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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
FOBI 2024
Mollusca contagiosa
Mit «Spanischer Fliege» gegen Dellwarzen
Mollusca contagiosa bei Kindern machen zwar kaum Beschwerden, doch sie sind ansteckend und sollten daher entfernt werden. Eine elegante Methode ist die Behandlung der Dellwarzen mit einer Cantharidin-Lösung: Der Wirkstoff aus Brennkäfern lässt via Immunreaktion Dellwarzen abheilen. Das Auftragen ist schmerzfrei, und auch die bei der Abheilung entstehenden Bläschen schmerzen nur in Ausnahmefällen.
«Cremen Sie das Kind schon mal gut ein», lautet der Rat, wenn Eltern wegen Dellwarzen einen Termin in der Sprechstunde der Münchner Kinderdermatologie ausmachen. Wie PD Dr. Christina Schnopp aus München (D) berichtete, treten die Mollusca contagiosa hauptsächlich bei kleinen Kindern und besonders häufig bei denen mit einer atopischen Disposition auf – auch wenn keine aktuellen Ekzemläsionen bestehen. Und eine gute Hautpflege stärkt bekanntlich die Hautbarriere. Wenn von Dellwarzen die Rede ist, wird fast immer der Plural gebraucht, denn bei den betroffenen Kindern findet sich immer mehr als eine Läsion – meist lassen sich ganze Beete der Mollusken feststellen. Anders als die meisten anderen Warzen werden Dellwarzen nicht von humanen Papilloma-Viren verursacht, sondern von einem Virus, das zur Familie der Orthopockenviren gehört. Kennzeichen ist die Delle, die sich auch bei Kuhpocken oder Mpox-Läsionen findet, so Schnopp weiter. Möglicherweise sei dies auch eine Erklärung, warum die Dellwarzen so ansteckend sind.
Spontanheilung dauert
Nach Ansicht der Kinderdermatologin sei daher Zuwarten auf Spontanheilung keine Option, wie es noch in manchen Lehrbüchern empfohlen werde. Zwar lässt sich die Ausbreitung der Warzen mit einer guten Hautpflege zur Stärkung der Barriere-Funktion eindämmen, an bestehenden Dellwarzen ändert das aber nur wenig. Die Kinderdermatologin zitierte eine Studie, nach der die mittlere Zeit bis zur Abheilung 13,3 Monate betrug. Bei 30 Prozent der Probanden waren die Dellwarzen nach 18 Monaten noch immer nicht von allein verschwunden, und bei 13 Prozent waren sie auch noch nach 2 Jahren zu finden. Aber 41 Prozent der Teilnehmer hatten die Mollusken auf andere Kinder im Haushalt übertragen (1). In der Studie wurden auch Daten zur Lebensqualität erhoben, und obwohl die Dellwarzen in der Regel nicht jucken oder schmerzen, fühlten sich 11 Prozent der Kinder, haupt-
sächlich durch die Stigmatisierung, wegen der Mollusken stark beeinträchtigt. Auch wenn es in der besagten Studie nicht untersucht wurde, sei zu vermuten, dass die Ansteckung auch vor Kindergärten nicht Halt mache, gab Schnopp zu bedenken.
Kryotherapie: nichts für zappelnde Kleinkinder
Jedoch ist die Dellwarzen-Behandlung bei Kleinkindern eine Herausforderung – nicht nur für Kinderärzte. Immer noch gilt die Kryotherapie als Mittel der Wahl. «Aber bei einem zappelnden Kleinkind wird man kaum mehr als drei Läsionen so behandeln können», weiss Schnopp aus Erfahrung. Eleganter sei die immunologische Therapie, beispielsweise mit Imiquimod-Creme, doch kostengünstiger sei eine topische Behandlung mit einer Cantharidin-Lösung - in den USA und Kanada die am häufigsten angewendete Methode. Cantharidin stammt aus Brennkäfern, von denen die «spanische Fliege» (Cantharis/Lytta vesicatoria) die bekannteste Art ist, weil sie früher auch als Potenzmittel Verwendung fand.
Immunreaktion durch Cantharidin-Lösung
Die Cantharidin-Lösung (Cantharone®) wird gezielt mit einem Zahnstocher auf die Dellwarze aufgebracht und dann mit einem Pflaster überklebt, das etwa sechs Stunden belassen werden sollte. Wie Schnopp weiter berichtet, entwickeln ca. 60 Prozent der Kinder an der Applikationsstelle meist schmerzlose Bläschen, die verkrusten und nach zwei Wochen narbenlos abheilen. Es können allerdings postinflammatorische Hyperpigmentationen auftreten. Daher sei auf guten Sonnenschutz zu achten. Meist genüge die Einmal-Therapie, bei der 10 bis 12 Läsionen beträufelt werden. Aufgrund der Immunreaktion reagieren auch die unbehandelten Mollusken. Allzu viel Cantharidin sollte nicht aufgetragen werden, da es bei der immunologischen Reaktion dann zu Fieber kommen könnte.
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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
FOBI 2024
Der Ölkäfer Lytta vesicatoria ist an seinen grün schillernden Flügeldecken zu erkennen.
Einst ein Potenzmittel: Die Spanische Fliege
Die Spanische Fliege, wissenschaftlich Lytta vesicatoria oder Cantharis vesicatoria genannt, ist ein Käfer aus der Familie der Ölkäfer (Meloidae), auch Blasenkäfer bekannt. Der Name kommt nicht von ungefähr: Die Käfer enthalten einen Reizstoff, das Cantharidin, der auf der Haut Blasen und sogar Nekrosen verursachen kann.
Früher wurde aus den zermahlenen Käfern, insbesondere aus den getrockneten Flügeldecken, ein Pulver für medizinische Zwecke gewonnen, das beispielsweise zur Herstellung blasenziehender Cantharidenpflaster genutzt wurde. Bekannter aber ist die Verwendung als Potenzmittel, das Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Namen «Spanische Fliege» berüchtigt wurde. Die Potenzsteigerung soll durch eine massive Reizung der Harnwege zustande kommen, die zu einer starken Erektion bis hin zur schmerzhaften Dauererektion führen kann. Das sexuelle Verlangen wird durch die Einnahme der Spanischen Fliege nicht gesteigert, sie ist also kein Aphrodisiakum. Die Einnahme ist nicht ungefährlich: Bei Überdosierungen kann das Zentrale Nervensystem angegriffen werden. In Extremfällen kommt es innerhalb von zwölf Stunden zum Tod durch Leber- und Nierenversagen sowie Kreislaufkollaps. Für erwachsene Menschen sind etwa 0,03 g des Giftes tödlich.
Foto: Siga/wikimedia commons
Dass die Cantharidin-Behandlung bei Dellwarzen wirksam und sicher ist, wurde auch wissenschaftlich belegt – unter anderem in einer Untersuchung der Universität von North-Carolina, in der die Daten von 512 Kindern mit Dellwarzen ausgewertet wurden. Es wurden 9688 Läsionen mit Cantharidin-Lösung behandelt. Nach der Behandlung wurden die Eltern zu Wirksamkeit und Sicherheit befragt. 86 Prozent der Eltern gaben an, mit Cantharidin zufrieden zu sein und es gegebenenfalls wiederzuverwenden. Zusätzlich zu den zu erwartenden Bläschen, die sich bei 57 Prozent einstellten, wurden bei 11 Prozent unerwünschte Ereignisse registriert; diese waren Schmerzen (7%) und eine stärkere Blasenbildung (2,5%).
Cantharidin-Lösung via internationale Apotheke bestellen
Ein Fertigprodukt mit Cantharidin-Lösung für die Be-
handlung von Mollusca contagiosa wird in der
Schweiz wie auch in der EU nicht vertrieben. Schnopp
verwendet das in Kanada produzierte Produkt Cant-
harone®, das dort auch für die Behandlung von Kin-
dern mit Dellwarzen zugelassen ist. Das Präparat
könne zwar direkt beim Hersteller bestellt werden,
jedoch empfiehlt Schnopp den Bezug über die inter-
nationale Apotheke.
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Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Symposium «Infektionen der Haut» bei der 29. Fortbildungswoche für Dermatologie und Venerologie (FOBI), am 10. Juli 2024 in München.
Referenzen: 1. Olsen JR et al.: Time to resolution and effect on quality of life of molluscum conta-
giosum in children in the UK: a prospective community cohort study. Lancet Infect Dis. 2015;15(2):190-195. doi: 10.1016/S1473-3099(14)71053-9 2. Moye VA et al.: Safety of cantharidin: a retrospective review of cantharidin treatment in 405 children with molluscum contagiosum. Pediatr Dermatol. 2014;31(4):450454. doi: 10.1111/pde.12276
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