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Dysphagie
Wenn Schlucken zum Problem wird
Schlucken ist ein natürlicher Vorgang, Von Christina Rohlfes und Jens D. Rollnik der Mundhöhle durch den Rachenraum und die
der mehr oder weniger bewusst und je-
Speiseröhre bis zum Magen» (4) verantwortlich
den Tag über tausendmal abläuft. So-
ist und damit eine lebensnotwendige, neuro-
lange es dabei keine Einschränkungen gibt, machen
muskuläre Funktion hat. Dabei teilen sich Atemluft und Nah-
wir uns kaum Gedanken darüber. Bis sich das Schlu-
rung denselben anatomischen Weg bis zum Kehlkopfeingang.
cken zu einem spürbaren Problem auswächst. Dys-
Für einen regelgerechten Ablauf sind die Hirnnerven V, VII, IX,
phagien im Erwachsenenalter werden dennoch häu-
X und XII sowie mehr als 50 Muskeln verantwortlich. Ein
fig unterschätzt, obwohl sie starke Auswirkungen
Schluckakt weist immer willkürliche und unwillkürliche Anteile
auf Nahrungsaufnahme, Stimme und Atmung des
auf – aufgrund der Steuerung auf Hirnstammebene und in kor-
Patienten haben können.
Christina Rohlfes tikalen Arealen, aber auch durch funktionell-mechanische Pro-
zesse im Bereich Pharynx/Larynx (15).
Fallbeispiel
Für einen sicheren (Speichel-)Schluckakt benötigen wir aus-
Herr M., 57, stellt sich mit stetigem Gewichtsverlust und
reichend Vigilanz, Atmung, Sensibilität, Tonus und Koordina-
Kopfschmerzen vor. In der orientierenden Untersuchung sind
tion. Der Ablauf wird im Allgemeinen in vier bis fünf Phasen
keine neurologischen oder internistischen Auffälligkeiten
unterteilt: orale Vorbereitungsphase (a), orale Phase (b),
feststellbar. Ebenso zeigen sich laborchemisch keine Abwei-
pharyngeale Phase (c) und ösophageale Phase (d) (Abbil-
chungen. Auf Nachfrage verneint der Patient, Zahnschmer-
dung). Einige Autoren zählen zum Schluckakt auch eine
zen oder Ähnliches zu haben.
präorale Vorbereitungsphase, in der bereits eine erhöhte
In der weiteren Anamnese stellt sich heraus, dass der Patient
Speichelproduktion durch visuelle und olfaktorische Reize
seit ca. zwei Monaten Schwierigkeiten hat, festere Nahrung
induziert wird. Befindet sich die Nahrung im Mund, wird
zu sich zu nehmen, und diese zunehmend durch weiche Kost
ersetzt. Generell habe er das Gefühl, gegen einen Widerstand schlucken zu müssen, so dass ihm «der Appetit vergangen sei», er somit auch weniger Flüssigkeit zu sich nehme, berichtet er. Zudem klagt er über ein Globusgefühl und die Regurgitation von Speisen und Flüssigkeiten. Nach weiterer (endoskopischer) Abklärung stellt sich ein ZenkerDivertikel (zur Definition siehe [11]) als Ursache der Dysphagie dar.
Jeder Schluckvorgang ist komplex. Kommt es dabei zu Störungen, kann das für die betroffene Person einen tiefen Einschnitt in ihre Lebensqualität bedeuten (7). Je nach Schweregrad können ernsthafte Komplikationen wie eine Aspirationspneumonie (18) auftreten – vor allem, wenn die Schluckstörung unbemerkt und dadurch unbehandelt bleibt (vgl. Fallbeispiel).
Physiologie des Schluckens Um Dysphagien, aber auch Veränderungen des Schluckens im
▼Präorale
Vorbereitungsphase
▼Orale
Vorbereitungsphase
▼Orale Phase
▼Pharyngeale Phase
▼Ösophageale Phase
• Willkürlich steuerbar • Wahrnehmung der Nahrung: Riechen, Fühlen, Abrufen
von Erfahrungen • Unwillkürlich: Speichelproduktion
• Willkürlich steuerbar • Abbeissen, Kauen, Einspeicheln
• Willkürlich steuerbar • Bolusformung und -transport
• Unwillkürlich • Reflex-getriggert • Schutz der Atemwege (Epiglottis-, Stimmbandschluss,
Atemstopp)
• Unwillkürlich • Oberer Ösophagussphinkter öffnet • Transport – Peristaltik
Alterungsprozess identifizieren, unterscheiden und verstehen
mod. nach (4, 15)
zu können, ist die Physiologie des Schluckens wichtig. Der Schluckakt ist ein höchst komplexer Vorgang, der für den «Transport von Nahrung, Flüssigkeit, Speichel und Sekret aus
Abbildung: Der Ablauf des Schluckaktes, hier in fünf Phasen (mit präoraler Vorbereitungsphase). Auch die Einteilung in vier Phasen (ab oraler Vorbereitungsphase) ist üblich.
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Tabelle:
Symptome einer Dysphagie (15)
Symptome Erläuterung
Aspiration
Bedrohlichste Folge; Eindringen von Fremdsubstanzen (Nahrung, Speichel, etc.) in den Kehlkopf, unterhalb der Stimmlippen. Ohne reflektorischen Hustenstoss = stille Aspiration. Aspirationen können vor, während oder nach dem Schluckakt auftreten!
Penetration
Laryngeal = Eindringen von Fremdsubstanzen in den Kehlkopfeingang, aber nur bis oberhalb der Stimmlippen. Nasal = Eindringen von Fremdsubstanzen in die Nase
Residuen/ Retention
Bolusreste verbleiben nach dem Abschlucken im Mund-, Rachenund/oder Kehlkopfraum
Leaking
Unkontrolliertes Entgleiten des Bolus in den Rachen oder aus dem Mund
Regurgitation Rückfluss von Bolusansteilen in den Pharynx oder Mund
Wet Voice
Feucht-gurgelnder Stimmklang, v.a. nach dem Bolusschluck (Flüssigkeit oder Nahrung)
diese zerkleinert und eingespeichelt (a). Mittels Zungen- und Wangenkontraktion wird der Bolus in Wellenbewegungen Richtung Pharynx befördert (b). Durch das Triggern des Schluckreflexes startet nun der unwillkürliche Ablauf: Der Atemweg wird gesichert (Epiglottis senkt sich – Atemstopp – Stimmbänder schliessen sich), der Bolus wird über sequenzielle Rachenkontraktionen zur Speiseröhre gebracht und der obere Ösophagussphinkter (OÖS), auch Ösophagusmund genannt, öffnet sich. Hier liegt die engste Stelle des Ösophagus. Dabei lässt sich ein physiologisches Atemschluckmuster beobachten: Der natürliche Atemzyklus wird durch den physiologischen Schutzmechanismus des Atemstopps unterbrochen. Vor dem Schlucken atmet man ein, es folgt dann reflektorisch ein Atemstopp und nach dem Abschlucken des Bolus eine Ausatmung (c). Peristaltische Wellen des Ösophagus bringen nun den Bolus weiter nach kaudal, wo dieser nach Öffnung des unteren Sphinkters (UÖS) in den Magen gelangt (d). Beim UÖS handelt es sich nicht um ein Sphinktersystem, er besteht aus einer spiralig angeordneten Öso-
Kasten 1:
Hustenstoss
Ein effizienter Hustenstoss benötigt eine tiefe Inspiration von bis zu 80 Prozent der Vitalkapazität (ca. 1,5 l). Darüber hinaus sind ein Glottisschluss, eine Kontraktion der abdominellen und interkostalen Muskulatur zur Erhöhung des intrathorakalen Drucks sowie ein schlagartiges Öffnen der Glottis und dadurch ein Beschleunigen der Ausatemluft auf 360 bis 1200 l/min erforderlich. Minimal notwendig sind > 260 l/min. Werte < 160 l/min gehen mit einer Dekompensation der Hustenkapazität und bereits unzureichender Sekretelimination einher. Zu messen ist der Hustenspitzenfluss (engl. Peak cough flow; PCF) mittels handelsüblicher Peakflowmeter, wie man sie zur Asthmakontrolle verwendet (9, 17).
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phagusmuskelschicht, dem His-Winkel, einem Venenplexus und der Zwerchfellenge (4, 15).
Pathophysiologie des Schluckens Grundsätzlich sind alle Vorgänge, die vom genannten Ablauf abweichen und mit Symptomen einhergehen, die wiederum zu Komplikationen (z.B. Aspiration: Aspirationspneumonie, Zyanose, Atemwegsverlegung) führen sowie die Lebensqualität beeinträchtigen, als pathologisch anzusehen. Damit sind sie eine Therapieindikation – obgleich es sich um Folgen einer strukturellen Veränderung (z.B. Tumoren) oder neurologischer Erkrankungen handeln kann. Die pathophysiologischen Ursachen und Symptome lassen sich anhand der beschriebenen Schluckphasen einteilen. So bewirkt eine gestörte Oralmotorik gegebenenfalls Residuen (Nahrungs- und/oder Speichelreste) im Mund- und/oder Rachenraum nach dem Schlucken oder eine gestörte Boluskontrolle und damit ein eventuelles vorzeitiges Abgleiten in Richtung Larynx. Wird der Schluckreflex zu spät getriggert, kann es zu einer Penetration oder einer Aspiration des Bolus kommen. Dies kann ebenso bei mangelnder reflektorischer Atemwegsicherung auftreten. Eine reduzierte Pharynxkontraktion behindert das vollständige Abschlucken mit der Folge von Penetration oder Aspiration (2). In Tabelle 1 finden Sie die wichtigsten Symptome und eine kurze Erläuterung im Überblick. Ein zusätzliches Augenmerk sollte auf den Hustenstoss des Patienten gelegt werden (vgl. Kasten 1). Der Hustenreflex sichert als wichtigster Schutzreflex den Atemweg, indem Fremdsubstanzen und Sekret entfernt werden (9, 17). Der Schweregrad der Dysphagie ist durch das Ausmass der Symptome gekennzeichnet. Für die logopädische Therapie muss die Ätiologie festgestellt werden und die Grunderkrankung bekannt sein, um eine zur Erkrankung passende sowie patientenindividuelle und effiziente Therapieplanung erstellen zu können.
Schlucken im Alter – Presbyphagie Eine Besonderheit stellt das Schlucken im Alter dar. Alterserscheinungen treten in allen Bereichen des Körpers auf, somit auch im Bereich des Schlucktraktes: Muskelmasse wird abgebaut (Kraftverlust), die Bindegewebsspannung lässt nach, die Beweglichkeit reduziert sich (Koordination) und die Speichelproduktion wird geringer (schlechtere Anfeuchtung in der oralen Phase). Sensibilität sowie Geschmacks- und Geruchswahrnehmung nehmen ab, alle Schluckphasen verlangsamen sich. Oft werden Zahnprothesen benötigt, die nicht immer adäquat sitzen und zusätzlich das Kauen und Schlucken beeinträchtigen. Zusätzlich verlagern sich die Triggerareale, was zu einer späteren Auslösung des Schluckreflexes führt (1, 4, 5).
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An all diese Veränderungen passt sich der Körper physiologisch an. Es ist ein normaler Alterungsprozess und kann als «(Primäre) Presbyphagie» bezeichnet werden. Diese ist nicht behandlungsbedürftig, da es sich um ein normales Schluckmuster eines alten Menschen handelt. Sollten aber weitere Einschränkungen auftreten, etwa durch Erkrankungen (z.B. Schlaganfall, Demenz, neurologische Erkrankungen wie das Parkinson-Syndrom, strukturelle Veränderungen) oder durch Medikamente, die Nebenwirkungen wie Speichelreduktion (z.B. durch trizyklische Antidepressiva) oder eine Senkung des Muskeltonus (z.B. durch Benzodiazepine) haben, so ist der Körper häufig nicht mehr in der Lage, dies auszugleichen. Es entsteht dann eine «sekundäre Presbyphagie», die zu Komplikationen führen kann: Die Folgen sind Pneumonien, Dehydratation und Malnutrition. Der Pneumonieprophylaxe kommt in diesem Fall eine besondere Bedeutung zu (13).
Ursachen für Schluckstörungen Das Ursachenspektrum einer Dysphagie ist breit. Einen grossen Anteil haben Störungen des zentralen Nervensystems. Aber auch andere mögliche Ursachen sollten bedacht werden (1, 8, 12, 14): • Störungen der sensomotorischen Steuerung des Schluck-
vorgangs: Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma (SHT); degenerative Erkrankungen (z.B. Morbus Parkinson, Amyotrophe Lateralsklerose, Huntington-Erkrankung); entzündliche Erkrankungen des peripheren und zentralen Nervensystems (z.B. Multiple Sklerose, Guillain-Barré-Syndrom); neuromuskuläre Erkrankungen (z.B. Myasthenia gravis, Muskeldystrophien) • Störungen durch strukturelle Veränderungen: Neoplasien im Kopf-/Halsbereich; Veränderungen der Halswirbelsäule; Zenker-Divertikel; Achalasie; Struma; sekundäre Presbyphagie; Verletzungen/Traumen und Entzündungen (z.B. Refluxkrankheit) • Andere Ursachen: Demenzielle Erkrankungen; psychische Ursachen; nach erforderlichen intensivmedizinischen Massnahmen: Critical Illness Polyneuropathie (CIP) oder Myopathie (CIM) • Iatrogene Ursachen (Medikamente, Bestrahlung, Operationen) • Medikamentennebenwirkungen (z.B. Antidepressiva, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Neuroleptika, Muskelrelaxanzien u. a.) • Zusätzliche Auswirkungen: Zahnstatus; Komorbiditäten: Diabetes mellitus; Alkoholmissbrauch; COPD (erhöhte Sekretion, gestörte Atem-Schluck-Koordination aufgrund Dyspnoe); kardiale Erkrankungen.
Wie erkennt man Schluckstörungen? Mit dem Wissen der oben beschriebenen (patho-)physiologischen Hintergründe kann der Arzt die Anamnese gezielt erheben: Lassen Sie Ihren Patienten und gegebenenfalls nahe Angehörige über die Symptome berichten beziehungsweise stellen Sie Fragen nach Veränderungen beziehungsweise Auffälligkeiten. Die nachfolgende Liste sollten Sie hier als Anregung verstehen – diese erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit (1, 16): • Medikamentenanamnese – gibt es Wechselwirkungen
oder Nebenwirkungen? Können Tabletten nicht mehr eingenommen und müssen gemörsert werden? • Sind Risikofaktoren für Folgeerkrankungen wie Polyneuropathien vorhanden? Hierzu zählen in erster Linie Diabetes mellitus und Alkoholabusus. • Bringt der Patient bereits Erkrankungen mit, die eine Dysphagie begünstigen und/oder meist mit einer einhergehen (inklusive Restsymptomatik nach Schlaganfall, wie z.B. Dysarthrie, Fazialisparese)? • Liegen ein Gewichtsverlust, eine Malnutrition oder eine Dehydratation vor? • Sind Veränderungen von Gewohnheiten zu beobachten, welche die Nahrungsaufnahme betreffen? Hierzu gehören veränderte Essgewohnheiten wie langsameres Essen; Nahrung wird lange im Mund behalten; Lebensmittel und öffentliches Essen werden gemieden; es wird grundsätzlich weniger gegessen. • Zeigen sich Auffälligkeiten bei der Nahrungsaufnahme? Ist der Stimmklang belegt («Wet Voice»); Husten/Räuspern; auffälliger Würgereflex; Klossgefühl im Hals; erschwertes Abschlucken; häufiges Nachschlucken; erhöhter Speichelfluss; Nahrung gelangt in die Nase; Verschlucken (gegebenenfalls auch beim Speichelschluck); Gefühl, Nahrungsreste auch mit Nachschlucken und Husten nicht wegzubekommen; Nahrungsreste verbleiben im Mundoder Rachenraum; Nahrungsteile fallen aus dem Mund u.a. • Wirkt das Atemschluckmuster synchron? • Treten während der Nahrungsaufnahme Zyanose, Tachykardie, Tachypnoe, Dyspnoe auf? • Liegen wiederauftretend Fieber oder gar Pneumonien vor?
Kasten 2:
Exkurs ICD-10
Dysphagien werden in Kapitel XVIII «Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind (R00 – R99)», unter «Symptome, die das Verdauungssystem und das Abdomen betreffen (R10 – R19)» und «R13 – Dysphagie», klassifiziert. Eine Differenzierung nach Alter, Ursache oder Schweregrad erfolgt nicht (6).
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Welche Möglichkeiten des Screenings und der Diagnostik gibt es? Die Anamneseerhebung und das Gespräch mit dem Patienten sind, wie erwähnt, bereits gute Anhaltspunkte, um das Vorliegen und die mögliche Ursache einer Dysphagie zu eruieren. Weitere Screeningverfahren ermöglichen es, Patienten zu identifizieren, die eine weiterführende Diagnostik benötigen. Deskriptive Beobachtungen des Schluckaktes (Zusammenspiel der Lippen- und Kaubewegungen, des Kehlkopfes, inklusive der Körperhaltung, Stimme und Atmung) sowie die Inspektion des Mundes (Schleimhaut, Beläge, Atrophien, Sensibilität) sind der erste Schritt zur Diagnostik. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfiehlt als Screening zur Einschätzung des Aspirationsrisikos die Kombination zweier einfacher Tests (16): 1. Der 50-ml-Wasser-Test (sukzessive Wasser-Schlucken von
5 ml) kombiniert mit 2. der Untersuchung der Sensibilität im Pharynxbereich
(beidseits mit Wattestäbchen Schutzreflexe abrufen) und/oder mit der Pulsoxymetrie (pathologischer SpO2-Abfall nach Schlucken des Wassers). In veränderter Form ermöglicht der 70-ml-Wasser-Test nach Daniels (2 × 5 ml, 2 × 10 ml, 2 × 20 ml) ebenso die Testung (16). Verschiedene Nahrungskonsistenzen (flüssig, cremig, breiig, fest, körnig, Tabletten) spielen bei der Diagnostik ebenso eine Rolle.
Weiterführende Befundung und Diagnostik Eine Überweisung zum HNO-Arzt zur näheren Abklärung, etwa mittels FEES (engl.: Fiberoptic endoscopic evaluation of swallowing = fiberendoskopische Untersuchung des Schluckakts) oder VFSS (engl.: Videofluoroscopic swallowing study = videofluoroskopische Schluckuntersuchung), sollte bei positivem Screening erwogen werden. Sie bilden den Schluckakt mittels Endoskop oder hochauflösenden Röntgens des Kopf-/Halsbereiches ab. Ebenso ist eine differen-
Kasten 3:
Nahrung andicken
Flüssigkeiten wie Getränke oder Suppen lassen sich mittels Andickungspulver durch Einrühren eindicken, um so die Fliessgeschwindigkeit zu verlangsamen und an die sensorischen Fähigkeiten des Patienten anzupassen. Diese Instantpulver gibt es von verschiedenen Herstellern. Die Pulver sind geschmacksneutral, trüben oder verfärben die Nahrung nicht, behalten individuelle Eigenschaften bei, wie Kohlensäure, und weisen eine Amylaseresistenz auf. Je nach Notwendigkeit kann der Andickungsgrad durch die Menge des Pulvers zwischen gering, leicht, mittel und stark variiert werden (3).
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zialdiagnostische Abklärung gastroskopisch, neurologisch, internistisch, endokrinologisch, zahnärztlich, phoniatrisch oder psychosomatisch zu empfehlen.Eine Überweisung an eine logopädische Befundung ermöglicht es, ein Gesamtbild der vorliegenden Störung zu erlangen. Hierfür kommen Praxen mit Schwerpunkt Neurologie und Dysphagie infrage, gegebenenfalls auch Zentren, die sich auf Trachealkanülenoder Dysphagiemanagement spezialisiert haben. Die klinische Schluckuntersuchung (KSU) beinhaltet die Untersuchung der am Schlucken beteiligten Strukturen (inklusive der Schutzreflexe: Husten-, Palatal-, Würgereflex). Auch werden die am Schlucken beteiligten Willkürbewegungen überprüft (Kraft, Tempo, Koordination, Genauigkeit, Symmetrie, Diadochokinese). Einen weiteren Stellenwert nimmt die Untersuchung der Sensibilität intraoral ein. Schluckversuche mit unterschiedlichen Konsistenzen mit Beurteilung der Schluckphysiologie komplettieren die Gesamtbefundung. Die Dokumentation der KSU kann über verschiedene Scores erfolgen. Bei den Beurteilungen handelt es sich um subjektive Einschätzungen, weshalb diese durch geschultes und erfahrenes Personal durchgeführt werden sollten. Apparative Diagnostik und die KSU sollte man im Idealfall als Ergänzung zueinander verstehen (2, 10, 16).
Therapie Die Basis jeder Dysphagietherapie ist – je nach Schweregrad – das Verhindern oder zumindest das Reduzieren des Aspirationsrisikos für Speichel, Flüssigkeiten und Nahrung, der Erhalt vorhandener Schluckfunktionen und möglichst die Wiederherstellung physiologischer Funktionen. Die Erhaltung oder Wiederherstellung der Lebensqualität spielt dabei zusätzlich patientenindividuell eine entscheidende Rolle. Die logopädische Therapie beinhaltet – je nach Grunderkrankung und Störungsausmass – verschiedene Massnahmen. Einen bedeutenden Teil nimmt die funktionelle Dysphagietherapie (FDT) ein, durch die mittels verschiedener Verfahren der Schluckakt und die Nahrungsaufnahme möglichst physiologisch erfolgen sollen. Die Übungen werden dabei an die Symptomursache angepasst und sollen durch anfangs separate Einzelübungen die Sensomotorik der Schluckmuskulatur restituieren. Um persistierende Einschränkungen zu kompensieren, können mit dem Patienten bei ausreichender Kognition und Vigilanz Haltungsänderungen und Schlucktechniken trainiert werden, die während der Nahrungsaufnahme bei jedem Schluck angewandt werden müssen, um Penetration oder Aspiration zu verhindern – wie etwa das «Chin-Tuck-Manöver» (Schlucken mit geneigtem Kopf ). Es ist auch möglich, die Umgebung an die Schluckfunktionen zu
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adaptieren (3). So kann die Nahrung (inklusive Flüssigkeiten)
in ihrer Bolusgrösse und Fliessfähigkeit angepasst und nach
deren Formbarkeit sowie speichelbildender oder pulmotoxi-
scher Eigenschaft ausgesucht werden (vgl. Kasten 3). Auch
besondere Trink- und Esshilfen können hilfreich sein (3).
Wichtig ist jedoch immer, auf eine aufrechte Haltung oder La-
gerung beim Essen/Trinken zu achten und diese ebenfalls zu
trainieren. Da Tabletten meist mit Wasser geschluckt werden
und der Patient dadurch gemischte Konsistenzen koordinie-
ren muss beziehungsweise Tabletten grundsätzlich nur noch
erschwert oder gar nicht mehr einnehmen kann, sollte man
eine Umstellung der verordneten Arzneimittel auf alternative
Darreichungsformen prüfen. Im engen Austausch mit dem
behandelnden Arzt lässt sich – falls nötig und in Abwägung
der damit verbundenen Begleiterscheinungen – die Speichel-
produktion durch Medikamente (z.B. Scopolamin, Atropin-
sulfat, Glycopyrroniumbromid, Botulinumtoxin) reduzieren,
um das Aspirationsrisiko zu senken und die Therapie zu op-
timieren.
Bleiben alle Massnahmen zur Sicherung eines aspirations-
freien Schluckens wirkungslos und kommt es etwa bei chro-
nischen, degenerativen Erkrankungen absehbar zu Ver-
schlechterungen, sollte man mit dem Patienten und
gegebenenfalls den betreuenden Angehörigen über eine
PEG/PEJ-Anlage (perkutane endoskopische Gastrostomie
beziehungsweise Jejunostomie) sprechen, bei der eine Er-
nährung direkt über den Magen-Darm-Trakt und über einen
künstlichen Zugang erfolgt. Liegt eine schwere Dysphagie
vor, die bereits den Speichelschluck betrifft und rezidivie-
rend zu Pneumonien und respiratorischen Verschlechterun-
gen führt, ist die Aufklärung über die Möglichkeit einer Tra-
cheotomie (mit Einlegen einer geblockten Trachealkanüle)
notwendig. Diese dient als Hilfsmittel zum grösstmöglichen
Aspirationsschutz und zur Atemwegssicherung.
Da diese Eingriffe starke Auswirkungen auf die Lebensqualität
und die Versorgung des Patienten haben, sollte der Arzt immer
auch den individuellen Patientenwunsch berücksichtigen. So-
wohl eine PEG-Anlage als auch eine Tracheotomie sollten zu-
dem keinesfalls grundlegend als «Endstation» und unumkehr-
bar verstanden werden. Die logopädische Therapie kann und
sollte dann – trotz Magensonde und Trachealkanüle – auch
weiter stattfinden. Denn nach der Stabilisierung der klinischen
Situation lässt sich mittels Logopädie eine erneute Verbesse-
rung der Schluckfunktionen herbeiführen.
x
Korrespondenzadresse: Christina Rohlfes Atmungstherapeutin und Logopädin BDH-Klinik Hessisch Oldendorf gGmbH D-31840 Hessisch Oldendorf
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
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