Transkript
BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Neue grosse Metaanaylse zur atopischen Dermatitis
Topische Therapien im Vergleich
Eine konsequente Hautpflege und topische Entzündungshemmer sind nach wie vor das Fundament einer erfolgreichen Therapie bei atopischer Dermatitis. Allerdings existieren hinsichtlich der Wirksamkeit und Sicherheit der unterschiedlichen Substanzklassen nur sehr wenige vergleichende Untersuchungen. In einer aktuellen umfangreichen Cochrane-Metaanalyse nahmen sich internationale Wissenschaftler knapp 300 Studien vor, um mehr Klarheit zu schaffen (1).
Die atopische Dermatitis (AD) ist eine Volkskrankheit, von der weltweit bis zu 20 Prozent der Kleinkinder, 6 Prozent der Schulkinder und Jugendlichen und 5 Prozent der Erwachsenen betroffen sind (2, 3). Vor allem schwere Formen der Erkrankung können die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen. Berechnungen zufolge sind auch die wirtschaftlichen Folgen beträchtlich: Alleine in den USA werden nur die direkten Kosten der AD auf über 1 Milliarde US-Dollar pro Jahr geschätzt (4). Für die Mehrheit der Betroffenen sind topische Therapien das Mittel der Wahl. Neben der Basistherapie mit Emollienzien werden zur Kontrolle der Symptome unterschiedliche antientzündliche Therapien eingesetzt. Bis heute bestehe jedoch eine Unsicherheit hinsichtlich der relativen Wirksamkeit und Sicherheit dieser topischen Behandlungen, so die internationalen Wissenschaftler um Stephanie J. Lax aus Nottingham (GB) in einer neuen Cochrane-Metaanalyse (1).
Fast 46 000 Ekzempatienten
Für Ihre umfangreiche Analyse werteten die Forscher 291 Studien mit insgesamt 45 846 Patienten nach standardisierten Cochrane-Methoden aus. Die aus jeglichen Altersklassen stammenden Teilnehmer litten unter Ekzemen der unterschiedlichsten Schweregrade. Die Dauer der Behandlung betrug im Median 21 bis 28 Tage und reichte zwischen 7 Tagen bis zu 5 Jahren. Nur 31 Studien beschränkten sich auf Kinder unter 12 Jahren. Ausgeschlossen waren Studien mit infektiösen Ekzemen, Kontaktekzemen oder Handekzemen. Auch Studien mit ausschliesslich topischen Antibiotika, komplementärmedizinischen Therapien, ausschliesslich Emollenzien, Phototherapie oder systemischen Therapien wurden nicht berücksichtigt. Als primäre Outcomes hinsichtlich der Wirksamkeit wurden 2 Bereiche festgelegt, nämlich einerseits die von den Patienten berichteten, andererseits die von den Ärzten erhobenen Ekzemsymptome. Zusätzlich war als binärer Outcome der «Investigator Global Assessment» (IGA) von Interesse. Binäre und kontinuierliche Messungen wurden separat bewertet. Als se-
kundäre Outcomes wurden die Lebensqualität (HRQoL), die langfristige Ekzemkontrolle, Behandlungs-/Studienabbruch und lokale Nebenwirkungen erhoben. In den untersuchten Studien kamen topische Kortikosteroide (TCS, n = 172), topische Calcineurin-Inhibitoren (n = 134), Phosphodiesterase-4 (PDE-4)-Hemmer (n = 55), Januskinase (JAK)-Inhibitoren (n = 30), Arylhydrocarbon-Rezeptor(AHR)-Rezeptor-Aktivatoren (n = 10) oder andere topische Substanzen (n = 21) zum Einsatz.
Die Patientensicht
Eine Netzwerk-Metaanalyse (NMA) war nur für Kurzzeit-Outcomes möglich. Am effektivsten hinsichtlich der von den Patienten berichteten Symptome (NMA von 40 Studien mit 6482 Teilnehmern als binary outcome) waren Tacrolimus (0,1%; OR: 6,27), potente topische Kortikosteroide (OR: 5,99) und Ruxolitinib (1,5%; OR: 5,64). Hingegen erwiesen sich milde topische Kortikosteroide, Roflumilast (0,15%) und Crisaborol (2%) als am wenigsten effektiv. Die NetzwerkMetaanalyse von 29 Studien mit 3839 Teilnehmern (continuous outcome) bescheinigte den sehr potenten topischen Kortikosteroiden (SMD: -1.99) und Tacrolimus (0,03%; SMD: -1.57; moderate confidence) die höchste Effektivität. Die geringste Wirksamkeit zeigten Roflumilast (0,15%), Delgocitinib (0,25% und 0,5%) und Tapinarof (1%). Auf der Ebene der Substanzklassen erwiesen sich aus Patientensicht potente und sehr potente topische Kortikosteroide als ähnlich effektiv wie potente topische Calcineurin- und JAK-Inhibitoren. Milde bis moderate TCS waren hier weniger wirksam als milde TCI.
Die Ärztesicht
Bei den von den Klinikern erfassten Ekzem-Symptomen zeigte die Netzwerk-Metaanalyse von 32 Studien mit 4121 Patienten, dass die Behandlung mit potenten TCS (OR: 8,15), Tacrolimus (0,1%; OR: 8,06), Ruxolitinib (1,5%; OR: 7,72) und Delgocitinib (0,5%; OR: 7,61) die höchste Effektivität aufweist. Milde TCS, Roflumilast (0,15%), Crisaborol (2%) und Tapinarof (1%) waren hingegen weniger wirksam. Bei der
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Netzwerk-Metaanalyse des continuous outcome der klinischen Ekzem-Symptome (49 Studien, 5261 Patienten) waren Tacrolimus (0,03%; SMD: -2,69) und sehr potente TCS (SMD: -1,87) am effektivsten, Roflumilast (0,15%), Difamilast (0,3%) und Tapinarof (1%) erwiesen sich hingegen als weniger wirksam. Die hohe Wirksamkeit des niedrig dosierten Tacrolimus (0,03%) sei bemerkenswert, so die Autoren. Sensitivitätsanalysen zeigten überdies einen Effektivitätsvorteil für potente TCS, Tacrolimus (0,1%), Ruxolitinib (1,5%) und Delgocitinib (0,5% und 0,25%). Eine Analyse auf Wirkstoffklassen-Level zeigte ähnliche Effekte von potenten/sehr potenten TCS, potenten TCI und JAK-Inhibitoren.
Investigator Global Assessment
Beim Investigator Global Assessment-NMA von 140 Studien (23 383 Teilnehmer, binary outcome) waren Ruxolitinib (1,5%; OR: 9,34), Delgocitinib (0,5%; OR: 10,08), Delgocitinib (0,25%; OR: 6,87), sehr potente TCS (OR: 8,34), potente TCS (OR: 5,00) und Tacrolimus (0,1%; OR: 5,06) die effektivsten Behandlungsmethoden gegen AD. Hingegen zeigten sich milde TCS, Crisaborol (2%), Pimecrolimus (1%), Roflumilast (0,15%), Difamilast (0,3% und 1%) sowie Tacrolimus (0,03%) als die am wenigsten wirksamen Topika. Bei der Sensitivitätsanalyse hinsichtlich eines geringen Bias-Risikos (12 Studien, 1639 Teilnehmer) erwiesen sich potente TCS, Delgocitinib (0,5%) und Delgocitinib (0,25%) am effektivsten, dagegen waren Pimecrolimus (1%), Roflumilast (0,15%) und Difamilast (1% und 0,3%) am wenigsten effektiv. Langzeit-Outcomes über 6 bis 12 Monate wiesen allerdings auf ein mögliches Ansteigen der Wirksamkeit von Pimecrolimus (1%) gegenüber Plazebo (4 Studien, 2218 Teilnehmer) hin. Gleichzeitig war ein grösserer Behandlungserfolg von milden/moderaten TCS gegenüber Pimecrolimus (1%; 1 Studie, 2045 Teilnehmer) zu beobachten.
Nebenwirkungen an der Applikationsstelle
Die NMA von 83 Studien mit 18 992 Patienten zeigte auch, dass die Wahrscheinlichkeit einer lokalen Nebenwirkung an der Applikationsstelle (2424 Ereignisse) bei Tacrolimus (0,1%; OR 2,2), Crisaborol (2%; OR 2,12), Tacrolimus (0,03%; OR 1,51) und Pimecrolimus (1%; OR 1,44) am grössten ist. Bei sehr potenten, potenten, moderaten und milden TCS war die Wahrscheinlichkeit einer lokalen Hautreaktion am geringsten. Der kurzzeitige Einsatz von TCS (Median 3 Wochen, Spanne von 1–16 Wochen) lies keine Hinweise auf eine Hautatrophie erkennen. Dies galt sowohl für milde TCS (OR 0,72), moderate TCS (OR 0,91), potente TCS (OR 0,96) als auch sehr potente TCS (OR 0,88). Allerdings zeigte der Langzeiteinsatz von milden bis potenten Steroiden (6 bis 60 Monate) eine Zunahme von Hautatrophien.
Fazit der Autoren
Potente TCS, JAK-Inhibitoren und Tacrolimus (0,1%)
wurden in der vorliegenden Cochrane-Metaanalyse
durchweg als die wirksamsten topischen entzün-
dungshemmenden Behandlungen gegen Ekzeme
eingestuft, während sich PDE-4-Inhibitoren als die
am wenigsten wirksamen herausstellten. Milde TCS
und Tapinarof (1%) wurden in 3 von 5 NMA als die am
wenigsten effektiven Behandlungen eingestuft. TCI
und Crisaborol (2%) können am ehesten lokale Re-
aktionen an der Applikationsstelle verursachen. Beim
kurzfristigen Einsatz von TCS konnten keine Hinweise
auf Atrophien festgestellt werden, bei längerfristiger
Verwendung hingegen schon.
s
Klaus Duffner
Referenzen: 1. Lax SJ et al: Topical anti-inflammatory treatments for eczema: network meta-ana-
lysis. Cochrane Database of Systematic Reviews 2024; 8. Art. No.: CD015064. doi: 10.1002/14651858.CD015064.pub2 2. Langan SM et al: Trends in eczema prevalence in children and adolescents: a Global Asthma Network Phase I study. Clin Exp Allergy. 2023;53:337–352. doi: 10.1111/cea.14276 3. De Lusignan S et al: The epidemiology of eczema in children and adults in England: a population-based study using primary care data. Clin Exp Allergy. 2021;51(3):471-482. doi: 10.1111/cea.13784 4. Drucker AM et al: The burden of atopic dermatitis: summary of a report for the National Eczema Association. J Invest Dermatol. 2017;137(1):26-30. doi:10.1016/j. jid.2016.07.012
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