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Benigne Prostatahyperplasie
Behandlung in der Hausarztpraxis
Nr. 6/2008
Die benigne Prostatahyperplasie (BPH) führt zu einer Blasenauslassobstruktion und zu Symptomen des unteren Harntrakts. Bei einem Teil der Patienten kommt es zu einer Progredienz
der klinischen Symptomatik. Die medikamentöse Behandlung erfolgt mit Alphablockern, 5-alpha-Reduktasehemmern oder einer Kombination aus beiden Substanzen.
British Medical Journal
Die medikamentöse BPH-Behandlung verfolgt mehrere Ziele: Die unangenehmen Symptome des unteren Harntrakts (lower urinary tract symptoms, LUTS) sollen gelindert, die Lebensqualität verbessert und eine Progredienz der Erkrankung sowie Komplikationen mög-
lichst verhindert werden. Dabei muss der Nutzen der Pharmakotherapie gegen mögliche Nebenwirkungen der Behandlung abgewogen werden.
Kontrolliertes Zuwarten
Ist die Symptomatik mild, und gibt es keine Hinweise auf Komplikationen, können die Patienten lediglich beobachtet werden, schreiben Anand K. Patel und Christopher R. Chapple im «British Medical Journal». Es kann günstig sein, die Flüssigkeitszufuhr einzuschränken und koffein- und alkoholhaltige Getränke zu meiden. Auch sollte überprüft werden, welche Medikamente der Patient einnimmt (z.B. Diuretika). Entscheidet man sich für kontrolliertes Zuwarten, sollte dem Patienten geraten werden, bei Symptomverschlechterung den Arzt aufzusuchen, damit eine entsprechende Behandlung eingeleitet werden kann.
Alphablocker
Nach Aktivierung der Alpha-1-Adrenozeptoren kommt es zur Kontraktion der glatten Muskulatur in der Prostata. Hemmt man diese Rezeptoren, entspannt sich die Muskulatur am Blasenauslasstrakt, der Auslasswiderstand lässt nach, und die Symptome bessern sich. Alphablocker (Alfuzosin, Doxazosin, Terazosin und Tamsulosin) sind die Firstline-Therapie bei BPH. Sie wirken schnell – meist innerhalb von 48 Stunden –, und der Patient nimmt die Besserung unmittelbar wahr. Etwa 70 Prozent der Männer sprechen auf Alphablocker an. Nonresponder können rasch identifiziert und einer anderen Therapie zugeführt werden. Im Gegensatz zu den 5-alpha-Reduktasehemmern beeinflussen Alphablocker das Prostatavolumen nicht, sie können die Progredienz der Erkrankung demnach nicht aufhalten. Obwohl alle Alphablocker ähnlich wirksam sind, unterscheiden sie sich bezüglich ihrer Nebenwirkungen. Zu den unerwünschten Wirkungen zählen Kopfschmerzen, Schwindel, orthostatische Hypotonie, Schwäche, Somnolenz und Ejakulationsstörungen. Bei älteren, nicht jedoch bei jüngeren Männern bestimmen die kardiovaskulären Nebenwirkungen die Wahl des Medikaments.
Alfuzosin Offene Studien mit Alfuzosin haben ergeben, dass Patienten mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen und diejenigen, die andere Medikamente einnehmen, unter der Alfuzosinmedikation ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Nebenwirkungen haben. Das gilt auch für Patienten über 74 Jahre. Doch weisen Retardpräparate weniger altersassoziierte Nebenwirkungen auf, auch gehen sie bei Hypertonikern nur mit einem gering erhöhten Risiko kardiovaskulärer Nebenwirkungen einher. Das Nebenwirkungsprofil hängt also von der Formulierung ab, was bei der Verschreibung des Medikaments bedacht werden sollte.
Doxazosin Wenn Patienten mit einer bekannten oder behandelten Hypertonie mit Doxazosin
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behandelt werden, kommt es vermehrt zu kardiovaskulären Nebenwirkungen. Dies haben vier Studien gezeigt.
Terazosin Unter Terazosin kam es häufiger zu einer Blutdrucksenkung als unter Plazebo, doch unterschieden sich die kardiovaskulären Nebenwirkungen in der Subgruppe der Hypertoniker und der Nichthypertoniker nicht signifikant.
Tamsulosin Durch Studien wurde bestätigt, dass Tamsulosin gut verträglich ist und dass sich sein Nebenwirkungsprofil bei älteren Patienten und Hypertonikern nicht signifikant von demjenigen von Plazebo unterscheidet. In drei Studien wurde die gleichzeitige Gabe von Tamsulosin und blutdrucksenkenden Medikamenten (Nifedipin, Enalapril, Atenolol) untersucht. Es wurde keine Änderung der Pharmakodynamik festgestellt, und die Dosis der Antihypertensiva musste nicht angepasst werden. Wenn Patienten mit einem Alphablocker behandelt werden und zusätzlich einen Phosphodiesterase-5-Inhibitor einnehmen (Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil), kommt es meist zu einem Blutdruckabfall. Unter Tamsulosin ist dieser Effekt jedoch minimal.
Dosierungen Folgende Dosierungen werden empfohlen: • Alfuzosin: 2,5 mg dreimal täglich oder
10 mg einmal täglich (in entsprechender Formulierung) • Doxazosin: 1 bis 8 mg einmal täglich (übliche Erhaltungsdosis: 2 bis 4 mg einmal täglich) • Tamsulosin: 0,4 mg einmal täglich (gleiche Dosis bei Retardpräparaten) • Terazosin: 1 bis 10 mg einmal täglich (übliche Erhaltungsdosis 5 bis 10 mg einmal täglich). Dieses Medikament muss bis zur therapeutischen Dosis titriert werden, um eine Hypotonie zu vermeiden. Deswegen tritt die Wirkung
Tipps für den Hausarzt
• Überweisen Sie alle Patienten mit BPH-Komplikationen wie Hämaturie, Harnverhalt, rezidivierenden Harnwegsinfekten und Nierenfunktionsstörung zum Spezialisten.
• Alle Alphablocker sind ähnlich wirksam, doch hängen ihre Verträglichkeit und die möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen von der verabreichten Formulierung ab.
• Informieren Sie Ihre Patienten darüber, dass es bei 5-alpha-Reduktasehemmern etwa sechs Monate dauert, bis sich die Symptome bessern.
• 5-alpha-Reduktasehemmer reduzieren die PSASerum-Spiegel (prostataspezifisches Antigen) um etwa 50 Prozent.
später ein als bei Alphablockern, die gleich in therapeutischer Dosierung verabreicht werden können.
Empfehlungen Alphablocker eignen sich für Patienten mit mässig bis schwer ausgeprägten Symptomen des unteren Harntrakts und einem niedrigen bis mittleren Risiko für eine Progredienz der Erkrankung. Tamsulosin und ein Alfuzosinretardpräparat in täglicher Einmaldosierung weisen das geringste Risiko für kardiovaskuläre Nebenwirkungen auf und eignen sich für ältere und Hochrisikopatienten. Die übrigen Alphablocker sind für jüngere Patienten sowie für Patienten geeignet, bei denen kardiovaskuläre Nebenwirkungen unwahrscheinlich sind.
5-alpha-Reduktasehemmer
Testosteron wird in den Prostatazellen
durch das Enzym 5-alpha-Reduktase in
Dihydrotestosteron
umgewandelt.
Dihydrotestosteron induziert die Entwick-
lung einer BPH. 5-alpha-Reduktasehem-
mer drosseln die Bildung von
Dihydrotestosteron und damit die Prosta-
tahyperplasie.
Es stehen zwei 5-alpha-Reduktasehem-
mer zur Verfügung: Finasterid und Du-
tasterid. Sie sind vor allem bei Patienten
hilfreich, die Risikofaktoren für eine
Krankheitsprogredienz aufweisen (Alter
> 70 Jahre, mässig bis schwer ausgeprägte Symptome des unteren Harntrakts, Prostatavolumen > 30 ml, PSASpiegel > 1,4 ng/ml, Restharn > 100 ml etc.). Weil das Prostatavolumen unter der Behandlung mit einem 5-alpha-Reduktasehemmer abnimmt, sinkt auch das Risiko. Doch nimmt das Prostatavolumen nur langsam ab, und die Symptomatik bessert sich in den ersten sechs Monaten oft nicht. Zu den möglichen Nebenwirkungen der 5-alpha-Reduktasehemmer zählen erektile Dysfunktion, Minderung der Libido, Ejakulationsstörungen, Gynäkomastie und Berührungsempfindlichkeit der Brust.
Finasterid Eine systematische Auswertung von 19 randomisierten, plazebokontrollierten Studien ergab, dass sich unter einer Finasteridbehandlung die Symptomscores und der Harnfluss bessern und das Prostatavolumen um 25 Prozent abnimmt.
Dutasterid Zwei randomisierte Multizenterstudien ergaben, dass Dutasterid die Symptomscores und den Harnfluss bessert und das Prostatavolumen um 26 Prozent zurückgeht. Darüber hinaus nahm das relative Risiko einer akuten Harnretention um 57 Prozent ab, und eine operative Behandlung der BPH musste seltener durchgeführt werden. In einer grossen Multizenterstudie wurden die beiden 5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid und Dutasterid miteinander verglichen. Es wurden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Sicherheitsprofil, Abnahme des Prostatavolumens, Symptomscore und maximaler Harnflussrate beobachtet. Die beiden Substanzen scheinen sich demnach nicht wesentlich voneinander zu unterscheiden.
Dosierungen Folgende Dosierungen werden empfohlen: • Finasterid: 5 mg einmal täglich
• Dutasterid: 0,5 mg einmal täglich. Empfehlungen 5-alpha-Reduktasehemmer eignen sich für Patienten mit mässig bis schwer ausgeprägten Symptomen des unteren Harntrakts mit offensichtlich vergrösserter Prostata oder PSA-Konzentrationen, die 1,4 µg/l übersteigen. Finasterid und Dutasterid sind ähnlich wirksam und weisen ein vergleichbares Nebenwirkungsprofil auf. Der Patient muss darüber informiert werden, dass die Behandlung langfristig erfolgen muss, und dass eine Besserung der Symptome voraussichtlich erst nach sechs Monaten eintritt.
Kombinationstherapie
In der MTOPS-Studie (Medical therapy of
prostatic symptoms) wurde untersucht,
wie sich eine Therapie mit Finasterid, Do-
xazosin, einer Kombination aus Finaste-
rid plus Doxazosin oder Plazebo auf die
langfristige Krankheitsprogression aus-
wirkt. Dabei konnte erstmals gezeigt wer-
den, dass eine Kombinationstherapie, die
länger als ein Jahr verabreicht wurde, die
Krankheitsprogression effektiver verhin-
dern kann als eine Monotherapie. Dies
deutet darauf hin, dass bei Patienten mit
hohem Risiko einer Krankheitsprogressi-
on, die auch entsprechende Symptome
aufweisen, eine Kombinationstherapie
eingeleitet werden sollte. Derzeit stehen
allerdings lediglich die Daten der MTOPS-
Studie zur Verfügung.
N
Andrea Wülker
Quelle: Anand K. Patel (Urology Research, Royal Hallamshire Hospital, Sheffield) et al.: Benign prostatic hyperplasia: treatment in primary care. British Medical Journal 2006; 333: 535–539 (9. September 2006).
Interessenkonflikte: Einer der beiden Autoren war als Berater für verschiedene Pharmafirmen tätig beziehungsweise hat von diesen Forschungsgelder erhalten.
Zahl der Neuralrohrdefekte nimmt nicht ab
In der Schweiz erwarten jedes Jahr mindestens 20 Frauen ein Kind mit Fehlbildungen des Rückenmarks. Die Zahl ging laut einer Studie in den letzten Jahren jedoch nicht zurück.
Forscher um Eugen Boltshauser vom Kinderspital Zürich haben die in den Kinderspitälern erhobenen Daten der Neuralrohrdefekte für die Schweiz in den Jahren 2001 bis 2007 ausgewertet. Insgesamt erfassten sie in der kürzlich im Fachmagazin «Swiss Medical Weekly» erschienenen Studie 140 Neugeborene und Föten mit einer solchen Missbildung. Im Durchschnitt meldeten die pädiatrischen Zentren jedes Jahr etwa 10 Neugeborene mit einem Neuralrohrdefekt, etwa gleich viele Föten wurden abgetrieben. Allerdings wurden nicht alle abgetriebenen Fälle erfasst.
Folsäure könnte helfen
Weshalb Neuralrohrdefekte auftreten, ist unklar. Unbestritten ist nur, dass Folsäure notwendig ist, damit sich das Neuralrohr vollständig verschliesst. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfiehlt denn auch bereits seit 1996, dass Frauen im gebärfähigen Alter täglich Folsäure als Prophylaxe einnehmen sollen. Studien zeigten, dass sich die Zahl der Missbildungen so um 40 bis 80 Prozent vermindern liesse. Erschwert wird dieses an sich einfache Rezept dadurch, dass Folsäure bereits vor der Schwangerschaft eingenommen werden muss. Die wenigsten Frauen wissen allerdings, wann genau sie schwanger werden. Ausserdem ist laut Schätzungen rund die Hälfte der Schwangerschaften in der Schweiz ungeplant. Aus diesem Grund nehmen viele Frauen Folsäure nicht oder zu spät ein.
Zu diesem Schluss kommt auch die Studie der Zürcher Forscher. Empfehlungen nützten zu wenig, schreiben sie. Wirksame Prävention sei nur möglich, wenn ein Grundnahrungsmittel mit Folsäure angereichert werde. Dass dies funktioniert, zeigten Studien aus den USA und Kanada, wo die Lebensmittelanreicherung bereits praktiziert wird.
BAG gegen Anreicherung
Folsäure könnte zum Beispiel dem Mehl beigefügt werden. Eine von der Eidgenössischen Ernährungskommission eingesetzte Arbeitsgruppe kam 2002 zum Schluss, dass eine solche Anreicherung sinnvoll wäre und bloss 2 Rappen pro Person und Jahr kosten würde. Das BAG liess daraufhin ein Rechtsgutachten erstellen. Das Gutachten habe gezeigt, dass die Umsetzung eine kaum machbare Ver-
fassungsänderung bedingen würde,
meint Esther Camenzind von der Abtei-
lung Lebensmittelsicherheit des BAG.
Zudem sei aufgrund neuerer wissen-
schaftlicher Erkenntnisse nicht ausge-
schlossen, dass Folsäure bei Langzeitan-
wendung in höheren Dosen auch nega-
tive Effekte haben könnte. Das BAG sieht
deshalb momentan davon ab, die gene-
relle Anreicherung eines Grundnah-
rungsmittels zu empfehlen. Untätig
bleibt es aber nicht: Die Informations-
bemühungen würden verstärkt, sagt
Camenzind. Unter anderem gebe es
Ende dieses Jahres eine neue Broschüre
für Frauenärzte und Apotheken sowie
einen Flyer für Frauen.
N
Quelle: tellmed