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Thema
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Akute und chronische Diarrhö – wann und wie behandeln?
Die akute Diarrhö erfordert in der Regel nur eine begrenzte Diagnostik, es sei denn, es handelt sich um einen immunsupprimierten Patienten. Chronischer Durchfall hingegen sollte intensiv abgeklärt werden inklusive erweiterter Labordiagnostik und gegebenfalls Antikörpertests und Bestimmung endokriner Enzyme.
Die akute Diarrhö ist eine Durchfallerkrankung, die weniger als 14 Tage dauert, meist eine virale oder bakterielle Ursache hat und mit mehr als drei ungeformten Stühlen pro Tag oder täglich über 250 g ungeformtem Stuhl einhergeht. Von chronischer Diarrhö spricht man bei Durchfall mit gleicher Stuhlfrequenz von mehr als drei Stühlen pro Tag. Diese Erkrankung dauert jedoch länger als 30 Tage. Die persistente Diarrhö hält zwischen 14 und 30 Tage an. Sie ist zum Teil nicht infektiös und muss – je nach Leidensdruck des Patienten – sorgfältig abgeklärt werden. Der Arzt muss hier genau abwägen, welche nicht invasiven oder invasiven Massnahmen er ergreift.
MERKSÄTZE
✔ Die akute Diarrhö bedarf meist keiner Therapie. Leidensdruck, Komorbidität oder Schwere des Krankheitsbildes können jedoch eine rasche Diagnostik erfordern.
✔ Bei akuter Diarrhö (≤ 14 Tage) wird in der Regel mit Ausnahme von immunsupprimierten Patienten keine invasive Abklärung benötigt.
✔ Bei der chronischen Diarrhö (Dauer > 30 Tage) muss eine intensive Abklärung mit Endoskopie sowie breiten Labortests erfolgen. Im Zeitraum zwischen 14 und 30 Tagen besteht kein strikt einheitliches Vorgehen.
✔ Hilfreich ist eine enge Arzt-Patienten-Beziehung, um im individuellen Fall den richtigen Behandlungsweg einzuschlagen.
✔ Je nach Stärke der Beschwerden kann die Diagnostik intensiv vorgezogen oder bei stabiler Situation abgewartet werden.
Von Manfred Essig
Akute Diarrhö Die Pathogenese der akuten Diarrhö ist bakteriell, viral oder durch Protozoen verursacht. Für die Evaluation der akuten Diarrhö ist ein initiales Assessment entscheidend. Erfassen sollte man dabei eine Dehydratation, die Dauer der Erkrankung, Zeichen der Inflammation wie Fieber, Beschwerden wie Krämpfe sowie Alarmsymptome wie Blut im Stuhl. In der initialen Diarrhöphase ist die symptomatische Therapie – im Wesentlichen geprägt durch Rehydratation – entscheidend. Die weitere Strategie des Managements richtet sich nach der Schwere der Erkrankung. Anamnestische Fragen, die geklärt werden sollten, sind Nahrungsmittel- und Antibiotikaeinnahme, Sexualkontakte, Reiseanamnese, zwischenmenschliche Tageskontakte und der Aufenthalt in nicht zivilisierten, hygienisch problematischen Gegenden. Bei der Reisediarrhö und wenn sich eine Antibiotikatherapie evaluieren lässt, genügt eine Routinestuhldiagnostik auf Salmonellen, Shigellen, Campylobacter und Yersinien, E.-coli-Subtyp 0157-H17 sowie das Clostridium-difficile-Toxin. Tritt eine Diarrhö nach einem Krankenhausaufenthalt auf, müssen das Clostridium-difficile-Toxin A und B gesucht werden; insbesondere bei immunkompromittierten Patienten und über 65-Jährigen sowie bei komplizierter Neutropenie und systemischer Infektion. Dauert der Durchfall länger als 7 Tage, muss zusätzlich an eine Protozoeninfek-
tion gedacht werden. Bei Patienten mit ausgeprägter Immunsuppression sollte zudem ein Test auf Mikrosporidien, Mycobacterium und Zytomegalievirus (CMV) erfolgen. Eine weiterführende invasive Diagnostik mittels Endoskopie ist in den meisten Fällen am Anfang, das heisst in den ersten 14 Tagen, nicht nötig – ausser bei immunsupprimierten Patienten. Der Arzt sollte hier besonderes Augenmerk auf eine Biopsie und die Frage nach einer CMV-Infektion legen. Diese wichtige Ausnahme muss beachtet werden. Patienten, die eine clostridiumtoxinpositive Diarrhö nach Antibiotikatherapie haben, benötigen primär nicht unbedingt eine endoskopische Abklärung. Hier kann direkt mit spezifischen Antibiotika (Metronidazol, Vancomycin, Rifaximin) therapiert werden.
Allgemeine Therapierichtlinien Die Therapie der akuten Diarrhö besteht vor allem in der oralen Rehydratation, zum Beispiel mit WHO-Lösung (3,5 g Salz + 2,5 g Backpulver + 1,5 g Kaliumchlorid sowie 20 g Glukose auf 1 l Wasser). Bei ausgeprägtem, schwerem Verlauf kann eine empirische antibiotische Therapie erfolgen – je nach Reiseland und Resistenzlage mit Chinolonen (Norfloxacin 2-mal 400 mg; Ciprofloxacin 2-mal 500 mg und Levofloxacin 500 mg pro Tag). Besteht der Verdacht auf Campylobacter – also hat der Patient zusätzlich starke Krämpfe? Dann sollte ein Makrolid vom Typ Azithromycin (1 g, Einmalgabe) verabreicht werden. Bei Verdacht auf Giardia-lamblia-Infektion aus entsprechenden Reiseländern wie Marokko oder Ägypten und Nachweis einer Giardiainfektion ist eine Therapie mit Metronidazol für zehn Tage in einer Dosierung von 3-mal 500 mg täglich möglich. Motilitätshemmende Medikamente sind nur erlaubt, sofern kein Fieber, keine analen Blutabgänge und keine schwere systemische Reaktion vorliegen. Hier kann man 4 bis 8 mg Loperamid pro Tag geben.
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Pathogenese der akuten Diarrhö
Bakteriell • Dünndarm: Salmonellen, E. coli, Cl. perfringens,
S. aureus, B. cereus, V. cholerae • Dickdarm: Campylobacter, Shigellen, Cl. difficile,
Yersinien, EHEC Viral • Dünndarm: Noroviren, Rotaviren • Dickdarm: CMV, HSV, Adenoviren Protozoen • Dünndarm: Cryptosporidien, Microsporidien,
Giardia lamblia • Dickdarm: Entamoeba histolytica
Checkliste zur Evaluation
bei akuter Diarrhö • Hypovolämie? • Blut im Stuhl? • Fieber über 38,5 Grad? • mehr als 6 ungeformte Stühle pro Tag? • starke abdominelle Beschwerden? • Alter über 65 Jahre? • immunsupprimierter Zustand? • Schwangerschaft? • zusätzliche schwere Systemkrankheiten?
Chronische Diarrhö Von der akuten ist, wie erwähnt, die chronische Diarrhö abzugrenzen. Als Krankheitsbilder stehen in den sich entwickelnden Ländern besonders das Reizdarmsyndrom, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Malabsorptionssyndrome, chronische Infektionen und sekretorische Durchfälle im Vordergrund. Für die weniger entwickelten Länder sind an erster Stelle chronische Infekte und an zweiter funktionelle Krankheiten relevant. Auf Rang drei kommen entzündliche Darmerkrankungen in der Differenzialdiagnose hinzu. Den vierten Platz belegen Malabsorptionssyndrome.
Diagnostik Die chronische Diarrhö erfordert ein Minimallaboratorium wie Blutbild, Serumelektrolyte, Gesamteiweiss und Albumin, Schilddrüsenfunktion, Eisentests, Vitamin B12, Kalzium und Cholesterin. Der Stuhl sollte bei chronischer Diarrhö auf okkultes Blut untersucht und das Calprotectin bestimmt werden. Zudem sollte man nach Protozoen suchen. Im Fokus der Diagnostik bei der chronischen Diarrhö steht die Osmolalität des Stuhls. Liegt diese unter 290 mosmol/kg, ist ein Verdünnungseffekt die Ursache. Bei Osmolalität über 290 mosmol/kg ist dieser Wert wenig informativ. Bei Werten unter 50 mosmol/kg Stuhl liegt eine sekretorische Diarrhö vor. Bei über 125 mosmol/kg handelt es sich um eine osmotische Diarrhö (z.B. Laxanzienabusus). Dazwischen liegen Mischformen. Sollten Sie die Option einer Messung des StuhlpH haben, zeigt ein niedrigerer pH-Wert unter 5,3 eine Kohlenhydratmalabsorptionsstörung an, ein pH über 5,6 deutet hingegen eher auf eine generalisierte Malabsorption hin. Bei der chronischen Diarrhö können manche serologischen Tests hilfreich sein. Besonders zu erwähnen ist hier der ANA-Test für Hinweise auf eine Vaskulitis, Sklerodermie oder Autoimmunenteropathie. Die Endomysiumantikörper sowie die Gewebetransglutaminase können eine Zöliakie anzeigen, die p-ANCA auf eine Colitis ulcerosa hinweisen. Die quantitativen Immunglobuline deuten auf einen selektiven IgA-Mangel hin. Bei Antikörpern auf Entamoeba histolytica kann es sich um eine Parasiteninfektion handeln. Bei einem HIV-Antikörper-Status kann eine schwere Immunsuppression durch das HI-Virus vorliegen. Bei der chronischen Diarrhö muss immer beachtet werden, dass eine intensive endokrinologische
Enzymbestimmung erforderlich ist, insbesondere was die oben genannten Parameter im Serum sowie die Pankreaselastase im Stuhl angeht. So läuft man nicht Gefahr, einer exokrinen Insuffizienz aufzusitzen. Auch muss eine Endoskopie mit Biopsieentnahme durchgeführt werden, um eine mikroskopische Kolitis zu erfassen.
Therapie
Die chronische Diarrhö wird nach Diagnosestel-
lung antiinflammatorisch sowie motilitätsmin-
dernd therapiert.
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Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Manfred Essig Chefarzt Innere Medizin und Gastroenterologie Spital Tiefenau 3004 Bern
Interessenlage: Der Autor hat keine Interessenkonflikte deklariert.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 3/2018. Die leicht bearbeitete Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor.
Literatur: 1. Thielmann NM, Guerrant RL: Clinical practice. Acute infectious diarrhea. N Engl J Med 2004; 350(1): 38–47. 2. Lembcke B: Diarrhö: Notwendige und sinnvolle Diagnostik. Pathophysiologische Bezüge und praktische Erfahrungen. Dtsch Med Wochenschr 2001; 126: 15–23. 3. American Gastroenterological Association (AGA): American Gastroenterological Association medical position statement: Guidelines for the evaluation and management of chronic diarrhea. Gastroenterology 1999; 116: 1461–1463. 4. Powell DW: Approach to the patient with diarrhea. In: Yamada T et al. (Eds.) Textbook of Gastroenterology, Vol. 1. Philadelphia, etc.: Lippincott Williams & Wilkins 2003; 844–94. 5. Camilleri M: Chronic diarrhea: a review on pathophysiology and management for the clinical gastroenterologist. Clin Gastroenterol Hepatol 2004; 2: 198–206. 6. Nothdurft HD: Infektiöse Diarrhö. Wann Diagnostik? Wann Therapie? Dtsch Med Wochenschr 2004; 129: 107–110.
DoXli meint:
Wenn dir das Leben in den Arsch tritt, nutze den Schwung, um vorwärts zu kommen.
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