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1 • 2019
Medizin im Fokus
Cave: Einsatz von Fluconazol oral in der Schwangerschaft nicht ohne Risiko
Vaginalinfektionen in der Schwangerschaft sind relativ häufig. Zur Behandlung stehen verschiedene topische AzolAntimykotika zur Verfügung. Obwohl die Behandlung mit dem oralen Fluconazol aufgrund der schwachen Datenlage zur Sicherheit des Wirkstoffs während der Schwangerschaft kritisch ist, ist auch der Einsatz dieses Antimykotikums bei schwangeren Frauen – selbst im sensiblen ersten Trimenon – nicht unüblich. Wie aus einer aktuellen kanadischen Fallkontrollstudie hervorgeht, muss jedoch mit einem erhöhten Risiko von Fehlgeburten und Fehlbildungen auch bei Einnahme niedriger Dosen von Fluconazol (150 mg) in der Frühschwangerschaft gerechnet werden.
Fluconazol, das zur Gruppe der Azol-Antimykotika gehört, hat sich bereits in tierexperimentellen Untersuchungen als embryotoxisch erwiesen. Dieser Effekt lässt sich durch seinen Wirkmechanismus erklären: Die Substanz hemmt das Enzym Lanosterin-Demethylase (CYP51A1), das sowohl in der Ergosterin- als auch in der Cholesterinbiosynthese eine Rolle spielt. Beim Pilz führt der Ausfall des Enzyms zum Produktionsstopp von Ergosterol, einem für das Pilzwachstum lebenswichtigen Bestandteil der Zellmembran. Beim Menschen ist CYP51A1 ein wichtiger Akteur in der Biosynthese von Cholesterin, das für die embryonale und fetale Zellbildung essenziell ist. Fehlt es, ist die gesunde Entwicklung des Fetus gefährdet.
Erhöhte Fehlgeburtenrate nur unter Fluconazoldosierungen von 400 bis 800 mg/Tag? Bereits 2011 warnte die FDA – auch aufgrund der beim Tier nachgewiesenen Embryotoxizität – vor dem längerfristigen Einsatz von Fluconazol in Dosierungen von 400 bis 800 mg/Tag während der Frühschwangerschaft (1. Trimenon) wegen möglicher Fehlbildungen. Ausdrücklich ausgenommen
davon war die Therapie mit Einzeldosen von 150 mg. 2016 erneuerte die FDA ihre Warnungen vor höheren Fluconazol-Dosierungen (400– 800 mg/Tag) nach Erscheinen einer dänischen Kohortenstudie, die das Risiko für Fehl- und Totgeburten unter oralem Fluconazol untersucht hatte (1, 2). In dieser Studie zeigte sich bei Schwangeren unter oraler Fluconazol-Gabe eine signifikant erhöhte Fehlgeburtenrate (48%), dies im Vergleich zu Frauen, die im gleichen Zeitraum kein Fluconazol eingenommen hatten beziehungsweise mit topischen Azol-Antimykotika behandelt worden waren. Das Risiko für Totgeburten war dagegen nicht erhöht. Die Daten liessen allerdings keine Dosisabhängigkeit bei der Fehlgeburtenrate erkennen. Eine niedrig dosierte orale Behandlung (ein oder zwei Einzeldosen à 150 mg) wurde vergleichsweise immer noch als relativ risikoarm angesehen.
Auch niedrig dosiertes, orales Fluconazol (150 mg) kann zu Fehlgeburten führen In der von kanadischen Wissenschaftlern kürzlich vorgestellten Studie wurde nun der Einfluss von niedrig und hoch dosiertem, oralem Fluconazol während der Schwangerschadft auf Fehlgeburten und Missbildungen genauer untersucht (3). Dazu wurden Daten von 441 949 Teilnehmerinnen der Quebec Pregnancy Cohort ausgewertet, die von 1998 bis 2015 erhoben worden waren. Dabei zeigte sich, dass eine Behandlung mit oralem Fluconazol während des ersten Trimenons mit einem erhöhten Risiko für spontane Fehlgeburten assoziiert war: 29 458 Schwangerschaften endeten vorzeitig zwischen der 6. und 19. Schwangerschaftswoche. Von diesen Frauen hatten 0,53 Prozent (1701) niedrig dosiertes Fluconazol (Einmaldosis 150 mg) eingenommen; 891 Frauen (0,28%) waren mit einer höheren Dosis (≥ 150 mg) behandelt worden. Nach Exposition mit niedrig dosiertem Fluconazol (150 mg) ereigneten sich rein rechnerisch mehr als doppelt so viele Fehlgeburten als ohne Therapie (Odds Ratio 2,23), unter der höheren Dosis sogar mehr als dreimal so viele (Odds Ratio 3,20). Die Ergebnisse waren statis-
tisch signifikant. Darüber hinaus wurde noch eine erhöhte Fehlbildungsrate bei den überlebenden Kindern beobachtet, die mit der Einnahme hoch dosierten Fluconazols assoziiert war und zu Herzfehlbildungen (Defekten in der Herzscheidewand) führte (Odds Ratio 1,81). Obwohl die Zahl der Schwangeren, die Fluconazol eingenommen hatten, relativ gering war, sind die Autoren davon überzeugt, dass jegliche Einnahme von Fluconazol während der Schwangerschaft – auch als Einmaldosis von 150 mg – das Risiko für eine Fehlgeburt erhöht. Die Einnahme höherer Dosen im ersten Trimenon könnte zudem das Risiko eines Herzfehlers für das Neugeborene erhöhen.
Fazit
Diese Studienergebnisse bestätigen die Aktuali-
tät der FDA-Empfehlungen, dass Schwangere mit
vulvovaginalen Candidainfektionen nur mit topi-
schen Azol-Antimykotika (Clotrimazol, Miconazol
oder Nystatin) therapiert werden sollten – auch
für einen längeren Zeitraum, falls erforderlich –,
da sie als sicher angesehen werden können. Dies
entspricht auch den Angaben in den Fachinforma-
tionen der Swissmedic. Dort findet sich bei den
entsprechenden Präparaten der Hinweis, dass die
Anwendung von Fluconazol während der Schwan-
gerschaft vermieden werden sollte, falls nicht
potenziell lebensbedrohliche Pilzinfektionen
vorlägen, da sowohl für hohe Fluconazol-Dosen
(400–800 mg/Tag) als auch bei niedrigen Dosen
(150 mg als Einmal- oder Mehrfachgabe) Berichte
über Spontanaborte und kongenitale Anomalien
vorlägen, insbesondere wenn die systemische Be-
handlung im ersten Trimenon erfolge.
CR
Literatur: 1. Molgaard-Nielsen D, Svanstrom H, Melbye M et al.: Association Between Use of Oral Fluconazol During Pregnancy and Risk of Spontaneous Abortion and Stillbirth. JAMA 2016; 315(1); 58–67. 2. FDA to review study examining use of oral fluconazole in pregnancy. FDA Drug Safety Communication (26.4.2016). 3. Bérard A, Sheehy O, Jin-Ping Z et al.: Associations between lowand high-dose oral fluconazole and pregnancy outcomes: 3 nested case-control studies. Canadian Medical Association Journal 2019; 191: F179–187.
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