Transkript
BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Indolente systemische Mastozytose
Quaddel, Durchfall, Allergie – wenn Mastzellen akkumulieren
Die Symptome bei indolenter systemischer Mastozytose (ISM) sind vielfältig: juckendes Exanthem, Durchfälle, Anaphylaxie, Osteoporose sind nur einige davon. Mit dem Tyrosinkinase-Hemmer Avapritinib kann die Krankheitslast bei ISM deutlich gemindert und die Lebensqualität der Betroffenen gehoben werden.
Die indolente systemische Mastozytose (ISM) ist mit einer Inzidenz von 1:100 000 der häufigste Subtyp der systemischen Mastozytose (SM) und damit eine seltene Erkrankung. Allerdings dürfte es eine hohe Dunkelziffer geben, denn es ist nicht einfach, der ISM auf die Spur zu kommen. PD Dr. Jens Panse aus Aachen (D) erläuterte, woran das liegt: Der ISM liegt eine genetische Fehlsteuerung (Mutation KIT D816V) der Mastzellproliferation zugrunde. Dadurch akkumulieren in vielen Organen und im Knochenmark Mastzellen zu Nestern. Diese schütten Histamin aus, was je nach Menge und Lokalisation dieser Nester zu einer vielgestaltigen Symptompalette führt.
Exanthem, Bauchscherzen, Osteoporose ...
PD Dr. Frank Siebenhaar von der Charité Berlin (D) stellte eine Auswahl dieser Symptome vor: s 95 Prozent der ISM-Patienten entwickeln ein Exan-
them: Kleine, runde, braune monomorphe Läsionen, meist an Oberschenkeln und Rumpf, dazu kommen durch die Histamin-Ausschüttung Juckreiz und Quaddeln. Dies lässt sich auch mit Druck und Reibung provozieren (Darier-Zeichen.) s Am Gastrointestinaltrakt zeigt sich die ISM vor allem durch Diarrhöen und abdominelle Krämpfe. s Das Risiko für anaphylaktische Reaktionen mit Atemnot und Herz-Kreislauf-Symptomen ist erhöht; sie werden durch histaminhaltige Nahrungsmittel oder Allergene getriggert. s Auch am Zentralnervensystem kann sich die ISM bemerkbar machen, z.B. durch Fatigue, kognitive Störungen oder Depressionen. s Ebenso kann das muskuloskelettale System betroffen sein – ausser Arthralgien und Muskelschmerzen droht langfristig auch Osteoporose. Die ISM tritt hauptsächlich bei Erwachsenen zwischen dem 20 und 40. Lebensjahr auf. Wie Prof. Markus Tiemann vom Institut für Hämatopathologie Hamburg (D) berichtete, ist das Gesamtüberleben bei Patienten mit ISM im Vergleich zu Patienten mit rein kutaner Mastozytose eingeschränkt. In der Regel klagen die Patienten über mehrere Symptome, die sich diagnostisch nur schwer miteinander in Verbindung bringen lassen. Der Verdacht auf ISM sollte sich regen, wenn die Patienten das typische
Exanthem zeigen oder unspezifische Beschwerden an verschiedenen Organsystemen auftreten. Dann sollte der Tryptase-Spiegel im Blut bestimmt werden: Ein Wert über 20 ng/ml verstärkt den Verdacht, der sich mit dem Nachweis der KIT-D816V-Mutation bestätigen lässt. Allerdings gilt (noch) nur der Nachweis der Mastzellnester in der Knochenmark-Biopsie als beweisend für die ISM, so Panse.
Tyrosinkinase-Hemmer senkt Mastzellproliferation
Bisher zielte die Therapie darauf ab, die Histamin-Ausschüttung der Mastzellen zu bremsen. Doch Antihistaminika und Mastzellstabilisatoren halfen meist nur unzureichend, gehören aber derzeit zur besten unterstützenden Behandlung (best supportive care = BSC). Jetzt gibt es mit dem Tyrosinkinase-Hemmer Avapritinib (Ayvakyt®) eine gezielte Therapieoption: Es hemmt hochselektiv die Aktivierung des KIT-D816VGens und somit auch die Mastzellproliferation und -aktivierung. Weniger Mastzellen bedeuten weniger Histamin und weniger Beschwerden. Avapritinib ist bereits bei fortgeschrittener systemischer Mastozytose in deutlich höherer Dosierung zugelassen. Die Effektivität von Avapritinib bei ISM konnte in der PIONEER-Studie belegt werden (1). Wie Prof. Marcus Maurer aus Berlin (D) berichtete, erhielten 212 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer ISM zusätzlich zu BSC entweder Avapritinib 25 mg einmal täglich (n = 141) oder Plazebo (n = 71). Vom Ausgangswert bis Woche 24 hatten die mit Avapritinib behandelten Patienten eine Abnahme des TSS um durchschnittlich 15,6 Punkte im Vergleich zu 9,2 Punkten unter Plazebo (p < 0,003). 45 Prozent der Patienten in der Verumgruppe hatten einen Rückgang im TSS um mindestens 30 Prozent – bei 25 Prozent sank der Symptom-Score sogar um mehr als die Hälfte. Ödeme und Anstiege der alkalischen Phosphatase traten bei Avapritinib häufiger auf als bei Plazebo. s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Online-Pressegespräch, ISM-Expertenzirkel «We MAST talk» (Veranstalter: Blueprint Medicines), am 20. März. 2024.
Referenz: 1. Gotlib J et al.: Avapritinib versus Placebo in Indolent Systemic Mastocytosis. NEJM
Evid. 2023;2(6). doi: 10.1056/EVIDoa2200339
SZD 2/2024
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