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Impfungen: Hoher Infektionsschutz – geringe Akzeptanz
Impfungen gehören seit Langem zum Fundament der Präventionsmedizin. Sie bieten effizienten Schutz vor Infektionskrankheiten, die jahrzehntelang immer wieder zu verheerenden Epidemien führten und auch heute noch oft mit hoher Morbidität und Mortalität verbunden sind. Prof. Dr. med. Ulrich Heininger, Leiter der Pädiatrischen Infektiologie und Vakzinologie und stellvertretender Chefarzt am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB), gibt Auskunft über Vorurteile und Impfskepsis, über die Verträglichkeit heutiger Impfstoffe und den aus seiner Sicht hohen Stellenwert eines optimalen Impfschutzes für Kinder.
doXmedical: Herr Prof. Heininger, Sie sind als international anerkannter Infektiologe und Impfspezialist unter anderem Mitglied der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EKIF) und der deutschen Ständigen Impfkommission (STIKO). Warum sind Impfungen immer noch so umstritten? Sie bieten doch wirksamen Schutz vor schweren Infektionskrankheiten, was eigentlich sehr willkommen sein sollte. Prof. Dr. Ulrich Heininger: Skepsis und Ablehnung gibt es schon so lange, wie es Impfungen gibt – das ist keineswegs ein neues Phänomen. Das gab es schon zu Edward Jenners Zeiten, als er um 1790 die Pockenimpfung entdeckte. Das liegt einfach daran, dass wir gegen Krankheiten impfen, die nicht immer zwingend tödlich oder kompliziert verlaufen müssen – so kennt zum Beispiel jeder jemanden, der die Masern schadlos überstanden hat. Das beweist allerdings nicht, dass Masern harmlos sind. Die inzwischen verfügbaren guten und wirksamen Impfungen sorgen jedoch dafür, dass die Krankheiten und ihre Komplikationen aus dem Gedächtnis der Menschen verschwinden oder so selten werden, dass man zunehmend an der Notwendigkeit einer Impfung zu zweifeln beginnt und schliesslich den Nutzen der Impfung nicht mehr wertschätzt. Dazu kommt, dass bei jeder Impfung, die neu auf den Markt kommt, zuallererst auf vermeintliche Nebenwirkungen und/oder Fallberichte geachtet wird, weil jeder denkt: «Das ist bestimmt gefährlich.»
Oft entsteht auch der Eindruck, dass man über «unerwünschte Wirkungen» nicht vollständig informiert wird be-
Prof. Dr. med. Ulrich Heininger
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ziehungsweise entscheidende Informationen zurückbehalten werden. Da wird ja vieles kolportiert. Heininger: Das wird zwar kolportiert, ist in der heutigen Zeit jedoch weniger wahr denn je! Früher waren die Patienten noch nicht in der Lage, alles zu überprüfen, aber heute – dank Internet und öffentlich frei zugänglichen Datenquellen – kann sich ja jeder beispielsweise selbst darüber informieren, wie viele Fälle von schweren Meningokokkeninfektionen es pro Jahr in der Schweiz gibt, und sich fragen, ob er das Risiko einer Erkrankung in Kauf nehmen oder sich und seine Kinder davor schützen möchte. Selbst die Meldung von unerwünschten Ereignissen oder Nebenwirkungen ist geregelt, und mit Swissmedic gibt es eine eigene Behörde, die dafür verantwortlich ist, dies zu überprüfen. Dass da etwas unter den Tisch gekehrt wird, gehört zu den Verschwörungstheorien, die es inzwischen in allen Bereichen des täglichen Lebens gibt – nicht nur beim Impfen. Dass das System funktioniert, hat sich beispielsweise 2001 gezeigt, als der Grippeimpfstoff Nasalflu® (Berna) wegen Sicherheitsbedenken wieder vom Markt genommen wurde. Der Grund war, dass die Anwender, also die Hausärzte in der Praxis, das Auftreten von (vorübergehenden) Fazialisparesen bei ihren Patienten beobachtet und gemeldet haben.
Es gibt impfkritische Eltern, die Impfungen zwar nicht generell ablehnend gegenüberstehen, aber ihrem Kind nur solche angedeihen lassen wollen, die wirklich sinnvoll und nötig sind. Wenn man sich den schweizerischen Impfplan für das Jahr 2019 ansieht, stellt man fest, dass Kinder bis zu 2 Jahren viele Impfungen über sich ergehen lassen müssen. Sind wirklich alle erforderlich? UH: Sie müssen nicht viele Impfungen über sich ergehen lassen, sondern sie werden mit wenigen Injektionen gegen viele Krankheiten geschützt.
Dazu müssen Mehrfachimpfungen eingesetzt werden. Ist das nicht eine zu grosse Belastung für das kindliche Immunsystem? Heininger: Für das Immunsystem sind Mehrfachimpfungen kein Problem. Ich verweise dazu auf die Arbeit von Paul Offit von 2002 in «Pediatrics» zu diesem Thema (1). In dieser Arbeit zeigen die Autoren, dass das kindliche Immunsystem,
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selbst bei Neugeborenen, problemlos in der Lage ist, auch
Also sollte man bei der Krankheitsprävention nach Impf-
nach Mehrfachimpfungen humorale und zelluläre Immunant-
plan vorgehen und auf keine Impfung verzichten?
worten zu generieren. Zudem impfen wir heute Kinder gegen
Heininger: Genau! Der Impfplan ist eine Empfehlung an die
mehr Krankheiten als vor 20 Jahren, aber gleichzeitig mit we-
Bevölkerung seitens der Experten. Wir haben ihn in vier Emp-
niger immunogener Belastung, denn die Kombinationsimpf-
fehlungskategorien eingeteilt: Kategorie I unfasst die emp-
stoffe enthalten hoch gereinigte Antigene, die in der Summe
fohlenen Basisimpfungen, die aus unserer Sicht unerlässlich
weniger Begleitsubstanzen und Adjuvanzien enthalten, als
sind für das individuelle und allgemeine Wohl. Und da stehe
wenn sie einzeln gegeben würden, weil sich die Antigene ge-
ich hinter jeder einzelnen! Man muss den Empfehlungen
genseitig adjuvantieren. In Studien wurde bewiesen, dass
nicht folgen, wenn man das Risiko eingehen will – für die Kin-
sie – verglichen mit ihren Vorgängern – eine genauso gute
der tut es mir allerdings leid, wenn die Eltern ihnen die emp-
oder akzeptable Verträglichkeit und Immunogenität aufwei-
fohlene Impfung vorenthalten.
In Kategorie II sind die ergänzen-
«Die Hausärzte sollten sich wesentlich mehr um Infektions-
schutz und Impfprävention kümmern – dann hätten wir auch
mit den Masern weniger Probleme!»
den Impfungen zusammengefasst; es sind zusätzliche Empfehlungen für den optimalen Schutz, vergleichbar mit einer «Sonderausstattung» in einem Auto (2).
sen wie Einzelimpfstoffe. Und schliesslich ist die Probe aufs Exempel doch die Frage: «Wie haben Sie es in Ihrer eigenen Familie gemacht?» Dann kann ich guten Gewissens sagen, meine Kinder haben immer das bekommen, was empfohlen war (und manche Impfungen darüber hinaus), weil ich mich persönlich davon überzeugt habe, dass es gut und richtig ist. Und das sowohl als Mitglied EKIF als auch der STIKO.
Und schwere Nebenwirkungen sind bei Mehrfachimpfungen auch nicht vermehrt zu erwarten? Heininger: Nein. Das wäre ein hoher Preis für die Bequemlichkeit, den ich nicht bezahlen wollte! Mehrfachimpfungen sind nur zu begrüssen, wenn es keine Nachteilehinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit gibt. Und die gibt es tatsächlich nicht – im Gegenteil: Oft ist ein Sechsfachimpfstoff sogar besser als «fünf plus eins».
Und warum? Heininger: Weil sich bei separater Applikation auch das mögliche Risiko für Lokalreaktionen wie ausgeprägte Rötungen, Schwellungen oder Fieber verdoppelt. Das Risiko liegtt zwar im unteren Prozentbereich, aber es ist bei zwei Injektionen mit drei und drei höher als bei einer mit sechs. Noch schlimmer ist es, wenn ich die Impfungen einzeln und an verschiedenen Tagen gebe. Im Übrigen ist Fieber nach Impfungen heutzutage etwa zehnmal seltener als früher, was an den spezifischeren, hoch gereinigten Impfstoffen liegt. Dennoch kann 1 von 20 Kindern im ersten Lebensjahr am Tag nach der Impfung Fieber bekommen, und das meistens auch wegen der Impfung.
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Haben Ihre Kinder auch die ergänzende «Sonderausstattung» erhalten? Heininger: Natürlich! Ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, meinem Kind das vorzuenthalten, denn ich bin sehr überzeugt von der Präventionsmedizin. Als Infektiologe habe ich in meiner 30-jährigen Berufslaufbahn viele Kinder sterben sehen, auch an präventablen Krankheiten. Das will ich nicht mehr erleben.
Anfang 2019 gab es in der Schweiz einen Masernausbruch, der allgemein für Aufsehen sorgte. Auch in der Schweiz will man die Krankheit langfristig eliminieren. Wie hoch ist denn derzeit die Durchimpfungsrate? Heininger: Die Durchimpfungsrate im Kindesalter ist in der Schweiz seit vielen Jahren tendenziell steigend. Wir haben jetzt erreicht, dass landesweit bereits etwa 95 Prozent die erste Dosis erhalten. Das ist auch das Ziel. Mit der zweiten Dosis ist man bei der Einschulung etwa bei 90 Prozent. Entscheidend ist, dass auch zeitgerecht geimpft wird, also neuerdings im Alter von 9 und 12 Monaten (bis anhin mit 12 und 15 Monaten). Aber das Hauptproblem bei den Masern in der Schweiz ist, dass es ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene gibt (bis zurück zum Geburtsjahrgang 1964), die nicht oder nicht vollständig geimpft sind oder die Krankheit noch nicht durchgemacht haben. Und das sind diejenigen, die aktuell am häufigsten an Masern erkranken. Hier hat man es in vielen Hausarztpraxen bis jetzt leider versäumt, in einer strukturierten und konsequenten Art und Weise bei allen Erwachsenen, die nach dem 1. Januar 1964 geboren sind, beide MMR-Impfungen zu dokumentieren. Das muss konsequent überprüft werden!
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Was halten Sie von der in Deutschland ab März 2020 geltenden neuen Impfpflicht gegen Masern? Heininger: Ein Impfobligatorium ist aus meiner Sicht sinnvoll, wenn man es mit dem Zugang zu öffentlich finanzierten Gemeinschaftseinrichtungen verbindet, damit beispielsweise Risikokinder, die nicht gegen Masern geimpft werden dürfen, auch eine öffentliche Einrichtung besuchen können. Solche Kinder sind darauf angewiesen, dass die anderen geimpft sind und sie nicht anstecken. Das wäre in meinen Augen der Türöffner für eine moderates Impfobligatorium.
Können Sie sich vorstellen, dass eine Masern-Impfpflicht auch in der Schweiz eingeführt wird? Heininger: Prinzipiell ja, aber das ist aktuell nicht realistisch, obwohl es noch 2008 in der Schweiz eine schwere Masernepidemie mit etwa 4000 Fällen gab.
Hin und wieder wird von schwerer verlaufenden Erkrankungen trotz vorheriger Impfung berichtet. Woran liegt das? Heininger: Das gibt es, weil keine Impfung auf dieser Welt einen 100-prozentigen Schutz gewährt, ebenso wie keine Therapie zu 100 Prozent, sondern zum Beispiel nur zu 99,5 Prozent wirkt. Die Verläufe sind dann aber nicht schwerer, sondern deutlich milder. Es gibt dazu ein Rechenbeispiel: Stellen Sie sich vor, in einem Land seien 95 Prozent aller Kinder gegen Masern geimpft, aber die Impfung schützt nicht 100-prozentig. Kommt es dann zu einem Ausbruch mit 100 Masernkranken, von denen 30 geimpft sind, denkt man, die Impfung wirke nicht. Es ist aber immer noch eine sehr gute Wirksamkeit, denn wenn die Impfung nicht wirken würde, würden ja alle angesteckten Personen an Masern erkranken, von denen dann ja 95 Prozent gegen Masern geimpft wären.
Lässt sich denn die Krankheit unter diesen Umständen überhaupt ausrotten? Das ist doch die Zielvorgabe! Heininger: Ja, wenn in einer Bevölkerung mehr als 95 Prozent immun sind, dann ist die Krankheit Masern eliminierbar. Länder wie Finnland und Schweden, die dieses Ziel erreicht haben, sind ja seit vielen Jahren masernfrei, bis auf wenige importierte Fälle von Touristen. Aber dort gibt es keine Ausbrüche mehr.
Die Gerüchte über Autismus nach Masernimpfungen wurden inzwischen ja durch eine aktuelle grosse Studie wiederlegt. Heininger: Richtig, die Diskussion darüber ist in der Wissenschaft beendet; es handelte sich bei dieser Behauptung nachweislich um Betrug.
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Im Impfplan 2019 gibt es einige Änderungen bei den Impfempfehlungen, die Fragen aufwerfen. Warum gehört jetzt Hepatitis B neu zu den empfohlenen Basisimpfungen? Heininger: Man weiss, dass etwa 15 Prozent der HepatitisB-Fälle schon vor Beginn der sexuellen Aktivität auftreten, weil diese Viren schon früh über Kontakt mit infiziertem Blut übertragen werden können. In der Schweiz ist 1 Prozent der Bevölkerung chronisch mit Hepatitis B infiziert, diese Personen sind also ansteckend. Hinzu kommt, dass die Impfung im Säuglingsalter lebenslangen Schutz verleiht.
Auch die Pneumokokkenimpfung gehört jetzt neu zu den Basisimpfungen im Kindesalter. Haben Pneumokokkeninfektionen zugenommen, und wie hoch ist das Risiko bei Kleinkindern in der Schweizm an einer Hirnhautentzüdung, bedingt durch Pneumokokken, zu erkranken? Heininger: Pneumokokkeninfektionen haben in den letzten Jahren zwar nicht zugenommen, aber die Erkrankungsrate war hoch genug. Nachdem wir erfolgreich gegen Haemophilus influenzae Typ b geimpft hatten, waren folglich Pneumokokken die häufigsten Erreger der eitrigen Meningitis im Kindesalter. Geimpfte Kinder schützen indirekt auch Erwachsene. Damit sind die Kriterien für eine Basisimpfung erfüllt.
Bei den Meningokokkenimpfungen ist mir aufgefallen, dass es jetzt zwar eine Impfung gegen vier verschiedene Serogruppen gibt, aber keinen Impfschutz gegen Meningokokken B, die in der Schweiz für 50 Prozent aller Erkrankungsfälle verantwortlich sein sollen. Warum? Heininger: Das müssen Sie Swissmedic fragen – in Deutschland ist der Impfstoff zugelassen. Warum in vielen weiteren Ländern der Welt MenB-Impfstoffe zugelassen wurden und hier nicht, weiss ich nicht. Die Gründe dafür wurden nicht mitgeteilt.
Bei der Varizella-Zoster-Virus-Impfung scheint das Impfvirus zu persistieren, sodass Gürtelrose im Alter durchaus möglich ist. Hält der Impfschutz nicht lebenslang? Heininger: Das wissen wir erst in 50 Jahren. Denn so lange wird es dauern, bis die Surveillance-Daten aus den Ländern vorliegen, in denen zuerst systematisch gegen Windpocken geimpft und die Epidemiologie beobachtet wurde. Das erste Land waren die USA 1995, 2004 kam Deutschland. Wie sich das auswirkt, müssen die nächsten Jahrzehnte zeigen. Aber was wir wissen, ist, dass die attenuierten Impfviren nicht so virulent sind wie der Wildtyp, denn sie können nicht remutieren.
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Impfratgeber
Impfempfehlungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Prof. Dr. Ulrich Heininger (Hrsg.), Universitätskinderspital, Basel
Seit kurzem ist der vorliegende Impfratgeber – ein Standardwerk zum Thema Impfen in der deutschsprachigen Literatur – in einer neubearbeiteten und aktualisierten 10. Auflage erhältlich. Er bietet dem interessierten Leser eine systematische Einführung in die immunologischen und formalen Grundlagen zu Zulassung, Indikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen von Impfstoffen. Für die Praxis findet man zudem die wichtigsten Informationen zu allen Standard-, Indikations- und Reiseimpfungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die zahlreichen Änderungen der Impfempfehlungen und der Verfügbarkeit von Impfstoffen wurden dabei berücksichtigt. Häufige Fragen aus der Praxis wurden aktualisiert und ergänzt, im jeweiligen Kontext vorgestellt und präzise beantwortet. Dieses Buch leistet nicht nur einen Beitrag zur Fort- und Weiterbildung, sondern kann als Ratgeber den Umgang mit Indikationen, Kontraindikationen und Nebenwirkungen von Impfstoffen im ärztlichen Alltag in Praxis und Spital erleichtern.
UNI-MED Science, 10., neubearb. Auflage 2019 152 Seiten, 45 Abb., Hardcover, ISBN 978-3-8374-1540-7 EUR 39.80; Fr. 66.–
Wie sieht es mit möglichen Nebenwirkungen bei der Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV) aus? Laut Liste der Impfschäden des EDI soll die HPV-Impfung zu keinen schwerwiegenden Nebenwirkungen beziehungsweise Impfschäden führen. Jedoch gibt es Berichte von nicht publiziertem Datenmaterial, die anscheinend Infos von schweren Nebenwirkungen enthalten (schwere Nervenerkrankungen, Lähmungen, orthostatisches Tachykardiesyndrom). Ist das auch wieder Panikmache oder ist da etwas dran? Heininger: Das behauptet die Nordic Cochrane Collaboration. Der dänische Mediziner Prof. Gøtzsche wurde nach seiner unberechtigten Kritik an der HPV-Impfstudie vom Vorstand ausgeschlossen. Zu Recht, wie ich meine. Grundsätzlich ist es so, dass alles, was im Leben geschieht, auch vor und nach Impfungen passieren kann, all das gibt es also auch in Einzelfällen, aber nicht als Nebenwirkung (= kausaler Zusammenhang), sondern als unerwünschtes Ereignis (= koinzidierend).
Sie würden Ihren Kindern also die HPV-Impfung empfehlen? Heininger: Ja, habe ich bereits.
Würden Sie auch Buben impfen? Heininger: Selbstverständlich. Auch Buben können HPV-assoziierte Karzinome sowie Genitalwarzen erleiden. Und sie tragen als Glieder der Übertragungskette zur Verbreitung der Viren bei. Beidem kann man durch Impfung begegnen.
Befürworten Sie Impfungen in Apotheken? Heininger: Ja, wenn es sich zum Beispiel um Grippeimpfungen bei gesunden Erwachsenen handelt – keineswegs aber bei Kindern. Kinder sollen ausschliesslich beim Kinder-oder Hausarzt geimpft werden. Sonst bin ich für das Subsidiärprinzip: Wenn wir Ärzte nicht ausreichend impfen, sollen die Apotheker helfen, Impflücken zu schliessen. Leider impfen viele Hausärzte ihre Patienten nicht ausreichend.
Kennen Sie die Gründe dafür?
Heininger: Nein. Vielleicht ist es Mangel an Zeit in der Praxis,
wie ich immer wieder höre. Ich bin allerdings fest davon über-
zeugt, dass sich die Hausärzte wesentlich mehr um Infektions-
schutz und Impfprävention kümmern sollten. Dann hätten wir
auch mit den Masern weniger Probleme. Zusätzlich muss man
allerdings auch die Bevölkerung zu mehr Eigenverantwortung
aufrufen. Beispielsweise gab und gibt es genügend Aufrufe
und Informationskampagnen zur Masernimpfung. Hier müsste
die Bevölkerung stärker reagieren und mehr Gesundheitskom-
petenz und Eigenverantwortung zeigen.
x
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Claudia Reinke.
Literatur: 1. Offit PA, Quarles J, Gerber MA et al.: Adressing Parent’s Concerns: Do Multiple Vaccines Overwhelm or Weaken the infant’s Immune System? Pediatrics 2002, 109(1): 124–129). 2. BAG Schweizerischer Impfplan 2019: Richtlinien und Empfehlungen. www.bag.admin.ch/impfplan
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