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KONGRESSBERICHT
AAD 2024
Late-breaker-Highlights vom AAD
Neue faszinierende Optionen in der Pipeline
Die Zukunft der Dermatologie bleibt spannend: Auch für heute nicht spezifisch behandelbare Erkrankungen werden derzeit therapeutische Möglichkeiten geprüft: z. B. eine neuartige topische Isotretinoin-Formulierung bei kongenitaler Ichthyose, oder BTK-Inhibitoren bei Hidradenitis suppurativa. Auch die Langzeitergebnisse für IL17A/F-Blocker bei Psoriasis stimmen optimistisch.
In diesem Jahr besuchten 19 867 Ärzte den Amerikanischen Dermatologenkongress in San Diego, der damit nach Aussage der American Academy of Dermatology (AAD) der weltweit grösste je durchgeführte Dermatologen-Kongress war. Es wurde deutlich, dass für viele bisher kaum therapierbare Erkrankungen künftig Hoffnung besteht.
Kongenitale Ichthyose: Topische IsotretinoinFormulierung reduziert Schuppung und Fissuren
Für die kongenitale Ichthyose (CI) gibt es derzeit keine zugelassenen Therapien. Gegenwärtig beschränkt sich die Behandlung auf Allgemeinmassnahmen, wie die Verwendung von Emollienzien und Keratolytika. Bei schwerer CI werden systemische Retinoide empfohlen – diese sind jedoch mit erheblicher Toxizität verbunden, z. B. mit Skelettveränderungen und Teratogenität. TMB-001 ist eine neuartige, topische, 0,05-prozentige Isotretinoin-Formulierung, von der angenommen wird, dass sie Hyperkeratinisierung, Komedogenese und Entzündungsreaktionen reduziert. Sie wurde speziell für die Behandlung von CI entwickelt und nutzt eine patentierte Polyethylenglykol-Technologie, um die betroffenen Bereiche zu hydratisieren, zu befeuchten und die Schuppung zu reduzieren. Im Vergleich zu systemischen Retinoiden ist die topische Anwendung deutlich verträglicher. Der Wirkstoff zeigte bereits in früheren Phase-II-Studien Wirksamkeit (1, 2). Die ASCEND-Studie mit 110 Patienten mit Ichthyosis congenita ist die erste Phase-III-Studie mit Probanden im Alter von ≥ 6 Jahren, die mit TMB-001 behandelt werden. Alle Studienteilnehmer haben eine betroffene Körperoberfläche von 75 bis 90 Prozent und einen Investigator Global Assessment (IGA) Score von ≥ 3. Primärer Studienendpunkt der ASCENDStudie ist eine Verbesserung des kombinierten (Schuppung und Fissuren) IGA-Scores um ≥ 2 Punkte seit Studienbeginn. Beim AAD wurden die Behandlungsergebnisse der ersten 17 Probanden (Jugendliche und Erwachsene), die in ASCEND eingeschlossen waren, vorgestellt (3). «Bei unseren Patienten waren grosse Körperbereiche betroffen, und wir wollten sehen, ob wir den Wirkstoff sicher anwenden können», erklärte Prof. Christopher
Bunick aus New Haven (Connecticut/USA). In der Tat ergab die pharmakokinetische Bewertung nur eine minimale systemische Absorption. Diesen vorläufigen Daten zufolge führte TMB-001 in Woche 12 zu statistisch und klinisch signifikanten Verbesserungen der IGA-Skalierung, der Fissurenbildung und der kombinierten Scores. Zu diesem Zeitpunkt sank die durchschnittliche Gesamtzahl der IGA-Schuppung/Fissur von 3,2 auf 1,6 (p = 0,0001). 14 von 17 Patienten (82%), 10 von 17 Patienten (59%) und weitere 10 von 17 Teilnehmern (59%) erreichten eine Veränderung der IGA um ≥ 1 Punkt, ≥ 2 Punkte bzw. eine vollständige oder fast vollständige Abheilung gegenüber dem Ausgangswert (3). Bei 11 Teilnehmern trat mindestens eines von insgesamt 35 unerwünschten Ereignissen auf. Bei 24 der 35 Ereignisse handelte es sich jedoch um lokale Hautreaktionen von leichter bis mittlerer Intensität, die im Laufe der 12 Wochen abklangen. Es wurden keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse oder andere behandlungsbezogene Ereignisse gemeldet. Diese vorläufigen Ergebnisse sind sehr vielversprechend. «Fast 60 Prozent erreichen eine vollständige oder fast vollständige Abheilung. Dies kann für diese Patienten, die bisher wenig Hoffnung hatten, lebensverändernd sein», schloss Bunick.
B-Zellen: Neues Therapieziel bei der Behandlung der Hidradenitis suppurativa
Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Inhibitoren sind vor allem als Therapeutika für hämatologische Malignome bekannt, doch ihr Angriff auf B-Zellen könnte auch für die Hidradenitis suppurativa (HS) relevant sein, da Studien das Vorhandensein von B-Zellen in HS-Läsionen gezeigt haben und die BTK-Aktivierung ein zentraler Signalübertragungsweg bei HS ist. In einer Phase-IIb-Studie wurde daher die Wirksamkeit des Bruton-Tyrosinkinase (BTK)-Inhibitors Remibrutinib bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer HS untersucht. Zwei Behandlungsarme mit je 33 Patienten erhielten 16 Wochen lang entweder 25 mg oder 100 mg Remibrutinib per os (4). Sie wurden mit einem Plazeboarm sowie mit 50 Patienten eines gepoolten Plazeboarms verglichen. Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patienten, der ein klinisches An-
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sprechen im Hidradenitis Suppurativa Clinical Response (HiSCR) bis Woche 16 erreichte, definiert als eine 50-prozentige Verringerung der Abszesse und der entzündlichen Knötchen im Vergleich zum Ausgangswert und keiner Steigerung der Anzahl an Abszessen oder drainierenden Fisteln (HiSCR50). Ein höherer Prozentsatz von Patienten unter Therapie mit dem BTK-Inhibitor erreichte diesen Endpunkt: 72,7 Prozent (25 mg) und 48,5 Prozent (100 mg) gegenüber 34,7 Prozent in der gepoolten Plazebogruppe (4). Remibrutinib in beiden Dosierungen war Plazebo auch hinsichtlich höherer Ansprechraten überlegen: HiSCR 75 wurde von 42,4 Prozent unter der 25-mg-Dosis, von 27,3 Prozent unter der 100-mg-Dosis gegenüber 18,4 Prozent in der Plazebogruppe erreicht. Die Ergebnisse beim HiSCR90-Ansprechen lagen bei 36,4 Prozent in der 25-mg-Remibrutinib-Dosisgruppe, 15,2 Prozent in der 100-mg-RemibrutinibGruppe gegenüber 8,2 Prozent in der Plazebogruppe (4). Die Therapie mit dem BTK-Inhibitor war auch in der Lage, die Anzahl der Drainagetunnel und entzündlichen Knoten zu reduzieren; auch die Hautschmerzen besserten sich. Dabei erwies sich die Behandlung als gut verträglich (4). Nach Ausführung von Prof. Alexandra B. Kimball aus Boston (Massachusetts/USA) wäre aufgrund des neuartigen Wirkprinzips denkbar, BTK-Inhibitoren in dieser Indikation mit anderen Biologika wie z. B . IL17-Blockern zu kombinieren.
SGLT2-Hemmer: Schützen sie vor entzündlichen Hauterkrankungen?
Die bei Diabetes eingesetzten SGLT2-Hemmer (SGLT2i) wirken nicht nur antihyperglykämisch, sondern aufgrund ihrer entzündungshemmenden und immunologischen Eigenschaften kardio- und nephroprotektiv (5). Die Doktorandin Allison Holt aus Worcester (Massachusetts/USA) und ihre Kollegen untersuchten daher den Einfluss einer SGLT2i-Therapie bei Diabetikern auf das Auftreten entzündlicher Dermatosen (6). In der Kohortenstudie wurden 550 195 Typ-2-Diabetikern analysiert, die zwischen 2014 und 2024 in den USA eine Behandlung mit SGLT2-Hemmern begonnen hatten. Diese wurden mit der gleichen Anzahl von Patienten verglichen, die mit anderen Antidiabetika (DPP4-Hemmern) behandelt wurden. Bei allen Studienteilnehmern wurde untersucht, ob es in diesem Zeitraum erstmalig zu einer entzündlichen Hauterkrankung wie Psoriasis, seborrhoische Dermatitis, Lichen planus, Akne vulgaris, Alopecia areata oder Vitiligo kam. In der Tat unterschied sich die Häufigkeit zwischen den Gruppen. Die Inzidenzraten von Alopecia areata, Vitiligo, Akne vulgaris und seborrhoischer Dermatitis waren in der Kohorte unter SGLT2-Hemmung mit Inzidenzraten pro 1000 Personenjahre von 0,09/0,09/0,56/1,24 im Vergleich zu 0,17/0,15/0,83/1,8
in der DPP4i-Kohorte geringer. So war das relative Risiko für eine Alopecia areata (Hazard Ratio/HR: 0,7), für Vitiligo (HR: 0,79), Akne vulgaris (HR: 0,87) und seborrhoische Dermatitis (HR: 0,89) geringer, das Risiko für Psoriasis dagegen leicht erhöht (HR: 1,08). Zu einem ähnlichen Ergebnis war bereits eine früher durchgeführte Studie aus Taiwan gekommen (6).
Überzeugende Langzeitergebnisse für IL17A/FBlocker bei Psoriasis
Wie wirksam Bimekizumab langfristig ist, sollte eine Analyse gepoolter Daten der Studie BE BRIGHT beantworten: In dieser offenen Verlängerungsstudie wurden die Daten von 771 Patienten mit kontinuierlicher Bimekizumab-Einnahme aus den Phase-III-Studien BE SURE, BE VIVID und BE READY über vier Jahre ausgewertet (7). Bei einem Eingangs-PASI unter 90 in Woche 52 wurden 320 mg Bimekizumab in einem 4-Wochen-Intervall gegeben, und bei PASI ≥ 90 betrug das Intervall 8 Wochen. Zusätzlich bestand zu 2 definierten Zeitpunkten die Möglichkeit für Patienten mit der häufigeren Dosierung in die andere Gruppe zu wechseln, wenn ein PASI ≥ 90 erreicht worden war. «Dies ist eine schwierige Gruppe von Patienten», sagte Prof. Mark Lebwohl aus New York City (New York/USA) mit Blick auf die initialen Patientenmerkmale. Bei rund 80 Prozent bestand eine positive Anamnese für vorherige systemische Therapie, das Durchschnittsgewicht lag bei fast 90 kg und der Dermatology Life Quality Index (DLQI) Score für Lebensqualität bei über 10. Dazu kam ein Anteil betroffener Körperoberfläche (BSA) von 27 Prozent. Von den Teilnehmern der Ausgangsstudien mit Bimekizumab-Therapie von Anfang an erreichten zum Ende deren Doppelblindphasen insgesamt 90,9 und 65,8 Prozent einen PASI von 90 und 100. Diese Ergebnisse veränderten sich in der Langzeittherapie kaum, mit 86,1 und 64,7 Prozent in Woche 196 (7). Die Quote an Patienten mit einer Therapieantwort von PASI ≤ 2 oder BSA ≤ 1 Prozent betrug 91,7/78,5 Prozent (Woche 16), 91,2/86,4 Prozent (Woche 52) und 86,4/79,8 Prozent (Woche 196). Insgesamt schlossen 83 Prozent der Patienten die Behandlungswoche 196 ab. «Nur 10 Patienten brachen die Studie wegen mangelnder Wirksamkeit ab», unterstrich Lebwohl in diesem Zusammenhang. Beobachtungen zur Lebensqualität zeigten einen Anstieg derer, deren Lebensqualität nicht mehr durch die Psoriasis beeinträchtigt war (entsprechend DLQI 0/1) von 71,5 Prozent in Woche 16 auf 81,7 Prozent nach einem Jahr, sowie 78,7 Prozent in Woche 196 (7). s
Susanne Kammerer
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Quellen: 1. Paller A et al.: Safety, tolerability, and efficacy of a novel topical isotretinoin formu-
lation for the treatment of X-linked or lamellar congenital ichthyosis: Results from a phase 2a proof-of-concept study. J Am Acad Dermatol. 2022;87:1189-1191. 2. Teng JMC et al.: The CONTROL study: A randomized, double-blind vehicle-controlled phase 2b study of novel topical isotretinoin formulation demonstrates improvement in recessive X-linked and autosomal recessive lamellar congenital ichthyosis J Am Acad Dermatol. 2022;87(6):1455-1458. 3. Bunick Ch: Efficacy, safety and pharmacokinetics of first 17 adult and adolescent subjects in maximal use portion of vehicle controlled ASCEND trial of polyethylene glycol (iPEG™)-based topical isotretinoin 0.0. Late Breaker 2, AAD 2024.. 4. Kimball AB: Efficacy and safety of the oral Bruton’s tyrosine kinase inhibitor, remibrutinib, in patients with moderate to severe hidradenitis suppurativa in a randomized, phase 2, double-blind, placebo-controlled platform study. Late-Breaker 1, AAD 2024. 5. Holt A: Inflammatory skin disease following the use of SGLT2 inhibitors for diabetes mellitus. Late-Breaker 2, AAD 2024. 6. Ma SH et al.: Association between sodium-glucose co-transporter 2 inhibitors and risk of psoriasis in patients with diabetes mellitus: a nationwide population-based cohort study. Clin Exp Dermatol. 2022;47(12):2242-2250. doi:10.1111/ ced.15385 7. Lebwohl B et al.: Bimekizumab efficacy from treatment initiation through 4 years in patients with plaque psoriasis: A comprehensive, long-term, pooled analysis from BE BRIGHT. Late-Breaker 1, AAD 2024.
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