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Multiresistente Bakterien:
Kann die intestinale Mikrobiota pathogene Keime in Schach halten?
Antibiotika gelten wegen der zunehmenden Resistenzentwicklungen nicht mehr
Dr. med. Ralph Hausmann
Bakterien von Bedeutung sein, die gegen mehrere Antibiotikaklassen Resistenzen entwickelt
als die «Wunderwaffe» zur Bekämpfung
haben.
von Infektionen. Demzufolge wird nach Alternati-
So weisen Untersuchungen darauf hin, dass bestimmte Er-
ven gesucht. Hier kommen die Darmmikroben ins
krankungen und Infektionen häufig mit einer Verarmung der
Spiel, mit deren Hilfe präventive Strategien gegen
«gesunden» Mikrobiota oder einer Verschiebung der Mikro-
Antibiotikaresistenzen entwickelt werden können.
benvielfalt hin zu überwiegend potenziell pathogenen Mikro-
organismen (Dysbiose) verknüpft sind. Dieses Phänomen
Diese Strategien gehen davon aus, dass viele Mikroorganis-
tritt auf, wenn es im Darm durch Kontakte mit multiresisten-
men wie Bakterien, Viren, Protozoen und Pilze den mensch-
ten Bakterien, sei es über die Nahrung oder durch Kranken-
lichen Körper besiedeln und mit ihm eine symbiotische Be-
hausaufenthalte, zu einer Kolonisierung mit diesen Keimen
ziehung eingehen. Dabei wird als Mikrobiota die Gesamtheit
zunächst in niedriger Konzentration kommt.
aller Mikroorganismen in einem ana-
Wenn der Patient dann Antibiotika er-
tomischen Bereich bezeichnet, die
hält, kann eine ökologische Nische
Gesamtheit ihrer Gene als Mikrobiom.
entstehen, die sich aufgrund des Se-
Ein besonderer Fokus richtet sich da-
lektionsdrucks mit multiresistenten
bei auf die Mikrobiota im Darm. Der
Bakterien füllt. Denn jeder Antibioti-
Dickdarm beinhaltet etwa 1000
kaeinsatz fördert durch die Abtötung
Keime/g Stuhl und ist damit der am
empfindlicher Erreger die Selektion
dichtesten besiedelte Körperteil.
resistenter Bakterien. Dies führt unter
Die Darmflora gilt als ein wichtiges In-
Umständen zu einer Dominanz dieser
strument zur Abwehr schädlicher Mi-
Pathogene. In Studien konnte gezeigt
kroorganismen sowie zur Stärkung
werden, dass die Einnahme oraler An-
des Immunsystems. Studien deuten
tibiotika zu einer signifikanten Verar-
sogar auf eine Beteiligung von Darm-
mung der Darmmikrobiota führt, die
bakterien bei neurologischen Erkran-
über Wochen bis Monate anhält. In
kungen wie Morbus Parkinson und
diesem Zusammenhang wird davon
Multipler Sklerose hin und sind des-
ausgegangen, dass kürzere Antibioti-
halb Gegenstand intensiver For-
katherapien Resistenzentwicklungen
schung. Diese neueren Arbeiten be-
vorbeugen, da sie das Risiko der Se-
schreiben Interaktionen zwischen
Foto:© canstockphoto.ch – alexfiodorov
dem bakteriellen Ökosystem und Or-
lektion von resistenten Bakterien verringern. Zudem belegen viele Studien,
ganen, die als Darm-Hirn-, Darm-Lungen- und Darm-Leber-
dass Antibiotika oft unnötig, nicht leitliniengerecht und zu
Achse bezeichnet werden.
lange eingesetzt werden, was als Grund für die Zunahme von
Auf die potenzielle Bedeutung der Mikrobiota zur Prävention
Resistenzen angesehen wird.
von Infektionen wird in einer Übersichtsarbeit (1) anhand
einer Literaturrecherche wissenschaftlicher Publikationen
Erhöhte Anfälligkeit für Virusinfektionen
eingegangen, wobei die Darm-Immun-Achse im Mittelpunkt
bei Dysbiose
steht. Diese Achse bezeichnet die Fähigkeit, den Wirtsorga-
Andere Untersuchungen sprechen zunehmend für weitere
nismus vor dem Eindringen von Pathogenen zu schützen.
Auswirkungen der Dysbiose auf das Immunsystem. So sind
Das kann besonders bei der Prävention von Infektionen mit
die von der Darmmikrobiota gebildeten Metabolite und bak-
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teriellen Oberflächenmarker direkt mit den im Darm ansässigen Zellen des Immunsystems an der Regulation der Immunantwort beteiligt. In diesem Zusammenhang konnte experimentell gezeigt werden, dass eine Verarmung der Mikrobiota auch die Anfälligkeit gegenüber Virusinfektionen erhöht. Daraus lässt sich ableiten, dass eine vielfältige Mikrobiota zur Prävention von Infektionen beiträgt. Therapeutische Strategien, die gezielt auf das Wachstum und den Schutz nützlicher Darmbakterien wirken, sind in Entwicklung. Sie inaktivieren unter anderem nicht absorbierte, im Dickdarm enthaltene Antibiotikareste, die zur Selektion von multiresistenten Erregern beitragen. Ein weiterer Entwicklungskandidat ist ein orales Granulat, das zusammen mit intravenös oder oral verabreichten Antibiotika eingenommen werden soll. Der Wirkstoff wird erst im Darm freigesetzt, wobei die Antibiotikaspiegel nicht beeinträchtigt werden. Bei gesunden Probanden konnte so die Konzentration und Vielfalt der intestinalen Mikrobiota während der Einnahme von Moxifloxacin erhalten werden. Auch die orale Beta-Laktamase Ribaxamase schützt die gastrointestinalen Mikroben vor Beta-LaktamAntibiotikarückständen im Darmlumen. Beide Wirkstoffe sollen in Phase-II-Studien weiterentwickelt werden.
Medikamente mit schmalem Wirkspektrum Ein anderer Ansatz stellt die Entwicklung von Antibiotika dar, die nur ein sehr schmales Spektrum an Erregern abdecken. Unter der Voraussetzung, dass der infektionsauslösende Erreger eindeutig identifiziert wurde, könnte der spezifische Einsatz solcher Antibiotika Schäden an der Mikrobiota sowie den Selektionsdruck minimieren. Bereits zugelassen wurde Fidaxomicin zur Behandlung der Clostridium-difficile-Infektion, das nur ein schmales Wirkspektrum besitzt. Für den Wirkstoff konnte gezeigt werden, dass aufgrund dieser Eigenschaft eine vielfältige Mikrobiota erhalten werden kann.
TAKE HOME MESSAGES
◗ Die Darmflora ist für die Abwehr von schädlichen Keimen von grosser Bedeutung.
◗ Durch die Therapie mit Antibiotika kann eine ökologische Nische entstehen, die sich mit multiresistenten Bakterien füllt.
◗ Auch andere Medikamentenklassen wie Protonenpumpeninhibitoren verändern die Mikrobiota im Darm.
◗ Einen therapeutischen Ansatz gegen Resistenzentwicklungen stellen oral zugeführte, die Darmflora schützende Mikroorganismen (Probiotika) dar.
◗ Evidenz für den Einsatz von Probiotika besteht bei der antibiotikaassoziierten sowie der Clostridium-difficile-assoziierten Diarrhö.
◗ Eine pflanzenreiche Diät hat das Potenzial, die Darmmikroben zu schützen.
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Anerkannt ist mittlerweile der fäkale Mikrobiotatransfer (FMT) als effektive Therapieoption bei rezidivierenden Clostridium-difficile-Infektion. Bei dem Verfahren wird die Mikrobiota eines Spenders in den Darm eines Patienten übertragen. Dies kann endoskopisch, über einen rektalen Einlauf oder über Präparate in Kapselform erfolgen. Bei Patienten, die einen FMT erhalten, kommt es zu einer signifikanten Verringerung der Resistenzgene im Stuhl. Dieser Ansatz könnte das Potenzial besitzen, multiresistente Keime aus dem Darm zu entfernen. Eine endgültige Bewertung dieser Methode zur Effektivität auch bei multiresistenten gramnegativen Erregern steht noch aus.
Bedeutung der Probiotika Eine weitere Option stellt der Einsatz von Prä- und Probiotika dar. Präbiotika sind nicht verdaubare Nahrungsbestandteile, die das Wachstum von Bakterien im Darm beziehungsweise deren Aktivität im Dickdarm gezielt anregen. Probiotika enthalten Mikroorganismen, die oral zugeführt die Darmflora während einer antibiotischen Therapie schützen sollen. Dabei wird davon ausgegangen, dass die eingenommenen Mikroorganismen die Kolonisation multiresistenter Bakterien verhindern können. Ob nun als Schlussfolgerung daraus zu jedem Antibiotikum gleich ein Probiotikum verschrieben werden sollte, ist noch völlig ungeklärt und wird kontrovers diskutiert. Erwiesen ist bisher lediglich die Wirkung von Probiotika bei der symptomatischen Therapie der antibiotikaassoziierten Diarrhö (AAD). Dies untermauert eine Cochrane-Analyse (2) von 33 kontrollierten Studien mit über 6000 Kindern, die zusätzlich zu Antibiotika Probiotika mit einem oder mehreren unterschiedlichen Bakterienstämmen beziehungsweise Plazebo erhalten hatten. Nach bis zu 12 Wochen Nachbeobachtungszeit betrug die AAD-Inzidenz in der Probiotikagruppe 8 Prozent und in der Kontrollgruppe 19 Prozent. Eine höhere Dosis mit über 5 Milliarden koloniebildenden Einheiten (KBE) täglich erwies sich in einer Subgruppenanalyse als effektiver als eine geringere Dosierung an KBE. Basierend auf den Studien mit den hoch dosierten KBE wurde pro sechs behandelte Kinder ein Fall von Diarrhö verhindert. Den Daten zufolge konnten Probiotika die Dauer der Diarrhö um etwa einen Tag verringern. Die Nebenwirkungsrate war niedrig, es wurden keine schweren Nebenwirkungen der Probiotika beobachtet. Im Gegensatz dazu traten in kleinen Beobachtungsstudien schwere Nebenwirkungen unter einer Probiotikatherapie bei stark geschwächten oder immunkompromittierten Kindern auf. Eine andere Cochrane-Analyse (3) von 31 Studien mit knapp 8700 Kindern und Erwachsenen bewertete den Nutzen von Probiotika bei der Prävention der Clostridium-difficile-asso-
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ziierten Diarrhö (CDAD). Demnach verringerten Probiotika das CDAD-Risiko um 60 Prozent. Die Inzidenz einer CDAD lag in der Probiotikagruppe bei 1,5 Prozent und in den Gruppen mit Plazebo oder ohne Therapie bei 4 Prozent. Das Ergebnis stuften die Autoren als moderaten Nutzen der Probiotika ein. Der Effekt trat unabhängig vom Alter, von im Krankenhaus oder ambulant behandelten Patienten und den verschiedenen eingesetzten probiotischen Spezies oder der Dosierung auf.
Einfluss von Medikamenten und Diäten Nicht nur Antibiotika, sondern auch andere Medikamente können das Mikrobiom deutlich beeinflussen. Dies wurde in einer populationsbasierten Kohortenstudie (4) anhand von zirka 1900 Stuhlproben analysiert. Die Forscher fanden folgende Medikamentengruppen, die den grössten Einfluss auf das Mikrobiom haben: • Protonenpumpeninhibitoren (PPI). Das Darmmikrobiom
von PPI-Nutzern zeigte eine erhöhte Anzahl an Bakterien im oberen Gastrointestinaltrakt und eine gesteigerte Produktion von Fettsäuren. • Metformin. Die Einnahme des Antidiabetikums war mit einer hohen Konzentration an potenziell schädlichen Escherichia coli verbunden. • Antibiotika und Laxantien. Auch weitere Medikamentenklassen veränderten die Bakterienpopulation im Darm signifikant. So war die Einnahme von SSRI-Antidepressiva bei Patienten mit Reizdarm mit einer Zunahme der potenziell pathogenen Bakterienspezies Eubacterium ramulus verbunden. Bei einer Medikation mit oralen Steroiden wurden zudem hohe Spiegel an methanogenen Bakterien gefunden, die mit Fettleibigkeit in Verbindung gebracht werden. Eine ebenfalls kürzlich präsentierte Studie (5) untersuchte den Einfluss der Ernährung auf das Darmmikrobiom anhand von Stuhlproben aus der Allgemeinbevölkerung sowie von
Patienten mit Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Reizdarm. Im Ergebnis wurden 61 Nahrungsbestandteile identifiziert, die mit der Mikrobenpopulation in Verbindung stehen: • Demzufolge war eine an Brot, Hülsenfrüchten, Fischen und
Nüssen reiche Ernährung mit einer Abnahme potenziell schädlicher aerober Bakterien verbunden. • Ein grösserer Anteil der Ernährung an Fleisch, Fastfood oder raffiniertem Zucker war mit einer Abnahme nützlicher bakterieller Funktionen und einem Anstieg inflammatorischer Marker verknüpft. • Bei einer Ernährung mit Rotwein, Hülsenfrüchten, Gemüse, Obst, Cerealien, Fisch und Nüssen kam es zu einer Zunahme von Bakterien mit antiinflammatorischen Eigenschaften. • Eine auf Pflanzen basierte Ernährung war mit einer vermehrten bakteriellen Produktion von kurzkettigen Fettsäuren assoziiert, der hauptsächlichen Energiequelle von Kolonzellen. • Pflanzliche Proteine förderten die Biosynthese von Vitaminen und Aminosäuren. • Tierische und pflanzliche Proteine zeigten eine umgekehrte Korrelation in ihren Effekten auf die Darmmikroben.
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Dr. med. Ralph Hausmann freier Mitarbeiter Heddernheimer Landstrasse 78 D-60439 Frankfurt/M
Literatur: 1. Khodamoradi Y et al.: Rolle der Mikrobiotika bei der Prävention von Infektionen mit multiresistenten Bakterien. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 670–676. 2. Guo Q et al.: Probiotics for the prevention of pediatric antibiotics-associated diarrhea. Cochrane Database Syst Rev 2019; 4: CD004827. 3. Goldenberg JZ et al.: Probiotics for the prevention of Clostridium difficile-associated diarrhea in adults and children. Cochrane Database Syst Rev 2017;12: CD006095. 4. Vich Villa A et al.: Impact of 41 commonly used drugs on the composition, metabolic function and resistome of the gut microbiome. Präsentiert auf der UEG Week Barcelona, October 2019. 5. Bolte L et al.: Towards anti-inflammatory dietary recommendations based on the relation between food and the gut microbiome composition in 1523 individuals. Präsentiert auf der UEG Week Barcelona, October 2019.
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