des Schlauchmagens Diese sind deutlich seltener als beim Magenbypass, können aber ebenfalls mittels endoskopischer Dilatation angegangen werden.
2. Vitamine und Mineralien (23) Eisen- und Vitamin-B12- sowie Vitamin-DMangel sind häufig nach Magensleeve und müssen, wie oben beim Magenband und Bypass beschrieben, enteral oder parenteral ersetzt werden. Im übrigen gelten die Grundsätze wie beim Magenband unter Punkt 5 beschrieben.
3. Psychische Veränderungen Ghrelin ist ein antidepressiv wirkendes Hormon (24). Es ist deswegen wichtig, dies mit dem Patienten vor der Operation zu besprechen, postoperativ die psychische Entwicklung gut zu monitorisieren
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Abbildung 4: Biliopankreatische Diversion mit variabler Restriktion durch Magenband 2,5 m alimentärer Schlinge (a) und 60 cm gemeinsamen Schenkel (c).
und falls nötig eine medikamentöse Therapie mit SSRI und psychotherapeutische Begleitung zu initiieren.
4. Rücken- und Gelenkbeschwerden Siehe Punkt 6 Magenband.
5. Einsatz des Schlauchmagens bei Jugendlichen (24) Änderung der Ghrelinproduktion verändert mindestens kurzfristig sowohl die Wachstumshormon- als auch die Kortisonproduktion. Da die Langzeitwirkungen solcher Veränderungen unbekannt sind, ist die Indikation des Schlauchmagens bei Jugendlichen mit entsprechender Vorsicht zu stellen.
6. Schlaf und Ghrelin (25) Pharmkologische Gaben von Ghrelin führen zu einer Verkürzung der Schlaf-dauer. Ob die Reduktion der gastralen Ghrelinproduktion den Schlaf beeinflusst, sollte bei operierten Patienten beobachtet werden.
Die malabsorptiven Operationen (26) Das gemeinsame Wirkprinzip der malabsorptiven Operationen (Abbildung 4) besteht darin, dass die Pankreasenzyme und die Galle umgeleitet werden (biliopankreatische Diversion) und somit die eingenommene Nahrung nur noch auf etwa 10 Prozent der Dünndarmlänge mit Galleund Pankreasenzymen in Berührung kommt (60–100 cm). Die Folge ist eine
hochgradige Fettmalabsorption. Die Essqualität ist gut, da die Restriktion bei diesen Eingriffen geringer ist. Die Gewichtsabnahme ist grösser als bei den restriktiven Verfahren und beträgt 70 bis 80 Prozent des Übergewichtes oder 18 bis 20 BMI-Punkte. Nachteilig sind die Fettstühle, die je nach Fettaufnahme zu 3 bis 20 voluminösen Stuhlgängen am Tag führen können, sowie die deutlich erhöhte Flatulenz mit übel riechenden Gasen, die aus den Fettsäuren im Kolon unter dem Einfluss der Darmflora gebildet werden. Obwohl diese unangenehmen Nebenwirkungen von den Patienten durch das Meiden von Fett etwas kontrolliert werden können, müssen die Patienten und vor allem ihr Umfeld sich mit diesen Nebenwirkungen täglich auseinandersetzen. Der Stoffwechsel wird im Vergleich zu den oben erwähnten Operationen am nachhaltigsten beeinflusst und muss lebenslang adäquat durch Spezialisten überwacht werden. Vitamin-D- und Kalziummangel sind die Regel und können zu Osteoporose oder – wegen enteraler Hyperoxalurie – zur Nierensteinbildung (21) führen. Neben Eisen-, Vitamin-B12- und Vitamin-B1-Mangel kommt es zusätzlich zu einer Mangelaufnahme von fettlöslichen Vitaminen wie Vitamin A mit resultierender Hemeralopie. Auch Eiweissmangel ist keine Seltenheit. Kupfer(neurologische Ausfälle) und Selenmangel (Anämie) sind häufig (17, 27). Wegen all dieser Nebeneffekte (26) und Mangelerscheinungen sind die malabsorptiven Operationen einem selektionierten Patientengut vorbehalten. Sie können unter anderem Patienten mit einem BMI von über 55 kg/m2 oder nach Versagen restriktiver Operationsverfahren empfohlen werden. Auch malabsorptive Eingriffe können heute laparoskopisch durchgeführt werden. Die Mortalität beträgt hier etwa 1 bis 2 Prozent, allerdings mitbedingt durch die Negativselektion von Hochrisikopatienten.
Wenn konservative Methoden und Verhaltenstherapie versagen
Übergewicht ist nach WHO die Epidemie des 21. Jahrhunderts und belastet Patien-
ten und Kostenträger gleichermassen. Die Behandlung der Komorbiditäten ohne Chirurgie kosten in der Schweiz zwischen 1,7 und 2,7 Milliarden Franken pro Jahr (13). Davon wird aber nur 1 Prozent für die direkte Therapie der Adipositas ausgegeben, alles Übrige für die Folgekrankheiten der Adipositas wie Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2 und Osteoarthropathie und so weiter. Eine Vision wäre eine Umkehrung dieses Verhältnisses. Immer mehr Patienten wünschen die für sie einzig mögliche Behandlungsform: den bariatrisch-chirurgischen Eingriff. Wahrscheinlich werden im europäischen Raum die jüngeren, krankhaft übergewichtigen Patienten das zukünftige Zielpublikum dieses chirurgischen Verfahrens sein. Was die Verfahren betrifft, wird der laparoskopische Magenbypass möglicherweise zum Goldstandard in der bariatrischen Chirurgie werden, da er im Vergleich zu den anderen Operationsmethoden den besten Kompromiss zwischen Komplikationen und Langzeitgewichtsverlust darstellt. Das Magenband ist zwar weniger invasiv, braucht aber eine gut institutionalisierte Nachsorge. Die Compliance, die wir von unseren Patienten erwarten, betrifft das Einhalten der Nachsorgetermine sowie einen entsprechend angepassten Lebensstil. Nur so können gute Langzeitresultate erreicht werden. Ob der Schlauchmagen langfristig weniger sekundäre Gewichtszunahmen nach sich ziehen wird und die langfristige Steigerung der Lebensqualität mit der des Magenbypasses vergleichbar sein wird, bleibt abzuwarten.
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. F. Horber Schickstr. 11, 8400 Winterthur Tel. 052-266 15 00, Fax 052-255 15 01 E-Mail: fritz@horber.org
Interessenkonflikte: keine
Danksagung: Wir danken C. Giordani für die Ausarbeitung dieses Dokuments.
Literatur: 1. Steffen R, Potoczna N, Bieri N, Horber FF. Successful multi-intervention treatment of severe obesity: a 7year prospective study with 96% follow-up. Obes Surg. 2009 Jan; 19 (1): 3–12. Epub 2008 Sep 16.
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