Transkript
Ernährungsmedizin
Probiotikum-Drink verhindert antibiotikaassoziierte Durchfälle
Eine kürzlich im «British Medical
Journal» publizierte randomisierte und
plazebokontrollierte Doppelblindstudie
(1) untersuchte, inwieweit die beglei-
tende Gabe eines probiotischen
Joghurtdrinks antibiotikaassoziierte
Durchfallerkrankungen bei älteren
Patienten verhindern kann. Die Ergeb-
nisse, die anlässlich einer Pressekon-
ferenz durch die Studienleiterin
Dr. Mary Hickson, London, in Hamburg
vorgestellt wurden, zeigen, dass sich
der Einsatz von Probiotika günstig auf
die Gesundheit und Funktionsfähigkeit
des Gastrointestinaltrakts auswirkt.
Durchfallerkrankungen sind häufige und unangenehme Nebenwirkungen einer Antibiotikatherapie, was vor allem bei älteren Patienten zu erhöhter Infektanfälligkeit und längeren Spitalaufenthalten führen kann und oft einen Abbruch der Antibiotikaeinnahme nach sich zieht. Da der natürliche Schutzwall der endogenen Darmflora durch die antibiotische Behandlung ebenso angegriffen wird wie unerwünschte pathogene Keime, können sich mikrobielle Krankheitserreger leichter im Intestinum festsetzen. Dazu gehört beispielsweise Clostridium difficile, dessen Toxine in etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle solche unerwünschten Durchfälle verursachen. Diese können starke Beschwerden hervorrufen und in Einzelfällen sogar zum Tode führen. Der Einsatz von Probiotika kann hier helfen, das Gleichgewicht protektiver Mikroorganismen im Gastrointestinaltrakt zu erhalten beziehungsweise wiederherzustellen, so Professor Jürgen Schrezenmeir von der
Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, Kiel, der den aktuellen Stand der Probiotikaforschung vorstellte. Obwohl inzwischen zahlreiche probiotische Produkte im Handel erhältlich sind, existieren derzeit nur für wenige auch anerkannte, evidenzbasierte klinische Studien – insbesondere zur Prävention von C.difficile-bedingten Durchfallerkrankungen.
Studiendesign Für die randomisierte, doppelblin-
de, plazebokontrollierte Studie wurden ausschliesslich über 50-jährige Patienten aus drei verschiedenen Spitälern (Orthopädie, Innere Medizin und Geriatrie) rekrutiert, die sich alle einer Antibiotikabehandlung unterziehen mussten, wie die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Mary Hickson vom Hammersmith Hospitals NHS Trust, London, UK, berichtete. Insgesamt wurden 135 Patienten in die Studie eingeschlossen. Während der Antibiotikatherapie und einer weiteren Woche nach Abschluss der Behandlung erhielten die Patienten randomisiert entweder zweimal täglich 100 g (entsprechend einem Fläschchen) des zu untersuchenden probiotischen Joghurtdrinks (Actimel®) mit Lactobacillus casei (1,0 x 108 cfu/ml), L. bulgaricus (1,0 x 107 cfu/ml) und Streptococcus thermophilus (1,0 x 108 cfu/ml) oder ein Milchshakegetränk (Yazoo®) als Plazebo. Die Einnahme erfolgte eine halbe Stunde vor oder ein bis zwei Stunden nach den Mahlzeiten. Als primärer Endpunkt wurde das Auftreten antibiotikaassoziierter Diarrhö, als sekundärer Endpunkt der Nachweis von Clostridium-difficile-Toxin beziehungsweise ein durch Clostridium difficile verursachtes Auftreten von Diarrhö festgelegt.
Probiotika verbessert die Verträglichkeit von Antibiotika
Im Gegensatz zur Plazebogruppe, in der 19 von 56 Patienten (34%) unter antibiotikaassoziiertem Durchfall litten, waren in der Probiotikumgruppe nur 7 Patienten (n = 57; 12%, p = 0,007) betroffen. Deutlich fiel auch das Ergebnis im Fall der von Clostridium dif-
ficile hervorgerufenen Diarrhöen aus: Während 9 von 53 Patienten (17%) der Plazebogruppe an einer nachgewiesenen Clostridium-difficile-Diarrhö erkrankten, konnten bei den Patienten, die den Probiotikum-Drink einnahmen, keine Clostridium-difficileKeime nachgewiesen werden. Eine logistische Regressionsanalyse zur Überprüfung des Einflusses anderer Faktoren ergab für die Anwendung des Probiotikums eine Reduktion des Durchfallrisikos um 75 Prozent. Die Anzahl notwendiger Behandlungen (number needed to treat) lag bei 5, um eine Durchfallerkrankung beziehungsweise bei 6, um eine durch Clostridiumdifficile-Toxine ausgelöste Diarrhö zu verhindern. Unter der Probiotikagabe wurden keine Nebenwirkungen beobachtet.
Einsparungen im Gesundheitswesen möglich
Diese Ergebnisse seien nicht nur medizinisch, sondern auch ökonomisch relevant, so Dr. Hickson abschliessend, da die Behandlung einer Clostridiumdifficile-Infektion, die in Grossbritannien jährlich etwa 52 000 Patienten treffe, pro Patient mehrere tausend Franken koste. Dagegen belaufen sich die Kosten des Probiotikums, um eine antibiotikaassoziierte Durchfallerkrankung oder eine Clostridium difficilebedingte Diarrhö zu verhindern, auf etwa 120 beziehungsweise 145 Franken. Allerdings gilt die nachgewiesene positive Wirkung nur für die in dieser Studie verwendete Bakterienkombination; die Studienleiterin schliesst jedoch nicht aus, dass auch andere Stämme probiotischer Bakterien ähnliche Wirkungen aufweisen können. I
Claudia Reinke
Quelle: «Actimel® verbessert die Verträglichkeit von Antibiotika»; Pressekonferenz Danone Deutschland, Donnerstag, 6. Dezember 2007, Hamburg, BRD.
Literatur: 1. Hickson M, D’Souza AL, Muthu N et al. Use of probiotic Lactobacillus preparation to prevent diarrhoea associated with antibiotics: randomised double blind placebo controlled trial. Brit Med J 2007; 335: 80–83.
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