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KONGRESSBERICHT SGDV/SSDV 2024
Kurznews vom SDGV
Dermatologische Forschung in der Schweiz
Das Leitthema des letztjährigen Jahreskongresses der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) in Basel lautete #ModernDermatology – mit dem Wunsch, die Schweizer Dermatologie weiterzuentwickeln. In vielen Beiträgen wurde deutlich, wie wichtig eine gute Kommunikation und Informationsvermittlung an die Patienten ist, aber auch, dass manchmal auch nichtdermatologische Aspekte beachtet werden sollen. Es gab aber auch tiefe Einblicke in zelluläre Zusammenhänge. Hier eine Auswahl interessanter Forschungsdaten, allesamt Made in Switzerland:
St. Gallen: Pilziges Mitbringsel vom Friseur Eine Infektion mit dem Fadenpilz Trichophyton tonsurans tritt bei Sportarten mit engem Körperkontakt auf, beispielsweise bei Ringern. Sie kann bei Menschen zu Dermatophytosen führen, bei denen die Haarschäfte an der Hautoberfläche abbrechen. Seit 2020 wurde vor allem bei Knaben und jungen Männern in Deutschland eine Zunahme von T.-tonsuransInfektionen respektive Tinea-capitis-Fällen beobachtet. Eine Gemeinsamkeit der Betroffenen war, dass sie regelmässig Herrenfriseure («Barber Shops») aufsuchten.
Auch in der Schweiz scheinen solche Infektionen in Zunahme begriffen. Ein Team aus Wissenschaftlern verschiedener Universitätsspitäler unter der Leitung von Prof. Antonio Cozzio vom Kantonsspital St. Gallen wollte die Frequenz und klinische Relevanz dieses Hautpilzes in der Schweiz evaluieren (1). Dabei wurde deutlich, dass zwischen 2019 und 2023 vor allem in den grossen Städten Basel, Zürich und Genf eine stetige Zunahme der Infektionen zu verzeichnen war. Vor allem in Basel stieg die Zahl der Tinea-capitis-Fälle von 0 (2019) auf 33 (2023) deutlich an. Die Daten würden zeigen, so die Autoren, dass Trichophyton tonsurans in der Schweiz auf dem Weg sei, ein verbreiteter Dermatophyt zu werden. Man solle in entsprechenden Barber Shops mehr «robuste» Desinfektionsmassnahmen durchführen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. (KD)
Zürich: Weniger Kortikosteroid-Ängste durch «Storytelling»-Videos Die atopische Dermatitis bei Kindern kann erfolgreich behandelt werden, wenn die Adhärenz über eine längere Zeit aufrechterhalten wird. Allerdings können die verbreiteten Befürchtungen gegenüber topischen Kortikosteroiden die Adhärenz der Eltern und damit den Behandlungserfolg negativ beeinflussen. Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von verschiedenen universitären Institutionen aus Zürich und Bern wollte nun untersuchen, ob aufklärende «Storytelling»-Videos diese Bedenken der Eltern ausräumen können (2). Dazu wurden sechs kurze Videofilme auf Basis anschaulicher Geschichten hergestellt, die aus einem Mix aus evidenzbasierten Fakten, wahren Patienten-Stories und mass-
geschneiderter Information aus einem nicht-klinischen Setting bestanden. Für die randomisierte Studie mit 40 Patienten (0 bis 5 Jahre) wurden den Eltern der Interventionsgruppe (n = 21) zu Beginn und zum Zeitpunkt T2 die Videos gezeigt, der Kontrollgruppe (n = 19) hingegen nicht. Dabei zeigten sich in der Interventionsgruppe gegenüber der Kontrolle eine signifikante Reduktion der TCS-Ängste (p > 0,001). Dieser Effekt hielt bis nach Ende der Studie an. Eine mögliche Erklärung, so die Wissenschaftler, sei der hohe Grad an Identifikation mit den in den Videos gezeigten Familien sowie die persönliche Relevanz der präsentierten Informationen. (KD)
Schweiz: Angst- und Depression bei Psoriasispatienten Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Erwachsene mit Psoriasis ein dreifach erhöhtes Risiko für Angst- und depressive Störungen. Trotzdem sind solche Zustände häufig unterdiagnostiziert und bleiben eine Herausforderung. Wissenschaftler aus Zürich, St.Gallen, Bern, Lausanne, Genf und Basel wollten daher die klinischen Diagnosen von Psoriasispatienten mit der Prävalenz solcher Störungen vergleichen (3). Dazu wurden «Real-life»-Daten des Schweizerischen Psoriasis Registers (SDNTT) aus den Jahren 2017 bis April 2024 ausgewertet. Die Wissenschaftler beurteilten die Teilnehmer anhand der «Hospital Anxiety and Depression Scale» (HADS), bei der mittels Selbstbeurteilung die Ausprägung ängstlicher und depressiver Symptomatik während der vergangenen Woche erfasst wird. Von den 436 Patienten wiesen 6% klinisch diagnostizierte Angstzustände oder Depressionen auf. 63% zeigten mögliche und 44% wahrscheinliche Angstzustände oder Depressionen. 92% dieser Störungen waren klinisch nicht diagnostiziert. Die psychischen Symptome waren mit höheren PASI, PsA-Schmerzen, Juckreiz, Wunden, stechenden Schmerzen, jüngerem Alter, Rauchen, Scheidungen, Arbeitslosigkeit und Benzodiazepin-Behandlungen assoziiert.
Nach 12-monatiger systemischer Psoriasis-Therapie erreichten 80 Prozent eine Reduktion ihrer psychischen Beschwerden. Diese Reduktion war stärker bei Patienten mit Biologika-Therapien im Vergleich zu konventionellen systemischen Behandlungen ausgeprägt (p < 0,004). Die signifikante
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KONGRESSBERICHT SGDV/SSDV 2024
Unterdiagnose von Angstzuständen und Depression bei Psoriasis-Patienten erfordere ein psychologisches ScreeningTraining für Dermatologen und Dermatologinnen, so der Rat der Autoren. (KD)
Genf: Häufig Sonnenbrände bei jungen Erwachsenen Nach jahrelangen Aufklärungsmassnahmen sollte mittlerweile eigentlich bekannt sein, dass eine starke Sonnenexposition ohne entsprechenden Sonnenschutz zu erheblichen Hautschäden führen kann. Immerhin hat die Schweiz im Verhältnis zur Einwohnerzahl nach Neuseeland und Australien mit 2484 Fällen (2018) die dritthöchste Melanomrate weltweit (Quelle: Statista). Am SGDV wurde eine Studie aus Genf vorgestellt, in der untersucht werden sollte, inwieweit sich Jugendliche und junge Erwachsene (15–25 Jahre) aus der Westschweiz der Sonnenstrahlung aussetzen und welche Schutzmassnahmen getroffen werden (4). Dazu platzierten die Forscher einen Fragebogen in den sozialen Medien, den 517 Personen beantworteten.
Tatsächlich gaben 61,7% der Befragten an, sich häufig oder sehr häufig der Sonne auszusetzen. 78% von ihnen nutzten eine Sonnencreme und 50% Sonnenschirme oder schattige Plätze. Trotz dieser Massnahmen hatten 70,5% mindestens einen Sonnenbrand pro Jahr, 37,5% litten sogar an wiederholten Bränden. Für das Auftreten der Sonnenbrände konnten keine Unterschiede hinsichtlich Altersgruppen, Geschlecht oder Bildungslevel festgestellt werden. Der Gebrauch von Sonnenschutzmitteln verhinderte in keiner Subgruppe den Sonnenbrand, so die Autoren. Man solle daher noch mehr dazu ermutigen, neben Sonnenschutzcremes auch andere protektive Massnahmen zu nutzen. (KD)
die unterschiedlichen Antigene nicht mit dem Therapieansprechen assoziiert. Stattdessen erwies sich die Breite der CD8+ T-Zell-Aktivität als potenzieller Indikator für das Ergebnis der ICI-Therapie. Responder zeigten im Vergleich zu NonRespondern eine Aktivierung gegen doppelt so viele Antigene. Darüber hinaus konnte in In-vitro-Studien nachgewiesen werden, dass gegen die Tumorantigene gp-100, MART-1 und MAGE-A3 gerichtete ImmTAC-Medikamente («immune-mobilising monoclonal TCR against cancer») die Eliminierung von Melanozyten durch einkernige Abwehrzellen (PBMC, z.B. Lymphozyten) verstärkten.
Dieses Ergebnis unterstreiche die Bedeutung einer breiten Immunantwort der T-Zellen; sie sei ein wichtiger Mechanismus für den Therapieerfolg bei Melanompatienten, die mit Immun-Checkpoint-Inhibitoren behandelt werden, so die Autoren um Cheyenne Christin Collins vom Kantonsspital St. Gallen. (KD)
Quelle: Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV/SSDV), 18.–20. September 2024 in Basel
Referenzen: 1. Pelzer C et al.: BarbershopTinea – when the undercut leaves you with an
extra souvenir. SGDV/SSDV 2024, Poster Nr.15994. 2. Brunner C et al.: Effective educational videos with the method of
storytelling for reducing topical corticosteroid fear in parents of childre with atopic dermatitis. SGDV/SSDV 2024, Poster Nr.15890 3. Schön V et al.: Comorbid mental disorders in psoriasis patients and the effect of systemic therapy for psoriasis: a real-world nationwide cohort study of the Swiss psoriasis registry (SDNTT). SGDV/SSDV 2024, Poster Nr. 15864. 4. Friedli A: Sun exposure and adherence to sun protection in adolescents and young adults in western Switzerland: An online cross sectional study SGDV/SSDV 2024, Poster Nr. 15448. 5. Collins C et al.: Breadth of CD8+ T-cell response in patients with melanoma – predictive marker, functional relevance and novel therapeutic perspectives. SGDV/SSDV 2024, Poster Nr. 15872.
St. Gallen: Breite Immunantwort der T-Zellen verbessert die Melanom-Therapie Immun-Checkpoint-Inhibitoren (ICI) haben in jüngerer Zeit die Behandlung und das Überleben von Patienten mit Melanomen signifikant verbessert. Die Rolle der von den T-Zellen erkannten Antigene bleibt jedoch schwer fassbar. Eine Gruppe von Wissenschaftlern aus St. Gallen und Tübingen (D) hat sich deshalb der Rolle von bestimmten T-Zellen und ihrer gegen Tumor-spezifischen (TSA) und Tumor-assoziierten Antigene (TAA) bei ICI-behandelten Patienten mit fortgeschrittenem Melanom angenommen (5).
Es zeigte sich bei den Betroffenen eine deutliche Immunreaktion. Allerdings war die Stärke der T-Zell-Antwort gegen
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