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4 • 2018
Medizin im Fokus
Wieso Mehrsprachige Demenzsymptome besser kompensieren
Hochauflösende MRT-Bilder von einund mehrsprachigen Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) oder Alzheimer-Erkrankung zeigen deutliche Unterschiede in der Dicke und Dichte spezifischer Hirnregionen. Offenbar sind Menschen, die mehrere Sprachen sprechen, hinsichtlich ihrer kognitiven Reserve eindeutig im Vorteil, wie eine neue kanadische Studie berichtet.
Wer mehr als eine Sprache spricht, vermehrt und stärkt die graue Substanz im Gehirn, sodass sich die typischen Symptome einer leichten kognitiven Beeinträchtigung oder einer Alzheimer-Krankheit erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahren bemerkbar machen. Dies berichten Wissenschaftler der kanadischen Concordia Universität, Mont-
real, in einer in «Neuropsychologia» veröffentlichten Arbeit. In die Studie wurden Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) sowie Alzheimer-Patienten aufgenommen. Untersucht wurden je 34 einsprachige und mehrsprachige MCI-Patienten sowie je 13 ein- und mehrsprachige Alzheimer-Patienten. Mithilfe hochauflösender MRTAufnahmen und besonderer Analysetechniken wurde bei allen Probanden die exakte kortikale Dicke und Dichte des Hirngewebes bestimmt. Dabei wurden überraschend deutliche Unterschiede festgestellt. Bei den Mehrsprachigen aus beiden Gruppen zeigte sich in Bereichen, die mit Sprache und kognitiver Kontrolle assoziiert sind, eine deutlich dickere Grosshirnrinde als bei den einsprachigen Patienten. Gleichzeitig war das Hirngewebe in den speziellen Arealen auch deutlich dichter. Zu-
dem konnte bei den mehrsprachigen Patienten-
gruppen eine Korrelation zwischen der kortikalen
Dicke in den sprachassoziierten Hirnarealen und
der Leistung bei episodischen Gedächtnisaufga-
ben nachgewiesen werden.
Diese Studienergebnisse belegen, dass das Spre-
chen von mehr als einer Sprache spezifische Hirn-
regionen trainiert, die Plastizität des Gehirns er-
höht und zum Aufbau einer kognitiven Reserve
beiträgt. Mehrsprachige Menschen sind dadurch
in der Lage, einen Alzheimer- beziehungsweise
demenzassoziierten Neuronenverlust zu kompen-
sieren, da sie alternative Netzwerke anderer Hirn-
regionen für die Verarbeitung von Gedächtnisleis-
tungen aktivieren können.
CR
Literatur: Duncan HD, Nikelski J, Pilon R et al.: Structural brain differences between monolingual and multilingual patients with mild cognitive impairment and Alzheimer disease: Evidence for cognitive reserve. Neuropsychologia 2018; 109: 270–282.
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Medizin im Fokus
4 • 2018
Menopause: Neuer Therapieansatz gegen Hitzewallungen
Ein neu entwickelter, in Prüfung befindlicher Neurokinin-B-Antagonist (MLE4901) erwies sich in einer kleinen Phase-II-Studie als hochwirksam in der Reduktion typischer menopausaler Beschwerden wie Hitzewallungen und Nachtschweiss.
Die zur grossen Gruppe der Neuropeptide gehörenden Neurokinine dienen entweder selbst als Botenstoffe oder wirken modulierend auf Neurotransmitterfunktionen im zentralen und peripheren Nervensystem. Zu den bisher bekannten Neurokininen gehören die Substanz P, die im Zusammenhang mit lokalen Entzündungen vasodilatierend wirkt und schmerzauslösende Effekte triggert, sowie Neurokinin A, das mit entzündlichen Atemwegserkrankungen in Verbindung gebracht wird, und Neurokinin B, das unter anderem durch Östrogen reguliert wird und als Auslöser der Pubertät angesehen wird. Ihre Wirkungen entfalten diese Substanzen über ihre jeweils spezifischen Rezeptoren: NK1 (Substanz P), NK2 (Neurokinin A) und NK3 (Neurokinin B).
Steigende Neurokinin-BKonzentrationen beinflussen die Thermoregulation Während der hohe Östrogenspiegel bis zu den Wechseljahren mit einer schwachen NeurokininB-Synthese einhergeht, führt der zunehmende Östrogenmangel in den Wechseljahren zu einem deutlichen Anstieg der Neurokinin-B-Ausschüttung. Die Neurokinin-B-produzierenden Nervenzellen im Hypothalamus besitzen offenbar eine Verbindung zu der benachbart liegenden Area praeoptika, die unter anderem für die Steuerung der Körpertemperatur verantwortlich ist. Eine hohe Neurokinin-B-Ausschüttung verschiebt den Sollwert des Temperaturreglers nach oben; in der Folge kommt es zu vermehrten Hitzewallungen und Nachtschweiss. Durch die antagonistische Blockade des NK3-Rezeptors lassen sich diese unerwünschten Effekte deutlich vermindern, wie eine kürzlich in «The Lancet» publizierte PhaseII-Studie ergab.
MLE4901 reduziert die vasomotori-
schen Symptome der Menopause
28 menopausale Frauen im Alter von 40 bis
62 Jahren, die täglich unter mindestens sieben
Hitzewallungen litten, wurden in die plazebokon-
trollierte, randomisierte, doppelblind geführte
Studie einbezogen. Sie erhielten in einem Cross-
over-Design über jeweils vier Wochen entweder
zweimal täglich Verum (40 mg oral) oder Plazebo.
Die Gesamtzahl der Hitzewallungen (primärer
Endpunkt) konnte durch den NK3-Antagonisten
signifikant um 73 Prozent (Plazebo: 28%) redu-
ziert werden, wobei die Behandlung gut vertragen
wurde.
Diese Ergebnisse müssten zwar zunächst durch
umfangreichere Studien bestätigt werden, so die
Studienautoren, dennoch sehen sie den Wirkstoff
MLE4901 bereits als nebenwirkungsarme und si-
chere Alternative zu einer Hormonersatztherapie,
um die unangenehmen vasomotorischen Sym-
ptome der Wechseljahre zu lindern.
CR
Literatur: Prague JK, Roberts RE, Comninos AN, Clarke S et al.: Neurokinin 3 receptor antagonism as a novel treatment for menopausal hot flushes: a phase 2, randomised, double-blind, placebo-controlled trial. Lancet 2017 April 3. doi: 10.1016/S0140-6736(17)30823-1.
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