Transkript
Editorial
Gastroenterologie und Ernährung
Das Ziel der vorliegenden Ausgabe ist es, eine Brücke zwischen der Gastroenterologie und der Ernährung zu schlagen. Beide Gebiete gehören eng zusammen, werden aber häufig unabhängig voneinander betrachtet. Es gibt nur wenige Gastroenterologen, die sich intensiv mit der Ernährung auseinandersetzen. Demgegenüber haben die Ernährungsmediziner nur wenig Zugang zu den Gastroenterologen. Ein vermehrter Dialog könnte in der Klinik und in der Forschung sehr fruchtbar sein. Ein normal funktionierender Magen-Darm-Trakt ist entscheidend für einen gesunden Organismus. Die Nahrung wird hier aufgenommen, zerkleinert, und die lebensnotwendigen Makro- und Mikronährstoffe werden resorbiert. Die Ernährung spielt aber nicht nur eine Rolle bei der Aufrechterhaltung einer ausgewogenen Energiebilanz, sie kann auch Krankheiten auslösen oder verhindern sowie Beschwerden verstärken oder lindern. Es gibt nur wenige gesicherte Daten, dass Nahrungsmittel eine Krankheit auslösen oder für spezifische gastrointestinale Beschwerden verantwortlich sind. Die bekannteste durch Nahrung (Gluten im Getreide) ausgelöste Erkrankung ist die immunvermittelte Enteropathie (Zöliakie), die durch eine Übersensitivität gegenüber Gluten in genetisch suszeptiblen Personen entsteht. Die Krankheit besteht so lange, wie Gluten eingenommen wird. Die Therapie besteht demzufolge im Weglassen glutenhaltiger Nahrungsmittel. Bei der Laktoseintoleranz und der Fruktosemalabsorption wird der Magen-Darm-Trakt nicht geschädigt. Es treten aber unangenehme Beschwerden nach Genuss von Laktose und Fruktose auf. Mit dem Weglassen von Nahrungsmitteln, die solche Komponenten enthalten, können die Beschwerden vermieden werden. Die Laktoseintoleranz ist deutlich häufiger und besser bekannt als die Fruktosemalabsorption. Eine besondere Problematik stellen die Nahrungsmittelallergien dar. Hierunter werden spezi-
fische Reaktionen nach Nahrungsaufnahme als Folge immunologischer Mechanismen verstanden, wenn gegen bestimmte Nahrungsmittelkomponenten Antikörper gebildet werden. Dies ist von individuellen Nahrungsunverträglichkeiten abzugrenzen. Neben diesen spezifischen durch Nahrungsmittel bedingten Störungen im Gastrointestinaltrakt gibt es eine Reihe von Krankheiten, an denen die Ernährung möglicherweise beteiligt ist. Bei der Obstipation spielen eventuell eine faserarme Kost und eine ungenügende Flüssigkeitszufuhr und beim Reizdarm eine fettreiche Diät eine gewisse Rolle. Die Zusammenhänge werden aber bis heute kontrovers diskutiert. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Ernährung besteht in einer möglichen Linderung gastrointestinaler Beschwerden. Es gibt verschiedene Hinweise, dass eine Verstopfung, eine Diarrhö, ein Reizdarm und zum Teil auch die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen von einer spezifischen Ernährungstherapie profitieren. Leider gibt es auch hier nur wenige gesicherte Daten. Für diese Ausgabe konnten wir für die einzelnen Beiträge namhafte Experten gewinnen, die in übersichtlicher und prägnanter Form die positiven und negativen Einflüsse der Ernährung bei Magen-DarmErkrankungen erläutern. Es ist sehr wichtig, diese Situationen zu kennen, da Patienten oft länger über Symptome klagen, die fälschlicherweise als funktionelle Beschwerden interpretiert werden. Die richtige Diagnose wird oft erst nach einer längeren Leidenszeit gestellt, und das Einleiten einer adäquaten Therapie erfolgt zu spät. Wir hoffen, mit diesen Artikeln dem interessierten Leser wertvolle Hinweise für die tägliche Praxis zu geben.
Prof. Dr. med. Remy Meier Leitender Arzt Gastroenterologie Medizinische Universitätsklinik Kantonsspital Liestal
Nr. 2 • 2008
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