Transkript
Lifestyle
Jüdische Küche
Teil 1: Die jüdischen Speiseregeln
Die jüdische Küche ist überaus viel-
fältig und geprägt vom jeweiligen
Wohnort der Juden. Als die Juden vor
vielen hundert Jahren ihr Land ver-
lassen mussten, wanderten sie in die
verschiedensten Regionen der Welt
aus. Sie übernahmen von den Län-
dern, in denen sie sich niederliessen,
das Angebot an Speisen und Gewür-
zen unter Einhaltung des Kaschrut, der
koscheren Speisevorschriften.
Heidi Rohde-Germann
Kaschrut hat den Wortstamm «koscher», dies bedeutet tauglich oder rein, also zum Essen erlaubt. Die jüdischen Speisevorschriften stammen aus der Tora und dem Talmud. Sie regeln einerseits, welche Speisen für Juden erlaubt sind, andererseits aber auch die Herstellung und Zubereitung der Speisen. Von orthodoxen Juden werden diese Regeln strikt befolgt.
Die wichtigsten Reinheitsgebote sind wohl diejenigen, die den Verzehr von Säugetieren betreffen: Nur Tiere, die ganz gespaltene Hufe haben und Wiederkäuer sind, gelten als koscher. Dabei gilt der Vorbehalt, dass das Hinterviertel (Filetstück) von Huftieren nur dann gegessen werden darf, wenn die Blutgefässe, die es verbinden, sowie der Ischiasnerv entfernt worden sind. Dieses Verbot beruht auf einem religiösen Hintergrund (Genesis 32,33). Geflügel ist koscher mit Ausnahme von Raubvögeln, Aasfressern und frisch geschossenen Wildvögeln. Bei den im Wasser lebenden Tieren gelten diejenigen als koscher, die Flossen und Schuppen tragen. Krustentiere sind also nicht koscher, ebenso wenig der Stör, da er Platten anstelle von Schuppen besitzt, sowie Muscheln und Frösche.
Pflanzliche Lebensmittel
wie Früchte, Salat und Ge-
müse gelten als koscher
und neutral, allerdings mit
der Einschränkung, dass
nicht zwei verschiedene
Sorten Samen auf einem
Acker oder auf einem
Weinberg gesät werden
dürfen und dass Früchte,
deren Träger (Baum oder
Strauch) jünger als drei
Jahre alt sind, nicht geges-
sen werden dürfen. Ebenso
gelten Fische als neutral.
Neutral bedeutet, dass sie
sowohl mit Milchigem als
auch mit Fleisch zusam-
men verwendet und geges-
sen werden dürfen. Fisch
und Fleisch werden jedoch
nicht zusammen gegessen, Menora vor der Knesset in Jerusalem (Bild: pixelio.de)
ebenso wenig dürfen
Fleisch und Milchprodukte zusammen Käse, der mit Lab aus dem Magen
genossen werden. Nach einer Fleisch- von Kühen hergestellt wird, ist nicht
mahlzeit muss eine Pause von sechs koscher. Es existieren aber Labersatz-
Stunden eingehalten werden, bevor produkte, die zur Herstellung von ko-
etwas Milchiges gegessen werden darf. scherem Käse und anderen Milch-
Umgekehrt darf dagegen nach einer produkten Verwendung finden. Da
milchhaltigen Speise sofort Fleisch Gelatine oder Sulze aus Tierknochen
gegessen werden. Juden, die die Speise- hergestellt wird, müssen sie in der jü-
vorschriften streng befolgen, verwen- dischen Küche durch Agar-Agar ersetzt
den für Fleisch- und für Milchgerichte werden.
verschiedenes Geschirr, das auch ge- Unkoscherer Wein ist zwar erlaubt,
trennt abgewaschen und versorgt wird. muss aber vor dem Verzehr gekocht
Das erklärt, dass zwei Geschirrwaschma- werden. Die Traubenernte für kosche-
schinen in einer Küche stehen können ren Wein muss unter Aufsicht stattfin-
oder zumindest zwei verschiedene Gar- den, dasselbe gilt für Schnäpse. Nicht
nituren von Abwaschkörben.
nur in Israel, sondern auch in Kalifor-
Das Töten von Säugetieren oder Vö- nien und Frankreich wird koscherer
geln geschieht ebenfalls nach Vor- Wein hergestellt.
schrift. Sie müssen geschächtet wer- Um die Speisevorschriften einhalten
den, das heisst, die Halsschlagader, die zu können, werden zum Beispiel Sau-
Luftröhre und der Nervus vagus wer- cen mit Sojamilch hergestellt, anstelle
den mit einem Messer durchtrennt, von Speckwürfeln wird Entenbrust
dessen Klinge die doppelte Länge der verwendet, auch Kokosmilch wird ge-
Breite der Kehle des Tieres haben braucht. Zwiebeln und Knoblauch fin-
muss. Nach der Durchtrennung muss den häufig Verwendung in der jüdi-
das Tier mit dem Kopf nach unten auf- schen Küche.
gehängt werden, damit es ausblutet. In vielen Ländern, auch in der
Da Juden kein Blut essen dürfen, wer- Schweiz, gibt es koschere Nahrungs-
den die Tiere danach noch speziell mittel und Fertiggerichte, oft sind sie
gereinigt. Auch Eier dürfen nicht ge- mit einem U in einem O gekennzeich-
gessen werden, wenn ein Blutstropfen net, was «Orthodox Union» bedeutet.
darin ist. Gewisse Innereien wie Nieren
I
und Magen sind nicht koscher, dürfen
also nicht verzehrt werden.
44 Nr. 1 • 2008