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4 • 2016
Medizin im Fokus
Cave: Paracetamol in der Schwangerschaft könnte Autismus fördern
Bei Kopf- und Rückenschmerzen in der Schwangerschaft gilt das frei verkäufliche Paracetamol (Acetaminophen) häufig als Schmerzmittel der Wahl bei vielen werdenden Müttern. Bereits 2013 berichtete jedoch eine norwegische Studie (1), dass die häufige Einnahme dieses Analgetikums in der Schwangerschaft mit autistischen Symptomen beim Kind in Zusammenhang stehen könnte. Über vergleichbare Befunde berichtet jetzt eine neue spanische Studie vom Forschungszentrum CREAL in Barcelona.
Für die norwegische Studie wurden Daten von mehr als 48 000 norwegischen Kindern ausgewertet, deren Mütter zu ihrem Paracetamolverbrauch in der 17. und 30. Schwangerschaftswoche sowie 6 Monate nach der Entbindung befragt wurden. Mit Beginn des 3. Lebensjahres wurde die geistige Entwicklung der Kinder untersucht und mit den Daten zur Paracetamoleinnahme während der Schwangerschaft in Zusammenhang gebracht. Dabei zeigte sich, dass die Kinder von
Frauen, die während der Schwangerschaft an mindestens 28 Tagen Paracetamol eingenommen hatten, überdurchschnittlich häufig autismusähnliche Symptome wie Entwicklungs- und Verhaltensstörungen sowie schlechtere Kommunikations- und Sprachfähigkeiten aufwiesen als Kinder, deren Mütter sehr viel seltener oder gar kein Paracetamol verwendet hatten.
Kann Paracetamol die Hirnentwicklung beeinflussen? Die kürzlich publizierte spanische Geburtenkohortenstudie (2), für welche die Daten von 2644 Mutter-Kind-Paaren ausgewertet wurden, berichtet über vergleichbare Zusammenhänge. Für diese Untersuchung wurden die Mütter bis zum 8. Schwangerschaftsmonat zu ihrem Paracetamolverbrauch befragt und dementsprechend in drei Gruppen eingeteilt: nie, sporadisch und dauerhaft. Im weiteren Verlauf wurden 89 Prozent der Kinder im Alter von 1 Jahr und 80 Prozent als 5-Jährige auf Symptome von Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und auf Störungen aus dem Autismusspektrum unter-
sucht. Wie die Autoren berichten, zeigten 5-jäh-
rige Kinder von Müttern mit dauerhafter Parace-
tamoleinnahme ein deutlich höheres Risiko für
Hyperaktivität und Impulsivität als solche, die
dem Schmerzmittel im Mutterleib nicht ausge-
setzt worden waren. Jungen scheinen dabei deut-
lich sensibler auf die Paracetamolexposition zu
reagieren und zeigen entsprechend mehr autisti-
sche Symptome und Verhaltensauffälligkeiten.
Ob und auf welche Weise Paracetamol die neuro-
logische Entwicklung beeinflusst, ist bis heute
nicht geklärt. Ebenso wie die norwegischen Auto-
ren sehen jedoch auch die spanischen Wissen-
schaftler den weitverbreiteten Einsatz von Para-
cetamol in der Schwangerschaft inzwischen
kritisch. Weitere Studien, insbesondere zum Ein-
fluss des Schmerzmittels bei der Hirnentwicklung,
sind hier erforderlich.
CR
Literatur: 1. Brandlistuen RE, Ystrom E, Nulman I; Prenatal paracetamol exposure and child neurodevelopement: a sibling-controlled cohort study. Int J Epidemiol 2013; 42 (6): 1702–1713. 2. Avella-Garcia CB, Julvez J, Fortuny J et al.: Acetaminophen use in pregnancy and neurodevelopment: attention function and autism spectrum symptoms. Int J Epidemiol 2016; Jun 28. pii:dyw 115. [Epub ahead of print].
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