Transkript
Lifestyle
Jüdische Küche Teil 2: Koscher kochen
Die jüdische Küche kann man nicht
mit einer regionalen Küche verglei-
chen wie der französischen, ungari-
schen oder italienischen, denn die vor
Jahrhunderten aus ihrem Land vertrie-
benen Juden haben in diesem Sinn
keine Landesküche. Sie haben viel
mehr, unter Einhalten ihrer Speise-
regeln, die im jeweiligen Land vor-
handenen Nahrungsmittel verwendet.
Heidi Rohde-Germann
So, wie man zwischen askenasischen und sephardischen Juden unterscheidet, unterscheidet sich auch deren Küche. Die Speisen der aus Mittel- und Osteuropa stammenden askenasischen Juden haben Ähnlichkeiten mit denjenigen in Polen, Ungarn, Österreich und Russland. Letzteres umfasst allerdings ein derart grosses Gebiet, dass die jüdisch-askenasische Küche durch die Esstraditionen und das Nahrungsangebot angrenzender Länder wie der Türkei oder des Irans stark beeinflusst wurde und dort entsprechend grosse Ähnlichkeiten mit der sephardischen hat.
In der askenasischen Küche findet man vor allem Rind- und Lammfleischgerichte, die lange gekocht werden. Gewürzt wird mit Zwiebeln, Knoblauch, Paprika, Dill und Petersilie. Kartoffeln, Linsen und Buchweizengrütze,
Früchte und Gemüse, auch eingelegte Gemüse und Essiggurken gehören dazu. Süss-Saures, Sauerrahm und Fisch als neutrale Speise nehmen immer eine wichtige Stellung ein. Bei den Bagels – den runden Brötchen mit einem Loch in der Mitte – und Challah, dem Hefezopf, wie wir ihn kennen, oft mit Mohn oder Sesam bestreut, zeigt sich der österreichisch-ungarische Einfluss bei den Backwaren. Süsse Desserts sind ebenfalls sehr beliebt.
Die sephardischen Juden stammen aus Portugal, Spanien und dem Nahen Osten. Aus Spanien und Portugal wurden sie während der Inquisition vertrieben und retteten sich teils nach Nordeuropa, teils nach Marokko, Griechenland und die Türkei bis nach Indien. Fisch, Lammfleisch, Olivenöl, Zitronen und scharfe Gewürze, Dill und Korianderkraut kennzeichnen sephardisches Kochen. Die Verwendung von Tomaten, Zucchini, Auberginen, Artischocken, Oliven und Bohnen ist Teil der Mittelmeerküche. Regionale Unterschiede sehen wir zum Beispiel in der Verwendung von viel Joghurt, flachen Broten, Phyllo-Teig und Tahinipaste (einer aus Sesamkörnern hergestellten Paste) in östlichen Regionen, während in Marokko lebende oder aus Marokko stammende Juden ihre Gerichte mit Safran, Zimt, Ingwer, Muskatblüte und Piment würzen.
Bei der Befolgung der jüdischen
Speisevorschriften spielen Fisch, Ge-
müse und Obst, das Fleisch von Hüh-
nern, Gänsen und Enten eine wichtige
Rolle. So wird mit Gänsefett gebraten
und Gänsesalami gegessen. Wenn wir
an jüdische Speisen denken, kommen
uns die bekanntesten, wie Matzen, fla-
che ungesäuerte Brotfladen, oder ge-
filte Fisch in den Sinn. Dieser wird
heute aus püriertem, weissem Fisch
hergestellt, der mit Ei, Matzenmehl
und Gewürzen zu Bällchen geformt, in
einem Fischsud gegart und anschlies-
send abgekühlt wird. Dazu gibt es Ka-
rottenscheiben und Meerrettichsauce.
Die Vielfalt der jüdischen Küche
schlägt sich in den Kochtöpfen Israels
nieder, wurden doch von den heimge-
kehrten Juden die vielfältigsten Re-
zepte mitgebracht. Jüdische, koschere
Speisen und auch Fertiggerichte gibt
es fast überall auf der Welt, die jüdi-
sche ist die wohl internationalste
Küche.
■
40 Nr. 2 • 2008