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KONGRESSBERICHT FOBI 2024
Immunmodulation bei Vitiligo
Topischer JAK-Hemmer lässt weisse Flecken verschwinden
Waren die Behandlungsstrategien bei Vitiligo in der Vergangenheit nur wenig erfolgreich, kristallisiert sich mittlerweile die Ruxolitinib-Creme als wirksam und sicher heraus – auch in der Langzeitanwendung. Nach zwei Jahren Behandlung lässt der topische JAK-Hemmer die weissen Flecken weiterhin verschwinden – selbst, wenn die Therapie unterbrochen wird. Real-World-Daten haben auch keine Hinweise auf schwerwiegende Nebenwirkungen erbracht.
Der Fortschritt macht auch vor der Vitiligo nicht halt: Mittlerweile wird die Weissflecken-Krankheit nicht mehr als harmloses, kosmetisches Problem eingestuft, sondern als behandlungsbedürftige Autoimmunerkrankung.
Disposition zu weiteren Autoimmunerkrankungen Die Veranlagung zur Vitiligo wird polygen vererbt. Und auch die genetische Disposition für andere Autoimmunerkrankungen findet sich bei 20–30% der Vitiligo-Patienten, wie PD Dr. Anke Hartman aus Erlangen (D) auf der diesjährigen dermatologischen Fortbildungswoche (FOBI) in München (D) erläuterte. Am häufigsten sind eine Autoimmunthyreoiditis, Diabetes mellitus und eine Autoimmun-Gastritis mit der Vitiligo assoziiert. Und je mehr Körperoberfläche betroffen ist, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, eine weitere Autoimmunerkrankung zu entwickeln.
Vitiligo fängt früh an Es sind nicht wenige Patienten von der Pigmentstörung betroffen. Allerdings schwanken die Prävalenzzahlen von 0,14–8,8%. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen. Bei den meisten treten die ersten weissen Stellen zwischen dem 10. und 30. Lebensjahr auf, doch Vitiligo kann in jedem Lebensalter beginnen, und auch schon Säuglinge können bereits die depigmentierten Stellen entwickeln. Beginnt die Erkrankung im Erwachsenenalter, sind meist zuerst die Hände betroffen, bei den Kindern geht es dagegen eher im Gesicht los. Dabei trifft es Kinder besonders hart: Bei Erkrankungsbeginn vor dem dritten Lebensjahr ist mit einer höheren Progression zu rechnen. Und Vitiligo-Kinder in der Altersgruppe ab zwölf Jahren haben zudem häufiger mit atopischer Dermatitis zu kämpfen als ihre Altersgenossen.
Köbner-Phänomen auch bei Vitiligo Bei den Kindern lässt sich auch am ehesten nachvollziehen, dass bei der Entstehung der depigmentierten Stellen ein Köbner-Phänomen beteiligt ist: Die Haut verliert ihre Farbe beispielsweise nach Verletzungen wie aufgeschlagenen Knien oder nach einem Sonnenbrand. Aber auch andere Triggerfaktoren führen dazu, dass sich Hautstellen entfärben:
• physisch (OP, Infektion, Verletzung) • psychisch (z.B. Burn-out) • Entzündungen (z.B. Sonnenrand) • chemisch (Quinone, Retionole, Catechole, Peroxide, Phenole) • endokrin (Schwangerschaft). Häufig fragen Patienten, ob an den depigmentierten Stellen nicht auch ein grösseres Risiko für Hautkrebs besteht. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass das Gegenteil der Fall ist: Vitiligo-Patienten haben ein um das Dreifache erniedrigtes Risiko für maligne Melanome oder nichtmelanozytären Hautkrebs.
Differenzialdiagnosen – Wood-Licht hilft weiter Obwohl die Vitiligo weitgehend eine Blickdiagnose ist, gibt es dennoch einige Differenzialdiagnosen, die von postinflammatorischen Hypopigmentierungen über Pityriasis versicolor, Naevus depigmentosus oder Halo-Nävi, bis zum Piebaldismus reichen. Hier kann als einfaches Diagnostikum eine Woodlampe zum Einsatz kommen. Im Schein des langwelligem UV-A-Lichts (340 bis 365 nm) fluoreszieren nicht nur der Pilz Malassezia furfur bei Pityriasis versicolor, sondern auch die Metabolite, die beim Zerfall von Melanozyten entstehen, also bei der Vitiligo. Bei einem angeborenen Naevus depigmentosus zerfällt nichts, also ist auch keine Fluoreszenz zu sehen. Auch zur Therapiekontrolle oder im Winter, wenn der Kontrast zur normal pigmentierten Haut gering ist, kann das Woodlicht helfen Vitiligo-Areale zu erkennen. Allerdings hilft das Woodlicht nicht weiter, wenn es sich bei dem weissen Fleck um eine melanomassoziierte Hypopigmentierung handelt. Denn durch die Therapie bei Melanomen zerfallen ebenfalls Melanozyten, was manchmal in einer Hypopigmentierung endet – und daher ebenso wie die Vitiligo im Woodlicht fluoresziert. Daher käme Hartmann zufolge auch die falsche Schlussfolgerung, dass Vitiligo mit malignem Melanom assoziiert sei.
Vitiligo belastet mehr als Psoriasis Auch wenn die Erkrankung in der Regel nicht schmerze oder jucke, litten Patienten mit Vitiligo psychisch erheblich unter der Stigmatisation, und zwar stärker als Patienten mit Psoriasis oder Alopecia areata, betonte Dr. Hartmann. Nach einer Untersuchung in der eigenen Klinik konnte Hartmann die Patienten-
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gruppe bestimmen, die die grösste psychische Krankheitslast zu tragen hat: Frauen mit grosser betroffener Hautfläche, frühem Erkrankungsbeginn und langer Erkrankungsdauer.
Bisherige Therapieoptionen: langwierig und oft frustran Nicht zuletzt aufgrund des hohen Leidensdrucks wird schon länger versucht, die weissen Flecke zum Verschwinden zu bringen. Kosmetische Verfahren wie Camouflage oder Selbstbräuner sind aufwendig, müssen häufig wiederholt werden und sind meist nur auf kleinen Flächen anwendbar. Die Behandlungsmöglichkeiten für eine dauerhafte Repigmentierung waren bisher sehr eingeschränkt. Zwar konnte nachgewiesen werden, dass durch Bestrahlung mit UV-B-Licht, Eximer-Laser oder durch Calcineurininhibitoren eine gewisse Repigmentierung zu erzielen ist, doch erfordern die jahrelangen wiederholten Behandlungen viel Ausdauer von Arzt und Patient – was nur in den seltensten Fällen gegeben ist.
Der Pathogenese auf der Spur Hilfe kommt aus der Immunforschung. Denn die Wissenschaftler sind dabei auch der Pathogenese der Vitiligo auf die Spur gekommen. Wie Dr. Hartmann erläuterte, können bei bestehender genetischer Disposition äussere Einflüsse, z.B. oxidativer Stress, die Melanozyten so verändern, dass sie als fremd vom Immunsystem erkannt und bekämpft werden. Vor allem T-Lymphozyten vom Typ CD8+ sind an der Zerstörung der als fremd verkannten Melanozyten beteiligt. Unter anderem wird in diesen T-Zellen via Januskinasen der IFN-γSignalweg aktiviert, was in der Ausschüttung des Hauptzytokins IFN-γ resultiert.
JAK-Hemmung bremst Melanozytenzerfall Liesse sich die Aktivierung der JAK hemmen, könnten der Entzündungsprozess gebremst und die Melanozyten erhalten werden. Und das funktioniert auch mit dem JAK-Inhibitor Ruxolitinib. Als topisches Medikament ist Ruxolitinib (Opzelura®) in den USA und in der EU zur Behandlung von Patienten mit nichtsegmentaler Vitiligo zugelassen – für Prof. Dr. Alexander Zink aus München (D) geradezu ein Meilenstein in der Vitiligo-Therapie.*
Nach einem Jahr Erfolg bei jedem Zweiten Wie Prof. Zink berichtete, konnte in den Vehikel-kontrollierten Zulassungsstudien TRuE-V1 und 2 die Wirksamkeit bei jeweils 300 Vitiligo-Patienten mit Gesichtsbeteiligung belegt werden: Ruxolitinib-Creme (1,5%) zweimal täglich aufgetragen, führte in der 24. Studienwoche bei etwa 30% der Probanden zur deutlichen Repigmentierung – gemessen am F-VASI (Facial Vitiligo Area Scoring Index). Nach einem Jahr Anwendung hatte sogar rund die Hälfte der Behandelten eine 75%-ige Verbesserung (F-VASI75) im Vergleich zum Ausgangswert erreicht, so Prof. Zink.
* Seit Februar 2025 ist Opzelura® auch in der Schweiz zur Behandlung der nicht-segmentalen Vitiligo mit Beteiligung des Gesichts bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren, wenn nicht-therapeutische Massnahmen nicht ausreichen oder nicht gut vertragen werden, zugelassen.
Nach 2 Jahren: F-VASI90 bei fast 70% der Patienten Aber die Forschung geht weiter: So wurden Patienten aus der Zulassungsstudie mit Vitiligo im Gesicht ein weiteres Jahr lang behandelt. Wie Prof. Zink berichtete, wurde für die ExtensionStudie TruE-V LTE ein neues Design aufgelegt: 116 Patienten, die nach einem Jahr Ruxolitinib-Creme-Behandlung einen F-VASI90 (mehr als 90% Verbesserung im Vergleich zum Ausgangswert) im Gesicht erreicht hatten, wurden unterteilt in eine Gruppe, die weiter die JAK-Hemmer-Creme zweimal täglich auftrug und eine Gruppe, die eine wirkstofffreie Creme bekam. Ergebnis: Im Absetz-Arm hielten 39,3% der Patienten die mindestens 75%-ige Repigmentierung (F-VASI75) bei. Ein Rückfall (d.h. weniger als F-VASI75) zeigte sich bei 28,6% der Patienten in der Entzugsgruppe, wobei die Hälfte der Rückfälle innerhalb von vier Monaten auftrat (1).
Die fast vollständige Repigmentierung (≥ F-VASI90) blieb bei 21,4% der Patienten, die nur die Vehikel-Creme anwandten, und bei 61,8% derer, die die weiterhin Verum auftrugen, erhalten. Unter kontinuierlicher Weiterbehandlung mit Verum stieg auch der Anteil der Patienten, die in Woche 104 beim F-VASI auf über 75% kamen, auf 69%. Wendeten die Patienten mit Rückfall erneut die Ruxolitinib-Creme an, erreichten drei Viertel wieder mindestens F-VASI75. Bei den meisten Teilnehmern ging der Erfolg aber darüber hinaus: Bei 70% der Patienten wurde ein F-VASI90 festgestellt – also der Wert von vor der Therapieunterbrechung. Bis zur 75%-igen Verbesserung dauerte es nach dem Neustart der Ruxolitinib-Therapie 12 Wochen, und etwa 15 Wochen dauerte es, bis wieder ein F-VASI90 eintrat.
Keine signifikanten systemischen Nebenwirkungen Die Ruxolitinib-Creme wurde in den Studien gut vertragen, d.h. es wurden keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet. Vor allem traten keine schweren Veränderungen des Blutbildes ein, wie Prof. Zink betonte. Lokale Nebenwirkungen wie Akne, Brennen oder Juckreiz wurden bei etwa 6% der Patienten registriert.
Diese Sicherheitsdaten konnten auch von aktuellen RealWorld-Daten belegt werden (2). Wie Prof. Zink weiter berichtete, hat die Auswertung von 13 833 Patientenjahren ergeben, dass Ruxolitinib-Creme im Allgemeinen gut verträglich ist, ohne signifikante systemische Nebenwirkungen und mit einer geringen Inzidenz von Reaktionen an der Applikationsstelle.
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Mittagssymposium «Vitiligo», 29. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie (FOBI), Veranstalter: Incyte Biosciences Deutschland GmbH München, am 12. Juli 2024 in München (D)
Referenzen: 1. Harris JE et al.: Relapse and Maintenance of Clinical Response In the
Randomized Withdrawal Arm of the TRuE-V Long-Term Extension Phase 3 Study of Ruxolitinib Cream in Vitiligo. Präsentiert beim American Academy of Dermatology (AAD) Annual Meeting 2023; 7. bis 11. März 2024 in New Orleans (Louisiana, USA). 2. Hu W et al.: Real-World Use of Ruxolitinib Cream: Safety Analysis at 1 Year. Am J Clin Dermatol. 2024;25(2):327-332. doi: 10.1007/s40257023-00840-1
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