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Entzündung und Ernährung
Der Einfluss von Stress auf inflammatorische Prozesse am Beispiel der Schwangerschaft
Anhaltender Stress kann, wie man heute weiss, eine Reihe von Erkrankungen sowie chronische Entzündungen auslösen und zu gravierenden Störungen der hormonellen Homöostase führen. Lange waren die zugrunde liegenden pathologischen Mechanismen unklar. Jüngste Ergebnisse experimenteller, klinischer und epidemiologischer Forschung erbrachten jedoch neue Einsichten und den Nachweis biologischer Zusammenhänge. Wie sich herausstellt, greift Stress auf verschiedensten Ebenen in den Ablauf inflammatorischer Prozesse ein. So kann er beispielsweise auch ein Risikofaktor für ausbleibende Schwangerschaften sowie für Fehl- und Frühgeburten sein. Der vorliegende Beitrag fasst die entsprechenden Erkenntnisse zusammen.
Hannes Bielas1 und Petra C. Arck2,3
1Rhein-Ruhr-Universität Bochum, Klinik für Kinderund Jugendmedizin 2Charité, Universitätsmedizin Berlin, Centrum für Innere Medizin und Dermatologie 3Brain Body Institute, McMaster University Hamilton, Kanada
Historischer Rückblick und
Definition
Der österreichisch-kanadische Mediziner und Biochemiker Hans Selye (1907–1982) bezeichnete die Reaktion des Organismus auf Belastungen als «Stress» und das, was belastend einwirkt, als «Stressor». Selye unterschied bereits zwischen dem positiven Eustress (gr. eu = gut) und durch Überforderung entstehendem negativem Disstress und begründete damit die Stressphysiologie.
Die aktuelle Definition von Stress wurde vor einigen Jahrzehnten um die kognitive Stresstheorie erweitert. Stress wird nunmehr als jedes Ereignis beschrieben, in dem äussere oder innere Anforderungen (Hitze, Kälte, Infektionen, seelische Erregungen, Sauerstoffmangel u.a.) die Anpassungskapazitäten des Organismus zu übersteigen drohen beziehungsweise vom Individuum so erlebt und bewertet werden (1).
Vom Allgemeinverständnis aus betrachtet existiert seit jeh ein Zusammenhang zwischen Nerven- und Immunsystem. Einen der ersten wissenschaftlichen Beiträge zu diesem Thema publizierte Louis Pasteur, der in seinen frühen Versuchen Hühner dem Stressor «Eiswasserschwimmen» aussetzte und im Vergleich zu nicht gestressten Hühnern eine erhöhte Infektanfälligkeit beobachtete (2). Die eigentliche Geburtsstunde der Psychoneuroimmunologie (PNI) liegt jedoch im Jahr 1975, als Robert Ader und Nicholas Cohen in ihrem Mausmodell nach klassischer Konditionierung (im Pawlow’schen Sinn) mit einer Saccharinlösung die Wirkung des Immunsuppressivums Cyclophosphamid hervorrufen konnten (3). In jüngerer Zeit liess sich mithilfe eines vergleichbaren Ansatzes im Human-Modell nach Kopplung von Brausebonbon und gleichzeitig applizierter Adrenalinspritze der Anstieg der Aktivität natürlicher Killerzellen (NK-Zellen) in einem zweiten Schritt durch das Brausebonbon allein provozieren (4).
Aufgrund interindividueller Unterschiede in der Stresswahrnehmung und -bewertung sind tierexperimentelle Versuchsaufbauten im Bereich
der PNI-Forschung besonders attraktiv. So lassen sich standardisierte Protokolle an genetisch identischen, geklonten Versuchstieren durchführen und die Provokation des Immunsystems durch Stressreize nicht nur transparent machen, sondern darüber hinaus auch therapieren.
Aus den Studien zur PNI im Humanbereich lässt sich hervorheben, dass kurzfristige Belastungen (Fallschirmsprung, Bungeejumping und vergleichbare mentale Belastungen) einen stimulierenden Effekt auf immunologische Parameter haben. Langfristige Belastungen (Arbeitslosigkeit, die Betreuung von Angehörigen mit unheilbaren Erkrankungen, der Verlust eines nahen Angehörigen, Scheidung, Einsamkeit, Raumflüge oder Schlafdeprivation) lösen hingegen eine Suppression der Immunkompetenz aus. Inwieweit Letztere vom Individuum tatsächlich als Stressor wahrgenommen wird, ist von dessen subjektiver Bewertung der Situation und Einschätzung der eigenen Kapazitäten zur Bewältigung dieser Anforderungen abhängig. Daher sollte Stress mithilfe eines Fragebogens, zum Beispiel nach Levenstein, (5) operationalisiert und quantifiziert erfragt werden, ohne dabei auf spezifische Lebensereignisse zu fokussieren.
Stress in der Schwangerschaft
Nur etwa 20 Prozent der Frauen sind bei Kinderwunsch schon in ihrem ersten Menstruationszyklus mit dem Versuch einer Schwangerschaft erfolgreich (6). Diese Angabe ist vom Alter der Frau abhängig und setzt voraus, dass während der sensiblen sechs Tage vor Ovulation auch ein Sexualverkehr stattfand. Wie sich in einer europaweiten Studie aus dem Jahr 2002 herausstellte, betrug die maximale Wahrscheinlichkeit einer Empfängnis am zweiten Tag vor der Ovulation für die Altersgruppe der 19- bis 26-Jährigen 53 Prozent und für die 35- bis 39-Jährigen 29 Prozent (7). Darüber hinaus endet eine Vielzahl früher Schwangerschaften in einer Fehlgeburt. Vielfach sind die Gründe für diese eingeschränkte Fruchtbarkeit unbekannt, und häufig
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wird das Ausbleiben einer Schwangerschaft ganz allgemein auf «Stress» zurückgeführt, ohne dass man bis anhin ein klares Verständnis für die Pathomechanismen zu haben.
Bereits im Jahr 1984 hatten B. und S. Stray-Pedersen in ihrer Studie zu Frauen mit anamnestisch gesicherten habituellen Fehlgeburten einen komplikationslosen Schwangerschaftsverlauf nach Psychotherapie nachweisen können (8). Auch O’Hare und Creed berichteten 1994 von einem Zusammenhang zwischen erhöhter Stresswahrnehmung und dem Auftreten spontaner Aborte bei chromosomal unauffälligem Embryo (9). Über die pathologischen Hintergründe war man sich jedoch lange Zeit im Unklaren. Genetische, endokrinologische, anatomische oder mikrobiologische Ursachen sind gegenüber auto- und alloimmunen Prozessen seit Längerem bekannt. Letztere scheinen auf einem Ungleichgewicht von ansteigenden, die Schwangerschaft schädigenden, inflammatorischen Zytokinen und abnehmenden Spiegeln schwangerschaftsprotektiver, antiinflammatorischer Zytokine zu beruhen.
Die Schwangerschaft ist ein komplexer Prozess und erfordert signifikante physiologische Veränderungen, unter anderem auch des Immunsystems. Es bedarf einer Anpassungsfähigkeit und Bereitschaft des Organismus, die durch äussere Faktoren, wie zum Beispiel eine zunehmende Unsicherheit oder Veränderungen der sozialen und physischen Umwelt, den Verlust eines Nahestehenden, eine Negativbilanz des Energiehaushaltes aufgrund von Mangel- beziehungsweise Unterernährung sowie Naturkatastrophen oder eine relevante körperliche Erkrankung, eingeschränkt sein können. Der Organismus nimmt all diese Herausforderungen als Stressoren wahr. Stress dient, so die Hypothese, letztlich zur Überprüfung der Angemessenheit einer Schwangerschaft unter den jeweiligen Bedingungen.
Verschiedene auf Fragebögen basierende Studien wiesen den negativen Einfluss von psychischem Stress mit verminderter Fekundität (Wahrscheinlichkeit der Empfängnis in einem gegebenen Menstruationszyklus), frühen Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit nach. So haben prospektive Studien an Frauen, die sich einer Fruchtbarkeitstherapie unterziehen, einen negativen Zusammenhang zwischen wahrgenommener oder tatsächlich höherer Ar-
beitsbelastung (im Sinne eines psychischen Stresses) und der Empfängnis nachgewiesen. Auch die erfolgreiche Vollendung der Schwangerschaft war von diesen Faktoren abhängig (10). Die Fertilität von Nullipara liegt bei niedrigen Scores psychosomatischer Symptome, wenigen negativen Lebensereignissen, Stabilität des Körpergewichts und regelmässigen religiösen Betätigungen über dem Altersdurchschnitt (11).
In den letzten Jahren konnten durch Nepomaschy et al. (12) in einer prospektiven Langzeitstudie Daten zu Menstruationszyklen und biologischen Markern der Fortpflanzung erhoben werden. Sie begleiteten über ein Jahr 61 Frauen der Volksgruppe der Maya und dokumentierten täglich ihre Beobachtung zu den relativ häufig auftretenden physischen, immunologischen und psychologischen Herausforderungen wie zum Beispiel eine zeitweilige Nahrungsmittel-Unterversorgung, Infektionskrankheiten und soziale Gewalt. Der von den Frauen wahrgenommene Stress korrelierte eng mit der Kortisonkonzentration im Blut. Diese wiederum war mit Veränderungen im Hormonhaushalt assoziiert, insbesondere dem Anstieg von Gonadotropin und Progesteron in der Follikelphase des Menstruationszyklus. Während der Lutealphase hingegen war eine hohe Kortisonkonzentration mit erniedrigtem Progesteronspiegel assoziiert. Dysregulationen wie diese beeinflussen die Empfängniswahrscheinlichkeit massgeblich (13, 14). In dieser Studie liess sich bei erhöhtem Kortison während der ersten drei Wochen des Gestationszyklus das Auftreten einer Fehlgeburt eindeutig vorausbestimmen (15). Diese Ergebnisse stützen die oben genannte Hypothese, dass Stress den weiblichen Körper über die Qualität des Umfeldes quasi «informiert» und deshalb massgeblich zur Fortpflanzungsfähigkeit beiträgt.
Konzert der drei «Super-
systeme» – Psycho-Neuro-
Immunologie
Bei der akuten und chronischen Stresswirkung bedarf es der Kommunikation und Interaktion mindestens dreier, häufig separat betrachteter Einheiten – des endokrinologischen, des immunologischen und des neuronalen Systems (16). Daher werden bei Stress – neben der HPA-Achse (hypothalamic-pituitary-adrenal, englisch für Hypothala-
mus-Hypophyse-Nebennierenrinde) – auch das adrenerge System und das autonome Nervensystem aktiviert. In der Peripherie werden dann Neurotrophine, Glukokortikoide und Katecholamine gleichzeitig wirksam und hemmen die «Fortpflanzungsachse» auf allen Ebenen (17). Die beiden Letzteren hemmen, ebenso wie Beta-Endorphin (das durch die Proopiomelanocortin-[POMC-]-bildenden Neuronen sezerniert wird), den Effekt des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH), der Gonadotropine, wie auch die Sekretion des luteinisierenden Hormons (LH) als solche. Dabei werden die Gonaden als Zielorgane quasi resistent gegen ihre Wirkung (18).
Auch das im Hypothalamus gebildete Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) unterdrückt die Aktivität GnRH-bildender Neurone (19). Seine Rezeptoren werden auch ausserhalb der HPA-Achse im ZNS exprimiert. CRH findet sich unter anderem im Nebennierenmark, den Ovarien, dem Myo- und Endometrium, der Plazenta und den Hoden (20). Letztlich verläuft die Interaktion mit der «Fortpflanzungsachse» bidirektional. So kann Östrogen über die sogenannten Estrogen-Responsive-Elemente (estrogen responsive elements) in der Promotorregion des CRH-Gens dessen Expression und Bildung beeinflussen (21).
Vergleichbar mit dem Konzept von Eu- und Disstress lässt sich sowohl im Mausmodell als auch beim Menschen ein kurzzeitiger LH-Anstieg durch akuten Stress provozieren (18) – eine verlängerte Stressexposition hemmt dagegen die LH-Ausschüttung und damit die Ovulation. Eine stressbedingte chronische Aktivierung der HPA-Achse ist durch erhöhte Spiegel proinflammatorischer Faktoren wie Interleukin(IL)-1, Tumor-Nekrose-Faktor-(TNF)alpha und IL-6 gekennzeichnet. Beobachten lässt sich diese Konstellation bei Leistungssportlern, Anorexiepatienten oder bei Unterernährten. Vergleichbares tritt bei Patienten mit einem Cushing-Syndrom auf, deren HPG-Achse (hypothalamicpituitary-gonad) supprimiert ist, was ebenfalls zu einer sekundären Amenorrhö führt (22). Zusätzlich wird im Ovar die Steroidproduktion über CRH- und IL-1-Rezeptoren gehemmt, was mitunter eine Follikelatresie und Luteolyse zur Folge haben kann (24). Daher mag es überraschen, wenn im Schwangerschaftsverlauf die CRH-Produktion in Plazenta, Dezidua und feta-
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len Membranen stetig – in den letzten zwei Monaten sogar exponentiell – zunimmt. Der zirkadiane Rhythmus bleibt hierbei ebenso erhalten, und die Corticotropin-(ACTH)Sekretion geht nicht über den Normbereich hinaus (24). Die Plasmakonzentration des freien Kortisons hingegen erreicht im dritten Trimester das Dreifache des Normbereiches. Es konkurriert mit Progesteron um die Regulation der Expression und Bildung des plazentaren CRH. Die fetale HPA-Achse wiederum reagiert auf dieses mit einer verstärkten Bildung von Dehydroepiandrosteron, das in der Plazenta durch Aromatisierung zu Östrogen umgewandelt wird. Hierdurch verstärkt sich die Kontraktilität des Myometriums – das Risiko einer Frühgeburt steigt.
Arbeitstätige Schwangere weisen signifikant höhere CRH- und IL-1-Spiegel auf, was den zeitlichen Ablauf der Schwangerschaft massgeblich beeinflusst (25). Nach der Geburt fällt der Kortisonspiegel wieder auf den Ausgangsbereich zurück – der «BabyBlues» wird generiert, was sich in etwa 18 Prozent der Fälle bis zur postpartalen Depression steigern kann (26). In diesen Fällen kann auch eine CRH-Applikation die Corticotropinsekretion nicht nachhaltig stimulieren. Östrogen wirkt hingegen potent antidepressiv – vermutlich über die oben bereits erwähnten Estrogen-Response-Elementshaltigen Gene. Zudem wird, wie in Tierstudien gezeigt werden konnte, durch Prolaktin eine verminderte Stimulation der HPA-Achse bei Stress beobachtet. Hierdurch könnte eine mögliche, aufgrund des physiologischen CRH-Abfalls latent vorhandene depressiv gefärbte Grundstimmung verstärkt werden, sodass die psychische Verfassung der Mutter und infolgedessen auch ihre Interaktionsfähigkeit («bonding») mit dem Neugeborenen nachhaltig beeinträchtigt wird. Das Bewusstsein hierüber kann bei der Mutter wiederum die negativ gefärbte Selbstsicht verstärken – und einen Teufelskreis entstehen lassen, der für die psychische Entwicklung des Kindes langfristige Folgen haben mag.
Toleranz oder Abstossung
des Feten?
Ohne abschliessende Erklärung bleibt nach wie vor die Toleranz des mütterlichen Immunsystems angesichts des «histo-inkompatiblen» fetalen Gewebes. Teilaspekte deuten auf
eine anfängliche Dominanz der antiinflammatorischen Th2-Zytokine gegenüber einer Th1-Antwort in der Dezidua hin (27). Auch die verstärkte Expression der Indolamin-2,3-Dioxygenase in den dendritischen Zellen trägt zur «Toleranz» bei, indem sie zum Abbau von Tryptophan beiträgt und so der Immunaktivierung entgegenwirkt, da die für die T-Zell-Proliferation notwendigen Metaboliten ausbleiben (28). Die verstärkte Präsenz regulatorischer T-Zellen verstärkt diesen Effekt – eine aggressive allogene Immunantwort bleibt unterdrückt (29). Endogene Immunsuppressoren werden vermehrt gebildet, und über dendritische Zellen wird vermutlich letztlich die langfristige Toleranz erreicht (30). Nicht zuletzt führt auch die lokale Präsenz von CRH (über eine Induktion der Fas-Ligand-Bildung) zur Aufrechterhaltung der Schwangerschaft. Die hierbei ausgelösten Apoptosemechanismen beugen einem überschiessenden Lymphozyten-, Trophoblasten- und Deziduawachstum vor. So verhindern CRH-Rezeptor1-Antagonisten (wie z.B. Antalarmin®) im Tiermodell die Implantation von Blastozysten, indem sie eine entzündungsähnliche Reaktion des Endometriums verhindern (31).
Dieser Zusammenhang mag nun gänzlich verwirren, steht er doch im scheinbaren Widerspruch zu der eingangs beschriebenen Wirkung von CRH. Hierdurch wird vielmehr die Komplexität seiner Wirkung und die Interaktion von Schwangerschaft aufrechterhaltenden Regulatoren deutlich. Ein neuro-endokrino-immunologisches Ungleichgewicht ist durch Stress frühzeitig auslösbar und kann bei Persistenz zu nachhaltigen Deregulationen und Beeinträchtigungen führen.
Eine initial gesteigerte Glukokortikoidkonzentration mag die Schwangere durch Hemmung einer abortbefördernden Th1-Reaktion (mit IL-12, TNF-alpha und IFN-gamma) schützen, vor allem, wenn die protektive Th2-Antwort (durch IL-4, IL-10 und IL-13) ausgebildet wird. Dauerhafter Stress führt hingegen über CRH zu proinflammatorischer Aktivität mit zellschädigender Wirkung (32). Über das sympathische Nervensystem wird zudem die Expression adrenerger Rezeptoren in Lymphozyten und deren Zirkulation im Blut angeregt, was wiederum die fetale Toleranz beeinträchtigt (33). Auch der Nerve Growth Factor (NGF), ein Neutrophin, tritt bei
Stress in der Schwangerschaft vermehrt auf und führt unter anderem zu einer stärkeren Interaktion von Gliaund Immunzellen; zudem erleichtert es die Zellmigration durch das vaskuläre Endothel. Die Neutralisierung des NGF konnte im Mausmodell die durch Stress provozierte Abstossungsreaktion verhindern (34).
Neben den Neurohormonen und Neutrophinen ist die Aufrechterhaltung der Schwangerschaft nicht zuletzt durch Progesteron vermittelt. Bei Stress ist dessen Spiegel vermindert; seine Substitution führt jedoch zu einem erniedrigten proinflammatorischen Zytokinprofil. Zu guter Letzt ist der endokrinologische «Crosstalk» von der Präsenz spezifischer CD8+-Zellen abhängig, ohne die sich die vorher genannte protektive Wirkung des Progesterons gar nicht erst entfalten kann (35). Für deren Ausbildung mögen uterine dendritische Zellen als antigenpräsentierende Zellen eine entscheidende Schnittstelle darstellen (30). Die konkrete Pathophysiologie bleibt hier jedoch noch zu erforschen.
Zusammenfassung
Auf verschiedenen Eben kann Stress zur Unterdrückung der Fortpflanzungsfähigkeit führen. In der heutigen Zeit wird eine hierdurch verminderte Fruchtbarkeit vorwiegend als nachteilig angesehen. In der Vergangenheit kann ihr Wert in der Vorbeugung einer Schwangerschaft unter widrigen Umständen gelegen haben. Dies mag einen evolutionären Vorteil bedeutet haben, was zu einer Selektion der zugrunde liegenden Regulationsprozesse führte.
Bezüglich der Wirkung von Stress vor und während der Schwangerschaft wurde eine Vielzahl beteiligter Prozesse entdeckt, deren Umfang nach wie vor kontinuierlich wächst. Dies deutet auf ein multidimensionales Geschehen hin, das nicht durch einen linearen Pathomechanismus allein abzubilden ist. Die weitere Erforschung insbesondere in longitudinalen prospektiven Studien im Humanbereich ist notwendig. Bis anhin gibt es keine Erkenntnisse, die auf unterschiedliche Regulationsmechanismen zwischen Tier und Mensch schliessen lassen. Die Übertragung der Ergebnisse der tierexperimentellen Forschung auf den Menschen kann dennoch nur unter Vorbehalt erfolgen. Kliniker und Grundlagenforscher sind hier aufge-
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fordert, gemeinsam Strukturen der
zeitlichen und räumlichen Interaktio-
nen von Schlüsselparametern während
zentraler und peripherer Stressantwor-
ten zu beleuchten, um Zielgrössen für
mögliche therapeutische Interventio-
nen zu bestimmen.
I
Korrespondenzadresse: Professor Dr. Petra Arck Biomedizinisches Forschungszentrum Raum 2.0549 Augustenburger Platz 1 D-13353 Berlin Tel. +49 30 450 553873 Fax +49 30 450 553962 E-Mail: petra.arck@charite.de
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