Transkript
AUS DER DERMATOLOGIE SGDV
Europäische Empfehlungen
Neue Guidelines zur Behandlung der aktinischen Keratose
Nicht nur neue Klassifikationen, neue topische Therapien, neue Methoden zur Eliminierung von Läsionen, sondern auch die signifikante Zunahme keratinozytischer Krebsformen in den vergangenen Jahren haben neue Guidelines zur Diagnose, Behandlung und Prävention der aktinischen Keratose notwendig gemacht. Prof. Dr. Reinhard Dummer vom Universitätsspital Zürich stellte am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) in Basel die wichtigsten Eckpunkte vor.
In einem neueren Update der «Rotterdam-Studie» mit 8239 Teilnehmern aus den Niederlanden wurde gezeigt, welche Risikofaktoren die Inzidenz der aktinischen Keratose fördern (1). Danach sind Alter, männliches Geschlecht, helles Haar, helle Augen und genetische Faktoren mit einem höheren Risiko für deren Auftreten assoziiert.
Hohe Prävalenzen
Bei den 65-Jährigen zeigte rund ein Viertel und bei den 85-Jährigen bereits die Hälfte entsprechende Läsionen. Laut einer Schweizer Untersuchung aus dem Jahr 2018 lag bei einer Erhebung unter Patienten, die aus unterschiedlichen Gründen den Hausarzt aufgesucht hatten, die Prävalenz bei 25,3 Prozent (2). In den USA gehe man heute sogar davon aus, dass die aktinische Keratose die häufigste Dermatose in den dermatologischen Praxen darstelle, erklärte Prof. Dr. Reinhard Dummer vom Universitätsspital Zürich bei der Vorstellung der neuen europäischen Guidelines (3) am Jahreskongress der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV).
Bei Verdachtsfällen biopsieren
Häufig sind aktinische Keratosen keine Einzelereignisse, sondern sie sind von klinischen oder subklinischen Feldkanzerisierungen umgeben. Ihnen gemeinsam sind genetische Veränderungen. Solche DNA-Schäden seien in den Zellen der einzelnen aktinischen Keratosen und Feldkanzerisierungen dieselben wie in kutanen Plattenepithelkarzinomen («cutaneous squamous-cell carcinoma» [cSCC]), betonte der Experte. Hilfreich bei der Diagnose von aktinischen Keratosen seien Untersuchungen mit dem Dermatoskop, Konfokalmikroskop oder der optischen Kohärenztomografie («optical coherence tomography» [OCT]). Die verhornten, rauen Hautstellen seien aber auch durch leichtes Darüberstreichen mit den Fingern gut zu detektieren, erklärte Dummer.
Eine routinemässige Biopsie sei für die Diagnose nicht erforderlich, allerdings sollte bei einem Verdacht auf Plattenepithelkarzinome biopsiert werden.
Kryochirurgie als Standardtherapie
Der wichtigste Grund für eine Behandlung der aktinischen Keratose ist die Vorbeugung einer Transformation in ein invasives cSCC. Schätzungen zufolge entwickelt sich im 5-Jahres-Follow-up aus einer von 1000 Präkanzerosen ein cSCC. Ein extrem hohes Risiko für eine solche Transformation haben immunsupprimierte Patienten, beispielsweise nach Organtransplantationen. So beträgt bei ihnen das 5-JahresRisiko für die Entstehung eines cSCC 40,7 Prozent (4). Als Standardtherapie der ersten Wahl wird bei Einzelläsionen oder bei einer geringen Zahl von aktinischen Keratosen die Kryochirurgie empfohlen (Empfehlungsgrad A) (3). Dabei sollten zuvor hyperkeratotische Schuppen entweder mit einer sachten Curettage und/oder mithilfe von Salicylsäure entfernt werden. Die Erfolge einer solchen Therapie schwanken, je nach Erfahrung des Arztes und der verwendeten Methode, zwischen 39 und 83 Prozent. Insgesamt ist eine Kryochirurgie in Kombination mit einer topischen Intervention effektiver als Kryochirurgie allein, vor allem bei Patienten mit mehreren aktinischen Keratosen und Feldkanzerisierungen. Bei einzelnen aktinischen Keratosen kann auch eine Curettage zum Einsatz kommen. Auf jeden Fall sollten verdächtige Läsionen histologisch untersucht werden. Ein Empfehlungsgrad B besteht für die Lasertherapie, entweder allein oder in Kombination mit anderen Behandlungen wie beispielsweise der photodynamischen Therapie (PDT). Dabei werden Kohlenstoffdioxid(CO2-) oder Erbium-YAG-Laser am häufigsten verwendet. Allerdings können klassische Lasertherapien Nebenwirkungen wie Hypopigmentierungen oder Narben mit sich bringen. Ebenso möglich sind temporär Erytheme, Ödeme, Juckreiz, Hyperpigmentierungen und Schuppungen.
18 SZD 5/2024
AUS DER DERMATOLOGIE SGDV
Topische Behandlungen
Für die topische Behandlung von Einzel- und Mehrfachläsionen aktinischer Keratosen sowie von Feldkanzerisierungen spielt topisches 5-Fluorouracil (5FU) eine wichtige Rolle (Empfehlungsgrad A) (3). Es ist in verschiedenen Formulierungen verfügbar, nämlich als 5-prozentige und 4-prozentige Creme, 0,5-prozentig in einer 10-prozentigen SalicylsäureLösung sowie als 5-prozentige Creme plus Calcipotriol (0,005%). Als weitere bewährte topische Möglichkeit für diese Patientengruppe stehen Imiquimod (5% oder 3,75%) und Diclofenac (3%) zur Verfügung (Empfehlungsgrad B. bzw. A). In einer niederländischen Vergleichsstudie mit 624 Patienten mit aktinischer Keratose erwies sich topisches 5-FU (5%) als wirksamste Substanz, sowohl nach 3 als auch 12 Monaten (5). Die kumulative Wahrscheinlichkeit, nach einem Jahr ohne neuerliche Läsionen zu sein, betrug unter 5-FU 74,7 Prozent, unter Imiquimod 53,9 Prozent, unter photodynamischer Therapie mit Methylamino-Lävulinsäure (MAL-PDT) 37,7 Prozent und unter dem in der Schweiz seit 2020 nicht mehr zugelassenen Ingenolmebutat 28,9 Prozent. In einem Follow-up dieser Studie wurde zudem das Risiko untersucht, längerfristig ein cSCC in der behandelten Hautregion zu entwickeln (6). Nach 4 Jahren litten 26 (3,7%) der 624 Studienteilnehmer unter einem solchen invasiven Hautkrebs, und zwar zwischen 2,2 Prozent (5-FU-Therapie) und 5,8 Prozent (Imiquimod-Therapie). Insgesamt zeigten Patienten mit schwerer aktinischer Keratose dabei ein deutlich höheres cSCC-Risiko (20,9%). «Diese Studie ist für uns ein starkes und überzeugendes Argument dafür, Patienten mit aktinischer Keratose zu behandeln, denn dadurch reduzieren wir das Risiko für die Entwicklung eines invasiven Plattenepithelkarzinoms.» Unterschiedlichen Studien zufolge zeigt topisches 5-FU (4%) eine ähnliche Wirksamkeit wie topisches 5-FU (5%) (7). Eine niedrigere Dosierung kommt der Compliance der Patienten zugute, da mit deutlich weniger kutanen Nebenwirkungen wie Erythemen, Hauttrockenheit, Schuppung, Juckreiz oder Hautbrennen zu rechnen ist. Ebenfalls eine sehr effektive Methode sei die photodynamische Therapie (PDT), führte Dummer aus. So werden die konventionelle und die Tageslicht-PDT in den neuen Guidelines ebenfalls mit einem Empfehlungsgrad A bewertet. Schliesslich steht der Wirkstoff Tirbanibulin (1%) seit 2022 als Salbe zur Behandlung einer frühen aktinischen Keratose speziell im Gesicht oder auf der Kopfhaut bei Erwachsenen zur Verfügung (Empfehlungsgrad B).
Zentrale Empfehlung: UV-Protektion
Die Empfehlungen zur UV-Protektion sind einfach: Jeder sollte sich zur Prävention aktinischer Keratosen vor zu viel und zu intensiver Sonne schützen. Einer-
seits ist dieses Ziel zu erreichen, indem man entsprechende Kleidung und Sonnenschutzmittel (Lichtschutzfaktor > 30) verwendet, andererseits indem man die pralle Mittagssonne meidet. Bei Patienten mit hohem Risiko (z. B. Empfänger von Organtransplantationen), multiplen aktinischen Keratosen, Feldkanzerosen oder zurückliegendem keratozytischem Hautkrebs kann auch eine präventive Behandlung der betreffenden Körperregionen in Betracht gezogen werden (Empfehlungsgrad C). Dafür können entweder eine PDT, 5-FU oder Imiquimod präventiv eingesetzt werden. Bei den Sonnenschutzmitteln wurde schon früh eine Korrelation zwischen der aufgetragenen CremeMenge und der Vermeidung neuer respektive der Remission bereits bestehender Läsionen festgestellt (8). Heute sei es keine Frage, ob man einen Sonnenschutz nutzen solle, sondern wie gut dieser sei, so Dummer. Dafür stünden eine ganze Reihe unterschiedlicher Sonnencremes zur Verfügung. Dabei sei es wichtig zu wissen, dass solche Substanzen die Vitamin-D-Synthese nicht beeinträchtigen. Moderne Sonnenfilter wie TriAsorB™ deckten ein breites Strahlenspektrum ab, von UVB, UVA (kurz und langwellig) bis zu Blaulicht und sogar Infrarotlicht (IR). Letzteres rückt neuerdings als potenziell schädliche Strahlenquelle immer stärker in den Fokus der Wissenschaft, sodass viele Sonnencremes inzwischen auch eine IR-A-Schutzkomponente enthalten. s
Klaus Duffner
Quelle: Jahreskongress der SGDV, Satelliten-Symposium Pierre-Fabre, «Guidelinecompliant treatment and prevention of actinic keratosis», am 19. September 2024 in Basel.
Referenzen: 1. George CD et al.: Longitudinal assessment of the prevalence of actinic keratosis
and extensive risk factor evaluation: an update from the Rotterdam study. J Invest Dermatol. 2023;143(11):2193-2203.e12. DOI: 10.1016/j.jid.2023.02.042. 2. Dziunycz PJ et al.: Prevalence of actinic keratosis in patients attending general practitioners in Switzerland. Dermatology. 2018;234:214–219. DOI: 10.1159/000491820. 3. Kandolf L et al.; European Association of Dermato-Oncology, European Dermatology Forum, European Academy of Dermatology and Venereology and Union of Medical Specialists (Union Européenne des Médecins Spécialistes). European consensus-based interdisciplinary guideline for diagnosis, treatment and prevention of actinic keratoses, epithelial UV-induced dysplasia and field cancerization on behalf of European Association of Dermato-Oncology, European Dermatology Forum, European Academy of Dermatology and Venereology and Union of Medical Specialists. J Eur Acad Derm Ven. 2024;38(6):1024-1047. DOI: 10.1111/ jdv.19897. 4. Wehner MR et al.: Timing of subsequent new tumors in patients who present with basal cell carcinoma or cutaneous squamous cell carcinoma. JAMA Dermatol. 2015;151:382–8. DOI: 10.1001/jamadermatol.2014.3307. 5. Jansen MHE et al.: Randomized trial of four treatment approaches for actinic keratosis. N Engl J Med. 2019;380(10):935-946. DOI: 10.1056/NEJMoa1811850. 6. Ahmady S et al.; Risk of invasive cutaneous squamous cell carcinoma after different treatments for actinic keratosis: a secondary analysis of a randomized clinical trial. JAMA Dermatol. 2022158(6):634-640. DOI: 10.1001/jamadermatol.2022.1034. 7. Dohil MA: Efficacy, safety, and tolerability of 4% 5-fluorouracil cream in a novel patented aqueous cream containing peanut oil once daily compared with 5% 5-fluorouracil cream twice daily: meeting the challenge in the treatment of actinic keratosis. J Drugs Dermatol. 2016;15(10):1218-1224. 8. Thompson SC et al.: Reduction of solar keratoses by regular sunscreen use. N Engl J Med. 1993;329(16):1147-1151. DOI: 10.1056/NEJM199310143291602.
SZD 5/2024
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