Transkript
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Praxisverkauf frühzeitig planen!
Der sich abzeichnende Abschied aus dem Berufsleben ist für viele Ärztinnen und Ärzte mit zahlreichen Emotionen behaftet. Der Gedanke an die Abgabe der eigenen, mit «Blut, Schweiss und Tränen» über Jahrzehnte aufgebauten Praxis samt den über die Jahre ans Herz gewachsenen Patienten kann einerseits Ängste und Sorgen auslösen. Die Übergabe der Praxis an einen optimalen, sowohl die menschlichen als auch fachlichen Kriterien erfüllenden Nachfolger kann andererseits aber auch ein äusserst belebender und – bei richtiger Planung – sehr erfreulicher Prozess sein, der im Idealfall in einen für Käufer und Verkäufer zufriedenstellenden Verkauf mündet. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, welche Punkte für einen erfolgreichen Praxisverkauf beachtet werden müssen respektive, welche Fehler es zu vermeiden gilt.
Zeitpunkt Von elementarer Bedeutung ist die Wahl des richtigen Zeitpunkts für die Praxisübergabe. Wenn man die Praxis bewerten und einen guten Nachfolger finden möchte, empfiehlt es sich, frühzeitig zu überlegen, wie es nach der Pensionierung mit der Praxis weitergehen soll. Häufig sind es persönliche Gründe, die dazu führen, dass der Gedanke an die Aufgabe der Praxis auf die lange Bank geschoben wird. Sollte es beim Verkäufer an Hobbys und Interessen neben der Praxistätigkeit mangeln, ist der ausgemalte Reputationsverlust vom angesehenen, in eigener Praxis tätigen Mediziner zum – im schlechtesten Fall – gelangweilt zu Hause sitzenden «Pensionär» besonders schmerzhaft. Für eine erfolgreiche Übergabe der Praxis an einen sowohl die persönlichen als auch die fachlichen Kriterien erfüllenden Nachfolger sollte bedacht werden, dass sich mögliche Übernahmekandidaten eventuell in einem Anstellungsverhältnis mit entsprechenden Kündigungsfristen befinden. Zudem muss die persönliche und familiäre Situation (allfälliger Umzug, Familienplanung etc.) des Interessenten beachtet werden. Die Lösung dieser organisatorischen Fragen nimmt eine gewisse Zeit in Anspruch. Empfehlenswert ist es also, sich spätestens drei Jahre vor der geplanten Übergabe mit dem Gedanken an eine Nachfolgelösung anzufreunden und sich über die verschiedenen Möglichkeiten zu informieren. Falls – was wir leider in der Praxis häufiger erleben – plötzlich auftauchende gesund-
Von Thomas Naef
heitliche Probleme ein Weiterführen der Praxistätigkeit verhindern und den Praxisinhaber zu einem möglichst schnellen Verkauf zwingen, ist der Verhandlungsspielraum des Verkäufers, sowohl was die Ansprüche an die fachlichen Kriterien des Nachfolgers als auch was den Erlös der Praxis angeht, entsprechend geringer.
Plan für danach Wie einleitend bereits erwähnt, sind es häufig persönliche Beweggründe, welche die Gedanken an die Praxisaufgabe respektive an die Übergabe der Praxis an einen Nachfolger verdrängen. Es ist wichtig, dass man als abgebender Arzt auch einen Plan für die Zeit nach der Praxistätigkeit hat. Möchte man in einem allenfalls reduzierten Pensum im Angestelltenverhältnis weiterarbeiten? Sind persönliche Interessen und Hobbys vorhanden, damit auch nach Beendigung der beruflichen Laufbahn ein erfülltes Leben ohne medizinische Tätigkeit möglich ist? Da sich ein erfolgreicher Praxisverkauf auch durch ein gutes Gefühl nach der Übergabe auszeichnet, ist es von elementarer Bedeutung, dass man sich rechtzeitig Gedanken über das Leben nach der Praxistätigkeit macht.
Diskretion Geschwätz und Getratsche ist immer unangenehm, kann jedoch bei einer anvisierten Praxisübergabe besonders negativ ins Gewicht fallen. Diskretion ist das A und O eines erfolgreichen Praxisverkaufs. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient unterliegt einer besonderen Sensibilität, und besonders chronische und/oder multimorbide Patienten fühlen sich häufig vor den Kopf gestossen und überrumpelt, wenn sich der Abgang des Arztes abzeichnet. Als Folge davon suchen sich die Patienten in ihrer Verunsicherung schnellstmöglich einen neuen Arzt, was den Wert der Praxis auch aus ökonomischer Sicht stark mindern kann. Auch das Personal, das vom Nachfolger allenfalls gerne mit übernommen würde, wird sich bei einer angekündigten Aufgabe der Praxistätigkeit allenfalls eine neue Arbeitsstelle suchen. Um solche negativen Begleiterscheinungen möglichst zu vermeiden, empfiehlt es sich, die geplante Aufgabe der Praxistätigkeit bis zum Vollzug, also eines von beiden Parteien (Verkäufer und Käufer) unterschriebenen Praxisübernahmevertrages, diskret zu handhaben und erst danach zu kommunizieren.
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Keine Reduktion der Praxistätigkeit Neben den bereits erwähnten Punkten ist es wichtig, die Praxis bis zur tatsächlichen Übernahme durch einen Nachfolger möglichst in der gewohnten Weise weiterzuführen. Ein häufig beobachteter Fehler ist die Tatsache, dass der abgebende Arzt innerlich bereits mit der Praxistätigkeit abgeschlossen hat und deshalb keine neuen Patienten einbestellt werden, die Agenda grössere Lücken aufweist und die Marketingmassnahmen inklusive Pflege des Zuweisernetzwerks weitgehend aufgegeben werden. Ein bestehendes umfangreiches Patientengut ist jedoch essenziell und der wichtigste Grund für einen jungen Arzt, statt einer Neueröffnung die Übernahme einer bestehenden Praxis ins Auge zu fassen. Deshalb empfiehlt es sich – falls es die Gesundheit zulässt –, das Arbeitspensum bis zur Sicherstellung des Verkaufs nicht zu reduzieren, sondern bis zur tatsächlichen Übergabe im gewohnten Umfang beizubehalten, auch was die Anzahl einbestellter Patienten angeht.
Unrealistische Preisvorstellung Der Übergabepreis einer Praxis wird häufig von grossen Emotionen geleitet. Der abgebende Arzt möchte die mit Herzblut aufgebaute Praxis natürlich nicht verschenken und die jahrelang geleistete Aufbauarbeit auch in finanzieller Hinsicht honoriert sehen. Der Wert einer Praxis wird jedoch nicht durch emotionale Kriterien bestimmt. Der potenzielle Übernahmekandidat dagegen geht vielleicht von der irrigen Annahme aus, dass Goodwill-Zahlungen der Vergangenheit angehören und nicht mehr zeitgemäss sind. Eine objektive und seriöse Bewertung der Praxis ist daher unumgänglich, wird auch von den Banken verlangt und ist somit Grundvoraussetzung für eine Finanzierung. Eine ausführliche Dokumentation der Praxis ist neben den Banken auch für den potenziellen Käufer essenziell. Dieser möchte möglichst viele Informationen haben, auf deren Grundlage er den Schritt aus dem Spital hin zur Übernahme einer Praxis mit gutem Gewissen vollziehen kann. Neben dem zu übernehmenden Patientengut, an das der mögliche Käufer sowohl quantitative (werde ich genügend Patienten haben?) als auch qualitative (wie hoch ist der Anteil halbprivat oder privat Versicherter?) Ansprüche stellt, ist auch die CashflowRendite einer Praxis ein wichtiger ökonomischer Entscheidungsfaktor. In Gebieten mit uneingeschränkter Selbstdispensation interessiert natürlich auch der Medikamentenanteil am Gesamtumsatz. Ausserdem ist es wichtig zu wissen, wie die Praxis hinsichtlich Anzahl Konsultationen, Kosten und so weiter im Vergleich zu den umliegenden Konkurrenten aufgestellt ist. Auch die Anzahl der möglichen Konkurrenten ist von Belang und kann die Entscheidung massgeblich beeinflussen.
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Nicht zuletzt interessieren den möglichen Praxisnachfolger die langfristigen Chancen und Risiken, die sich bei einer möglichen Praxisübernahme eröffnen.
Synchronisierung der Praxisübernahme Ein weiterer in der Praxis häufig beobachteter Fehler, der den Verkauf respektive die Übergabe der Praxis erschweren kann, ist die mangelnde zeitliche Flexibilität des abgebenden Arztes. Je starrer und festgefahrener die Vorstellung vom geplanten Übergabezeitpunkt, desto mehr schränkt man sich bei der Auswahl der möglichen Käufer ein. Unabhängig davon, für welche Form der Praxisübergabe man sich letztlich entscheidet, ist die Synchronisierung der zeitlichen Vorstellungen von Käufer und Verkäufer von elementarer Bedeutung.
Übergabemodelle Beim Verkauf einer Praxis sind im Wesentlichen drei verschiedene Übergabemodelle möglich, die nachfolgend mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt werden.
Kalte Übergabe Die Übergabe erfolgt hier an einem von Käufer und Verkäufer definierten Stichtag. Der «neue» Arzt kommt, der «alte» geht. Diese Form der Praxisübergabe war früher Standard, hat jedoch in letzter Zeit massiv an Attraktivität eingebüsst. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass sich die Aktivitäten im Sinne einer geordneten Übergabe auf ein Minimum beschränken, sodass der Käufer unter Umständen mit negativen Begleiterscheinungen rechnen muss wie zum Beispiel dem Risiko eines Patientenverlustes oder eines unvollständigen Know-how-Transfers. Zum anderen wünscht sich der Käufer, der häufig aus dem Spital kommt und keine Vorkenntnisse hinsichtlich Praxisführung mitbringt, in der Regel eine längere Einarbeitungszeit zusammen mit seinem Vorgänger. Für den abgebenden Arzt kann diese «kalte» Übergabe jedoch auch Vorteile haben. Unter anderem ist der Prozess sehr kurz, und der Verkäufer kann sich frei von unternehmerischen Lasten neu orientieren.
Begleitete Übergabe Bei dieser Form der Praxisübernahme arbeiten der Verkäufer und der Käufer während maximal 3 Monaten zusammen, wobei der Verkäufer sein Arbeitspensum oft bereits stark reduziert. Während dieser Zeit übergibt der Verkäufer dem Nachfolger aktiv die wichtigsten Patienten. Zusätzlich können viele organisatorische Anliegen, wie zum Beispiel das Zuweisernetzwerk, ausführlich besprochen werden. Im Idealfall übernimmt der Praxisinhaber während Ferienabwesenheiten des Nachfolgers die Stellvertretung.
Sukzession Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass in der Mehrzahl der Fälle die Sukzession die von Verkäufer und Käufer bevorzugte Art der Praxisübergabe darstellt. Bei der Sukzession wird einerseits dem von Verkäuferseite häufig vorgetragenen Wunsch nach einem sanften Ausstieg ohne gleichzeitigen Wertverlust der Praxis sowie andererseits dem beim Käufer beliebten schrittweisen begleiteten Einstieg in die Praxis Rechnung getragen. Eine sukzessive Praxisübergabe besteht aus mehreren klar definierten Phasen, wobei der Käufer schrittweise einsteigt, bis Käufer und Verkäufer eine gewisse Zeit parallel arbeiten (Phase der Doppelpraxis). Falls die Praxis dieses parallele Arbeiten aufgrund der Grösse und Anzahl der Patienten erlaubt, profitieren sowohl Käufer als auch Verkäufer während dieser Phase von erheblichen Synergieeffekten. Neben dem als belebend empfundenen fachlichen Austausch schlägt sich dies vor allem auch in wirtschaftlichen Kennzahlen nieder: Miet- und Personalkosten können geteilt werden, bei guter Planung und gegenseitiger Ferienvertretung fallen bei ganzjähriger Praxisöffnung zudem die Umsatzeinbussen aufgrund ferienbedingter Praxisschliessung weg. Eine Sukzession dauert üblicherweise 1 bis 3 Jahre und ist in mehrere klar definierte Phasen unterteilt, wobei Verkäufer und Käufer gemeinsam über die zeitliche Dauer der einzelnen Phasen entscheiden.
Vertragliche Regelung Unabhängig davon, welches der beschriebenen Übergabemodelle den persönlichen Vorstellungen und Wünschen am ehesten entspricht, müssen vorgängig im Rahmen eines Praxisübernahmevertrages – neben dem Übergabe- respektive Einstiegsdatum des Käufers – der Verkaufspreis und die Sicherstellung der Finanzierung geregelt werden. Weitere zwingende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Übergabe der Praxis stellen ausserdem die Berufsausübungsbewilligung des Käufers sowie die Garantie eines langfristigen Mietvertrages dar. Alle diese Punkte müssen vorgängig in
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einem Praxisübernahmevertrag geregelt sein. Er ist das solide Fundament, auf dem die erfolgreiche Praxisübergabe aufgebaut werden kann.
Steuerprivilegierter Verkauf durch Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit Ein bekannter, treuer Begleiter ist der Staat – er ist immer da, wenn Geld fliesst, und möchte gern davon profitieren. Normalerweise wird der Praxisverkauf beziehungsweise der Erlös separat besteuert und mit der AHV belastet. Dies kann gut und gerne 30 Prozent des Verkaufspreises ausmachen. Wenn immer möglich, ist die privilegierte Besteuerung anzustreben, wobei gewisse Grundvoraussetzungen zu beachten sind wie zum Beispiel die Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit. Nicht besteuert wird der Verkauf der Aktiengesellschaft (auch die AHV entfällt hier). Ob es sich lohnt, im Hinblick auf den Praxisverkauf 5 Jahre vorher eine Aktiengesellschaft zu gründen (die Wartefrist für den Praxisverkauf beträgt 5 Jahre, damit eine Steuerbefreiung erfolgt), muss im Einzelfall überprüft werden.
Fazit Für den zukünftigen Praxisverkäufer ist es wichtig, dass er sich rechtzeitig mit der Planung auseinandersetzt, das Vorgehen zeitlich strukturiert, den Zeitplan einhält sowie hohe Flexibilität bei der zeitlichen Synchronisierung zeigt und dabei absolute Diskretion einhält. Dann dürfte das Leben danach ebenso erfüllt sein, wie es das Berufsleben zuvor war.
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Korrespondenzadresse: Thomas Naef Consultant FEDERER & PARTNERS Unternehmensberatung im Gesundheitswesen AG Mitteldorfstr. 3, 5605 Dottikon Tel. 056-616 60 60 E-Mail: thomas.naef@federer-partners.ch Homepage: www.federer-partners.ch
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