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KONGRESSBERICHT EADV 2024
Psoriasis
KI wird die Versorgungsrealität drastisch verändern
Künstliche Intelligenz (KI) wird die Versorgung der Psoriasis grundsätzlich verändern und besonders die Diagnose erleichtern. Trotz zahlreicher Behandlungsoptionen gibt es immer noch neue Therapiemöglichkeiten, die derzeit in der Entwicklung sind.
Das Management der Psoriasis wird sich durch die Integration von KI dramatisch verändern. Besonders KI-gestützte Diagnosetools bieten wertvolle Unterstützung bei der Früherkennung von Psoriasis, so die Ansicht von Prof. Alexander Navarini vom Universitätsspital Basel im Rahmen des Symposiums des International Psoriasis Council (IPC) beim EADV 2024 (1). Derzeit werden von Patienten und Ärzten rund 10 Milliarden Suchanfragen zu Haut, Haaren und Nägeln in Google durchgeführt. Ursprünglich war geplant, Google Lens zu einem umfassenden Derm-Assistenten mit Anamnese-Funktionen auszubauen, was jedoch aufgrund fehlender Zustimmung der amerikanischen Zulassungsbehörden nicht umgesetzt wurde. Daher bietet Google Lens derzeit lediglich eine Bildsuche an, die visuelle Übereinstimmungen anzeigt. Auch ChatGPT-4 erlaubt eine Bildklassifizierung. Schon heute ist die KI bei der Diagnose der Psoriasis beeindruckend gut. Ein Vergleich zwischen den beiden Systemen anhand von 200 Psoriasis-Bildern erbrachte, dass GPT-4 in 190 Fällen eine korrekte Diagnose stellte, während Google Lens immerhin bei 168 Fällen richtig lag (2). Besonders bei Plaque-Psoriasis funktioniert die KI-gestützte Diagnostik gut, da hier sehr viel Bildmaterial vorliegt.
Modelle des maschinellen Lernens, die mithilfe von umfangreichen Bilddatenbanken trainiert wurden, ermöglichen die präzise Differenzierung verschiedener Hauterkrankungen. In mehreren Studien zeigten Convolutional Neural Networks (CNN) eine diagnostische Genauigkeit der Plaque-Psoriasis, die mit der von Dermatologen konkurriert. Eine chinesische Untersuchung ergab unter anderem eine Fehldiagnosequote von 4% bei KI-basierten Ansätzen im Vergleich zu 10% bei Dermatologen (3).
Zwei KI-Modelle, die auf der Dermatoskopie basieren, können mittlerweile Psoriasis von anderen erythrosquamösen Erkrankungen und Kopfhautpsoriasis von seborrhoischer Dermatitis unterscheiden; sie liefern damit Echtzeit-Diagnoseunterstützung. Dies reduziert Fehler und unterstützt besonders Nicht-Dermatologen, beispielsweise in Anwendungen der Teledermatologie. Eine Studie zeigte, dass die Unterstützung durch KI die korrekte Diagnoserate von Psoriasis bei Allgemeinärzten um 10% und bei Pflegepersonal um 12% steigern konnte (4).
Laut Prof. Navarini gibt es eine Kehrseite der Medaille dieser Systeme: Die Diagnosestellung häufiger Krankheitsbilder wie der Psoriasis könnte künftig weniger geschätzt werden.
KI-basierte Bewertung klinischer Scores Ein weiterer spannender Bereich ist die Nutzung von KI zur Bewertung klinischer Scores wie dem PASI (Psoriasis Area and Severity Index). Der Einsatz von Smartphones zur PASIErhebung verbessert nicht nur die Bewertungsergebnisse von Medizinstudenten, sondern selbst von Dermatologen und spart Zeit. Allerdings wurden diese Systeme bisher nur an hellhäutigen Patienten trainiert. Bei dunkleren Hauttypen schneidet die KI derzeit schlechter ab, was eine Nachschulung mit pigmentreichen Bilddaten erforderlich macht. Laut Prof. Navarini wird die Integration klinischer Scores künftig zu den nützlichsten KI-Anwendungen in der Dermatologie zählen. Mit den zahlreichen therapeutischen Optionen, die es mittlerweile in der Psoriasis gibt, könnte zudem künftig ein diagnostisches System mit eingebetteten Therapieempfehlungen, basierend auf Multi-Kriterien-Entscheidungsmethoden (MCDM), die Behandlung der verschiedenen Psoriasis-Varianten optimieren.
Grosse Arbeitserleichterung: Die KI-gestützte Dokumentation Grosse Sprachmodelle (LLM) wie Llama 3.1 könnten die Dokumentation in Praxen und Kliniken revolutionieren. Prof. Navarini prognostizierte, dass Audio-LLM-Kombinationen den Alltag von Ärzten ähnlich stark verändern werden wie die Einführung der elektronischen Patientenakte. Diese Technologien bieten erhebliche Zeit- und Kostenersparnisse sowie Vorteile bei der Qualitätskontrolle.
Es gibt also praktisch keinen Bereich beim Management der Psoriasis, der nicht von der KI beeinflusst wird: Dies reicht von der Diagnostik über die Behandlungsplanung bis hin zur Dokumentation im ambulanten und stationären Bereich. Die Integration dieser Technologien verspricht nach Ansicht von Prof. Navarini eine effiziente und qualitativ hochwertige Patientenversorgung.
10 dermatologie & ästhetische medizin 1 | 2025
KONGRESSBERICHT EADV 2024
Imsidolimab: Neuer Hoffnungsträger bei generalisierter Psoriasis pustulosa Die generalisierte pustulöse Psoriasis (GPP) ist eine seltene, schwere systemische Entzündungserkrankung, die lebensbedrohlich sein kann. Schon seit Längerem ist bekannt, dass IL-36 eine zentrale Rolle bei der Pathogenese der GPP spielt. Im Rahmen des EADV stellte Prof. Adam Reich von der Medizinischen Hochschule Rzeszów in Polen die Ergebnisse der Phase-III-Studien GEMINI-1 und GEMINI-2 vor, in denen der IL-36-Rezeptor-Antikörper Imsidolimab zur Behandlung von GPP untersucht wurde (5). Hier zeigte sich, dass mehr als die Hälfte der Patienten mit nur einer Dosis Imsidolimab eine vollständige oder fast vollständige Abheilung der pustulösen Läsionen nach vier Wochen erreichte.
In GEMINI-1 wurden 45 erwachsene Teilnehmer mit einem moderaten bis schweren GPP-Schub randomisiert, um eine Einzeldosis intravenösen Imsidolimabs (750 mg oder 300 mg) oder Plazebo zu erhalten. Der primäre Endpunkt war ein GPPPGA-Score von 0/1 nach 4 Wochen, was eine vollständige oder fast vollständige Abheilung der Hautläsionen bezüglich Erythem, Pusteln und Schuppung nach Ansicht des Prüfarztes bedeutet. Teilnehmer, die in GEMINI-1 ein Ansprechen zeigten, hatten die Möglichkeit, an der GEMINI-2-Studie teilzunehmen. Sie wurden hier erneut randomisiert, um eine Erhaltungsdosis von 200 mg subkutanem Imsidolimab alle 4 Wochen oder Plazebo zu erhalten, während Nonresponder nach vorheriger Placebo-Behandlung eine hohe Dosis intravenösen Imsidolimabs erhielten, gefolgt von der subkutanen Erhaltungsdosis.
Nach 4 Wochen erreichten signifikant mehr Teilnehmer den primären Endpunkt (GPPPGA 0/1) mit einer Einzeldosis von 750 mg Imsidolimab (53,4%) im Vergleich zu Plazebo (13,3%; p = 0,0131). Die Ansprechrate für 300 mg lag mit 53,3% in einem vergleichbaren Bereich. In der GEMINI-2-Studie, die die Schubprävention über mindestens 24 Wochen untersuchte, behielten alle Teilnehmer unter Imsidolimab einen GPPPGAScore von 0/1 ohne Schübe bei. Im Plazebo-Arm erreichten nur 25% einen anhaltenden GPPPGA 0/1-Score, während 62,5% einen Schub erlitten. Der Unterschied war, unabhängig von der initialen Dosierung vor der Erhaltungstherapie, statistisch signifikant (750 mg intravenös/200 mg subkutan vs. Plazebo p = 0 ,0145; 300 mg intravenös/200 mg subkutan p = 0,0121).
«Hinsichtlich der Sicherheit und Verträglichkeit waren behandlungsbedingte Nebenwirkungen in beiden Gruppen ähnlich», erklärte Prof. Reich. Es gab keine schwerwiegenden Nebenwirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führten, und die Inzidenz von Infektionen war gering. «Imsidolimab stellt eine vielversprechende neue Option zur Behandlung der Psoriasis pustulosa dar», so das Fazit von Prof. Reich.
TYK2-Hemmer: schnelle Besserung von Arthritis und Hautveränderungen Trotz eines bereits beeindruckenden Armentariums zur Behandlung der Psoriasis und Psoriasisarthritis befinden sich weitere neue Substanzen wie zum Beispiel der hochselektive
TYK2-Hemmer Zasocitinib in Entwicklung. Beim EADV-Kongress wurde eine Studie vorgestellt, in der 290 Patienten mit aktiver Psoriasisarthritis 12 Wochen lang mit 30 mg Zasocitinib behandelt wurden. Bereits nach dieser kurzen Zeit gelang es einem Drittel der Patienten, eine minimale Krankheitsaktivität zu erreichen (6). Auch Hautveränderungen besserten sich – so erreichten 45,7% der Patienten zu diesem Zeitpunkt ein PASI-75-Ansprechen (6).
Frühe Therapie scheint die Entwicklung von Komorbidität zu bremsen Schon seit Längerem ist bekannt, dass Patienten mit Psoriasis und Psoriasisarthritis (PsA) ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufweisen. Das Verhältnis von Neutrophilen zu Lymphozyten (NLR) wurde als Biomarker für systemische Entzündungsreaktionen identifiziert: NLR≥2,5 ist mit einem erhöhten, NLR≥3,5 mit einem stark erhöhten kardiovaskulärem Risiko assoziiert (7). Eine gepoolte Analyse von vier PhaseIII-Studien an Patienten mit Plaque-Psoriasis und PsA untersuchte, wie sich die Therapie mit dem IL-23-Inhibitor Guselkumab auf diesen Risikofaktor auswirkt (8). Zu Studienbeginn wiesen 1061 Teilnehmer ein NLR-Verhältnis ≥ 2,5 auf, 42,6% von ihnen ein NLR ≥ 3. Bei Therapie mit dem IL-23-Inhibitor wurden schon nach vier Wochen signifikant stärkere NLR-Reduktionen beobachtet, die über den Behandlungszeitraum von zwei Jahren anhielten. Einem signifikant grösseren Anteil der mit dem IL-23-Inhibitor behandelte Patienten gelang es, NLR-Werte von < 2,5 zu erreichen – ein Wert, der nicht mehr mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden ist (8).
Susanne Kammerer
Quelle: Präsentationen beim Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 25.-28. September 2024 in Amsterdam (NL)
Referenzen: 1. Navarini A.: A new era of care: Artificial intelligence in psoriasis.
Abstract 7829, EADV 2024. 2. Praveenraj T et al Enhancing dermatological diagnosis with artificial
intelligence: a comparative study of ChatGPT-4 and Google Lens. Int J Dermatol. 2024;63(11):e369-e372. doi:10.1111/ijd.17392 3. Zhao S et al.: Smart identification of psoriasis by images using convolutional neural networks: a case study in China. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2020;34(3):518-524. doi:10.1111/jdv.15965 4. Jain A et al.: Development and Assessment of an Artificial IntelligenceBased Tool for Skin Condition Diagnosis by Primary Care Physicians and Nurse Practitioners in Teledermatology Practices. JAMA Netw Open. 2021;4(4):e217249. doi:10.1001/jamanetworkopen.2021.7249 5. Reich A: Imsidolimab potential future therapeutic avenue for generalised pustular psoriasis. Präsentation EPS06.05; EADV 2024. 6. Gottlieb AB: Zasocitinib (TAK-279), a highly selective oral tyrosine kinase 2 (TYK2) inhibitor, elicits early skin responses and minimal disease activity in patients with active psoriatic arthritis: results from a randomized phase 2b study. Abstract 3776, Präsentation FC05.02.; EADV 2024. 7. Adamstein NH, et al. Eur Heart J 2021;42:896-903. 8. Merola M: Longitudinal evaluation of neutrophil-to-lymphocyte ratio in guselkumab-treated patients with psoriatic disease and levels of systemic inflammation associated with elevated cardiovascular risk: post hoc analysis of 4 phase 3, randomized, controlled studies. Präsentation FC06.03.; EADV 2024.
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