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KONGRESSBERICHT EADV 2024
Highlights vom EADV 2024
Zahlreiche interessante neue Behandlungsmöglichkeiten in der Pipeline
Dieses Jahr fand der EADV-Kongress in Amsterdam statt und brach mit über 17 000 Besuchern sämtliche bisherigen Rekorde. Wie in jedem Jahr waren die «Late-Breaking-News-Sessions» ein Besuchermagnet, in denen 29 neue Studien aus der Dermatologie vorgestellt wurden; nachfolgend eine kleine Auswahl der präsentierten Daten.
«Das chronische Handekzem ist eine weitverbreitete Erkrankung, die vor allem Hände und Handgelenke betrifft und die Lebensqualität der Patienten, insbesondere im beruflichen Kontext, erheblich einschränkt», erklärte Prof. Ana Giménez-Arnau von der Universität Pompeu Fabra und der Autonomen Universität Barcelona in Spanien bei der Studienpräsentation der Phase-III-Studie DELTA-FORCE (1). Die beim EADV-Kongress als Late-Breaker vorgestellte Studie ist besonders beeindruckend, weil hier eine Lokaltherapie der systemischen Therapie mit Alitretinoin deutlich überlegen war. In der Studie wurden 513 erwachsene Teilnehmer in zwei Behandlungsgruppen randomisiert: Die erste Gruppe erhielt zweimal täglich Delgocitinib-Creme (20 mg/g) über einen Zeitraum von 16 Wochen, während die zweite Gruppe mit Alitretinoin in einer täglichen Dosis von 30 mg über 12 Wochen behandelt wurde. Die unterschiedliche Behandlungsdauer resultierte aus den Anwendungshinweisen in der Zulassung von Alitretinoin. Das Ekzem bestand im Durchschnitt seit vier Jahren, der mediane Handekzem-Schweregradindex (HECSI) betrug 80, entsprechend einem schweren Handekzem.
In beiden Behandlungsarmen durften Teilnehmer, deren Handekzem nach Ansicht des Prüfarztes vollständig oder fast vollständig abgeheilt war, die Behandlung aussetzen und bei Bedarf bis Woche 24 wieder aufnehmen.
In Woche 12 war die Creme beim primären Endpunkt, der Änderung des mittleren HECSI-Wertes, Alitretinoin signifikant überlegen: Er sank um -67,6 unter Delgocitinib im Vergleich zu -51,5 unter Alitretinoin (p < 0,001). Auch bei den sekundären Endpunkten übertraf Delgocitinib Alitretinoin: So erreichten in Woche unter Delgocitinib 12 38,6% der Patienten ein HECSI90-Ansprechen, gegenüber 26% unter Alitretinoin (p = 0,003). Zudem konnten 27,2% der mit Delgocitinib behandelten Patienten im Vergleich zu 16,6% unter Alitretinoin einen Behandlungserfolg nach Einschätzung der Prüfärzte verbuchen (p = 0,004). Sowohl der Juckreiz als auch die Schmerzen an der Hand wurden durch die Creme besser gelindert als durch Alitretinoin. Entsprechend erreichten mehr Patienten in der Delgocitinib-Gruppe eine Verbesserung ihrer Lebensqualität, erhoben im Dermatology Life Quality Index (DLQI), um mindestens 4 Punkte (p ≤ 0,001 in Woche 12 und Woche 24).
Neben den Wirksamkeitsvorteilen zeigte Delgocitinib auch ein günstigeres Sicherheitsprofil. Unerwünschte Ereignisse (UE) wurden bei 9,5% der Teilnehmer in der DelgocitinibGruppe und bei 54,3% der Alitretinoin-Gruppe beobachtet. Schwerwiegende UE wurden bei 2% bzw. 4,9% der Teilnehmer registriert. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Kopfschmerzen (4,0% unter Delgocitinib vs. 32,4% unter Alitretinoin) und Nasopharyngitis (11,9% vs. 13,8%). Seit November 2024 ist Delgocitinib zur Behandlung des chronischen Handekzems in der Schweiz zugelassen.
JAK-Inhibitor-Creme auch für leichte Formen der Hidradenitis suppurativa? Eine Creme, die 1,5% des topischen JAK1-Hemmers Ruxolitinib enthält, scheint auch eine Therapieoption für Patienten mit leichter Hidradenitis suppurativa (HS) gemäss Hurley Stadium I/II zu sein. Als Late-Breaker wurden die Ergebnisse einer offenen Verlängerungsstudie nach 32 Wochen präsentiert (2). Bereits in der Doppelblindphase, die an Woche 16 endete, war die Ruxolitinib-Creme bezüglich der Verringerung der Anzahl der Abszesse und entzündlichen Knoten dem Vehikel überlegen.
In der Verlängerung erhielten alle Studienteilnehmer Ruxolitinib. Hier mussten die Teilnehmer die Creme nur auftragen, wenn sie es für nötig befanden. Dennoch konnten die von Beginn an mit Ruxolitinib behandelten Patienten das Ansprechen erhalten: Die Reduktion der Anzahl der Abszesse und entzündlicher Knoten blieb in etwa gleich (-4,04 in Woche 16 und -3,95 in Woche 32). Teilnehmer, die bis Woche 16 ein Vehikel erhielten, verbesserten sich bei Behandlung mit der Ruxolitinib-Creme ab Woche 16 bis Woche 32 bezüglich dieses Endpunkts (von -2,38 auf -3,96). Nach Ansicht der Studienautorin Prof. Martina Porter, Beth Israel Deaconess Medical Center, Boston (Massachusetts/USA), müssen jetzt grössere Studien zeigen, ob Ruxolitinib-Creme eine Behandlungsoption für Patienten mit leichter HS ist, für die es bislang keine zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten gibt.
Molekulargenetische Verfahren halten Einzug in die Dermatologie Nicht nur bei der Therapie, sondern auch bei Verfahren zur Beurteilung des therapeutischen Ansprechens bleibt es im
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Fachgebiet spannend. Hier gewinnt die Transkriptomanalyse zunehmend an Bedeutung: Auf diese Weise können nicht-invasiv, mithilfe von Klebestreifenabrisstests, zahlreiche Gene und ihre Veränderung durch eine Therapie untersucht werden. In der präsentierten Studie wurde das Transkriptom von AD-Patienten verglichen, die entweder mit Nemolizumab oder einem Plazebo behandelt wurden. Hier zeigte sich ein stärkerer Einfluss von Nemolizumab auf Gene, die mit Juckreiz und Hyperplasie assoziiert sind (3). Solche molekularbiologischen Ansätze sind nach Ausführung von Prof. Emma Guttman-Yasski, Icahn School of Medicine Mount Sinai, New York (New York/USA), ein Schritt in Richtung personalisierte Medizin in der Dermatologie und können dabei helfen, individuelle Therapievorschläge zu erstellen.
AD in der Kindheit hat langfristige psychosoziale Konsequenzen Gibt es Unterschiede, je nachdem, wann im Leben ein atopisches Ekzem diagnostiziert wurde? Diese Frage sollte das USProjekt «Scars of Life» beantworten (4). Hierzu wurden Daten von 30 801 Erwachsenen aus 27 Ländern auf fünf Kontinenten erhoben. Der eigens entwickelte Fragebogen umfasste nicht nur Fragen zur Schwere der Krankheit, sondern auch zu den Erfahrungen der Patienten hinsichtlich einer Stigmatisierung in verschiedensten Lebensbereichen.
Die Teilnehmer wurden je nach Beginn ihrer AD in zwei Gruppen eingeteilt: eine Gruppe von Patienten, bei denen die Erkrankung vor dem 10. Lebensjahr auftrat, und eine Gruppe, bei der die AD erst im Erwachsenenalter begann. Hier zeigte sich, dass Studienteilnehmer, deren Ekzeme bereits in der Kindheit begannen, signifikant stärkere soziale und emotionale Belastungen im Vergleich zu denjenigen mit einem späteren Beginn aufwiesen. Besonders ausgeprägt war der Unterschied beim Gefühl der Stigmatisierung, das mit einem speziellen Fragebogen, dem «Patient Unique Stigmatization Holistic» (PUSH-D) erhoben wurde. Patienten mit früh einsetzenden Ekzemen erreichten hier im Durchschnitt signifikant höhere Scorewerte (23,0 ± 20,1 versus 18,1 ± 17,6 bei den Patienten mit späterem Krankheitsbeginn; p < 0,0001).
Diese empfundene Stigmatisierung beeinflusste alle wichtigen Lebensbereiche. So gaben 37,3% der Personen, die seit ihrer Kindheit an AD litten, an, am Arbeitsplatz diskriminiert worden zu sein, während dies bei denjenigen mit einem späteren Beginn der Erkrankung nur bei 29,4% der Fall war.
Darüber hinaus fühlten sich Personen mit früh einsetzenden Ekzemen häufiger in ihrer beruflichen Laufbahn, der Familienplanung und ihrem allgemeinen Selbstbewusstsein beeinträchtigt. Die Chronizität der Erkrankung scheint nach Ausführungen von Prof. Jonathan Silverberg, George Washington University School of Medicine, Washington DC (USA) die Belastung über die eigentliche Schwere der Krankheit hinaus zu verstärken. Prof. Silverberg plädierte dafür, auch Kinder adäquat und falls nötig mit Biologika zu behandeln, um die psychosozialen Folgen zu mildern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Barzolvolimab überzeugt ersten Ergebnissen zufolge bei schwerer chronisch spontaner Urtikaria Ungefähr 20–30% aller Patienten mit chronisch spontaner Urtikaria (CSU) sprechen nicht oder nicht ausreichend auf die Therapie mit Omalizumab an. «Wir brauchen daher neue Therapieansätze für diese rein mastzellvermittelte Erkrankung», erklärte Prof. Martin Metz, Charité-Universitätsmedizin Berlin, bei der Präsentation einer 52-wöchigen Verlängerungsphase der randomisierten Phase-II-Studie mit dem Antikörper Barzolvolimab (5). Die Substanz blockiert die Rezeptor-Tyrosinkinase KIT, die für die Funktion und das Überleben von Mastzellen erforderlich ist.
Studienteilnehmer, die anfangs Plazebo oder 75 mg Barzolvolimab erhielten, wurden ab Woche 16 neu randomisiert und bekamen entweder 150 mg Barzolvolimab alle vier Wochen oder 300 mg alle acht Wochen verabreicht.
71–80% der Teilnehmer waren Frauen, und etwa 30% der Patienten hatten bereits Omalizumab erhalten. In den ersten 12 Wochen zeigte sich in den 150-mg- und 300-mg-Gruppen eine signifikante Reduktion des Urtikaria-Aktivitäts-Scores (UAS7) um mehr als 20 Punkte im Vergleich zu 10,47 Punkten unter Plazebo (p < 0,0001).
Die in der Ausgangsstudie beobachtete Verbesserung nahm langfristig weiter zu, sodass nach 52 Wochen 67,4– 73,7% der Patienten eine gute Krankheitskontrolle (entsprechend einem UAS7-Wert von ≤ 6) erreichten. 52,3–71,1% der Patienten gelang sogar eine vollständige Krankheitskontrolle. Ebenfalls bemerkenswert war, dass es keine Unterschiede zwischen Patienten mit und ohne vorherige Omalizumab-Therapie gab.
Der Antikörper erwies sich als verträglich, schwerwiegende behandlungsbedingte Ereignisse wurden nur bei 1% der Patienten beobachtet. «Barzolvolimab könnte eine wichtige neue Behandlungsoption darstellen; Phase-III-Studien werden weitere Informationen liefern», schloss Prof. Metz.
Susanne Kammerer
Quellen: 1. Giménez-Arnau A; Late-breaking Session I, Präsentation D1T01.1F,
EADV-Kongress 2024. 2. Porter ML; Late-breaking Session III, Präsentation D2T01.3D, EADV-
Kongress 2024. 3. Guttman E; Late-breaking Session II, Präsentation D1T01.2C, EADV-
Kongress 2024. 4. Silverberg J; Late-breaking Session II, Präsentation D1T01.2, EADV-
Kongress 2024. 5. Metz M; Late-breaking Session II, Präsentation D1T01.2D, EADV-Kon-
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