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Thema
Darmbakterien
Diabetes und Mikrobiom
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Bei Stuhltests in den 1970er-Jahren wurde noch nach bestimmten Bakterien
Von Hellmut Mehnert
dern auch für die hepatische Insulinsensitivität. Die Forscher stellten fest, dass es dabei zu
(Colikeimen) gefahndet. Später zeigte
mehr butyratbildenden Bakterien kam. Tierver-
sich, dass Colikeime schon allein quantitativ nur
suche haben gezeigt, dass Mäuse, denen ein Rezeptor für
eine geringe Rolle in der Darmflora spielen. Die
kurzkettige Fettsäuren im Darm fehlte, mit einer normalen
Stuhluntersuchung verschwand also wieder. Erst
Ernährung adipös wurden, während bei einem überexpri-
durch die Erforschung des Mikrobioms in den letz-
mierten Vorkommen des Rezeptors ein normales Gewicht
ten Jahren hat sie einen erneuten Aufschwung ge-
selbst unter einer fettreichen Diät zu verzeichnen war.
nommen – mit sehr interessanten Ergebnissen vor
Die Energiebilanz wurde in Tierversuchen zumeist positiv
allem beim Diabetes.
beeinflusst. Für kurzkettige Fettsäuren liess sich im MRT
zeigen, dass sie bei Anwesenheit im Darm über die Bindung
Untersuchungen bei Tieren und Menschen zeigen, dass ein
an Rezeptoren eine Reihe von Stoffwechseländerungen be-
möglicher Zusammenhang von intestinalen Mikroorganis-
wirken können, die auch zu Veränderungen im Glukosehaus-
men im Hinblick auf Insulinresistenz und Diabetes naheliegt.
halt führen.
Bakterien spielen bei Entstehung, Prävention und Therapie
von Typ-1- und Typ-2-Diabetes oft eine gewisse Rolle.
Ergebnisse für Typ 1
Der Mensch ist ein Wirt für Milliarden von Darmkeimen, von
Ähnliche Untersuchungen, wie sie für den Typ-2-Diabetes ge-
denen verschiedene Gattungen in grosser Zahl unseren Or-
schildert wurden, gibt es inzwischen auch für den Typ-1-Dia-
ganismus bevölkern. Deren Gesamtheit wird als Mikrobiom
betes. Man konnte hier im Tierversuch zeigen, dass keimtra-
bezeichnet. Dazu zählen nicht nur die Darmbakterien, son-
gende Mäuse vor dem Auftreten einer für Typ-1-Diabetes
dern auch alle Mikroorganismen unserer Hautflora. Bei den
typischen Insulitis der Langerhans’schen Inseln geschützt
Milliarden von Mikroorganismen dominieren hauptsächlich
werden konnten. Bei keimfreien Mäusen konnte dieser Effekt
Bakterien. Es werden aber auch Pilze, Viren und Protozoen
nicht gezeigt werden. Im Gegenteil: Sie entwickelten häufi-
festgestellt. Alle zusammen übersteigen die Anzahl aller an-
ger Typ-1-Diabetes als die Kontrollgruppe.
deren humanen Zellen um ein Zehnfaches.
Bei weiteren Untersuchungen wiesen gesunde Versuchsteil-
nehmer einer Kontrollgruppe eine signifikant höhere Anzahl
Genetik ist genauer
an Butyrat- und Laktat-bildenden Bakterienstämmen im
Neue gentechnische Analysen erlauben eine detaillierte
Vergleich zu der an Typ-1-Diabetes erkrankten Gruppe auf.
Bestimmung des Mikrobioms. Dies hat zu einem enormen,
Diese Ergebnisse lassen einen Beitrag von Mikroorganismen
weltweiten Anstieg von Forschungsarbeiten geführt. Es zeigt
für das Auftreten des Typ-1-Diabetes immerhin möglich er-
sich, dass Bakterien aus dem Darm Wirtszellen aktivieren
scheinen.
können. Wissenschaftler untersuchten daher das Darmmi-
Es gibt eine Reihe von Einflussfaktoren, die über das soge-
krobiom und den Glukosestoffwechsel von Typ-2-Diabeti-
nannte Kernmikrobiom und die drei dominierenden Entero-
kern. 18 Männer erhielten dabei eine Stuhltransplantation
typen hinaus und unter bestimmten Umständen die Zu-
(koloskopische Verabreichung einer Stuhlsuspension), die
sammensetzung des Mikrobioms verändern können. Das
entweder eine Eigenspende war oder von Fremdspendern
Auftreten von anderen Bakterien und Infektionen, die
mit Normalgewicht stammte.
Einnahme von Antibiotika und nicht zuletzt die Ernährungs-
Es zeigte sich, dass innerhalb von sechs Wochen nach dem
weise spielen hier eine Rolle.
Eingriff die Insulinsensitivität der mit Fremdspenden behan-
Spezielle positive Effekte wurden bei der Zugabe von Präbio-
delten Diabetiker signifikant höher war als bei Eigenspende.
tika oder Probiotika assoziiert. Offenbar können sie vor einer
Dies galt nicht nur für die periphere Insulinsensitivität, son-
Insulinresistenz schützen und fördern die erwünschte Wir-
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kung von kurzkettigen Fettsäuren. Eine ballaststoffarme und fleischbasierte Ernährung ist hingegen mit negativen Auswirkungen wie vermehrter Endotoxämie verbunden. Aber auch die Einnahme von Antibiotika kann die Zusammensetzung des Mikrobioms offenbar über einen langen Zeitraum nachteilig verändern. Für das Mikrobiom haben wir heute Einblicke in dessen komplizierte Zusammenhänge und Stoffwechselabläufe. Weitere Forschung ist aber unbedingt erforderlich, um die grundlegenden Mechanismen noch besser verstehen zu können. Auch ist einschränkend zu sagen, dass die aktuellen Ergebnisse überwiegend auf Tiermodellen beruhen sowie auf einfachen Studienbeobachtungen am Menschen mit kleinen Fallzahlen. Natürlich ist die Zufuhr von Stuhl – endoskopisch über das Kolon –, die wichtige Ergebnisse erbrachte, in der Praxis nicht durchführbar. Zu denken wäre viel mehr an Kapseln, die sich im Dickdarm auflösen und entsprechend «günstigen» Stuhl enthalten. Die Forderung nach einer strengen Indikationsstellung für den Einsatz von Breitbandantibiotika leitet sich daraus ab. Diese wurde ja schon im Hinblick auf die weltweit drohende Zunahme an bakteriellen Resistenzen erhoben. Bakterielle Infektionen, welche die Zusammensetzung des Mikrobioms fördern können, müssten natürlich entsprechend behandelt werden. Es ist die Frage, ob hier nicht der
Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden muss, indem man letztlich doch Antibiotika gibt. Das sogenannte Kernmikrobiom behält der Mensch offenbar ein Leben lang.
Fazit
Unterm Strich zeigt sich, dass die Jahrzehnte andauernden
Untersuchungen mit dem Für und Wider der Bedeutung des
Mikrobioms, speziell der Darmflora, in ein neues Stadium ge-
treten sind. Was anfänglich einer Überschätzung der Coli-
keime gleichkam, ist nach einem Tief in der Historie der
Darmflora jetzt neuen Erkenntnissen gewichen, die dem
Mikrobiom mit seinen Milliarden Keimen im Darm, aber auch
auf der Haut eine neue Bedeutung zuweisen. Man darf ge-
spannt sein, welche Ergebnisse die weiteren Forschungen
bringen und ob sie im Hinblick auf die Beeinflussung der
Entstehung von Typ-1- und Typ-2-Diabetes das halten kön-
nen, was sie auf der Basis der ersten Untersuchungen ver-
sprechen.
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Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert Forschergruppe Diabetes e.V. D-82152 Krailling
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Dieser Artikel erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt», 2019; 41 (19) Seite 53–54. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung.
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