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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Allergologische Diagnostik
Der Duft, aus dem die Allergene sind
Seit über 10 Jahren gehen die allergischen Reaktionen gegenüber Duftstoffen zurück, nicht zuletzt dank einer konsequenten Regulierung seitens der Behörden und der wissenschaftlichen Begleitung durch den Informationsverbund Dermatologischer Kliniken (IVDK). Am 10. Burghalde-Symposium in Lenzburg erklärte Dr. rer. nat. Steffen Schubert vom IVDK, dass immer noch viele Düfte ihren «allergologischen Preis» haben können.
Foto: KD
Steffen Schubert
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Schon seit 1989 wird in den Kliniken des Informationsverbunds Dermatologischer Kliniken (IVDK) ein standardisierter Duftstoff-Mix epikutan bei Patientinnen und Patienten auf allergische Reaktionen getestet. Dieser «Duftstoffmix 1» besteht aus 8 einzelnen Komponenten, wie beispielsweise Isoeugenol, Eichenmoos absolue, Hydroxycitronellal oder Eugenol. Beispielsweise besteht Nelkenöl zu 90 Prozent aus Eugenol. Während Ende der 90er Jahre eine Zunahme bis auf 13 Prozent positive Reaktionen beobachtet wurde, konnte danach (mit einem neuerlichen Peak Mitte der 2000er Jahre) bei diesem Gemisch eine Abnahme der Reaktionen bis auf 4,6 Prozent im Jahr 2022 verzeichnet werden. Eine zweite Duftstoffreihe, der «Duftstoffmix 2», der seit 2005 getestet wird, bestätigt diesen sinkenden Trend.
Epikutantest mit Duftstoffmix
Diese Abnahme der allergischen Reaktionen gegenüber Duftstoffen hängt mit der Regulation durch die EU in den vergangenen Jahren zusammen. Dadurch würden die eingesetzten Konzentrationen immer geringer, erklärte am 10. allergologischen Burghalde-Symposium in Lenzburg Dr. rer. nat. Steffen Schubert von der IVDK-Zentrale aus Göttingen (D): «Wir haben hinsichtlich der allergischen Reaktionen auf Duftstoffe aktuell einen historischen Tiefstand.» Beispielsweise untersagte die letzte Verordnung im Jahr 2019 die Nutzung der 3 sehr potenten Allergene HICC (Hauptallergen im Duftstoffmix 2), Atranol und Chloratranol (sehr potente Allergene in «Eichenmoos absolue») in kosmetischen Produkten. Reagiert ein Patient im Epikutantest positiv auf den Duftstoffmix, sollte dieser aufgeschlüsselt und das Allergen detektiert werden, das für die Hautreaktionen ursächlich ist. Gemäss der Aufschlüsselung des Duftstoffmix 1 ist heute Isoeugenol mit 23 Prozent Reaktionen das «Topallergen» unter den Duftstoffen. Allerdings gibt es, beispielsweise aufgrund irritativer Reaktionen, relativ häufig falsch positive Re-
aktionen auf den Mix, so dass bei der Einzeluntersuchung der Inhaltsstoffe häufig nichts gefunden wird (1). Umgekehrt kann die Aufschlüsselung in manchen Fällen auch falsch negative Resultate zeigen, nicht zuletzt, weil die Testkonzentrationen bestimmter Einzelsubstanzen bisweilen zu gering angesetzt sind.
Limonen und Linalool
Sehr weit verbreitet in vielen ätherischen Ölen, Parfüms oder Kosmetika sind Limonen und Linalool. Auch bei Desinfektionsmitteln und Klebstoffen mit dem typischen Zitronengeruch wird Limonen häufig beigemischt. «Jeder von uns wird in irgendeinem Produkt zuhause höchstwahrscheinlich diese Substanzen haben, die Konsumentenexposition ist wirklich sehr hoch», erklärte Schubert. Beide Stoffe tendieren zur Autoxidation, so dass sich Hydroperoxide (-OOH) bilden, die wiederum spezifische Kontaktallergene sind. Während die Hydroperoxide von Limonen bei 3,1 Prozent der Getesteten Reaktionen verursachten, waren es bei den Hydroperoxiden von Linalool 8,8 Prozent, «und das ist ein verdammt hoher Wert», so Schubert (2). Dazu kommen noch mehr irritative Hautveränderungen. Allerdings seien die Konzentrationen dieser beiden Stoffe in den Tests wesentlich höher als in den «bedufteten» Produkten selbst (nur 4 von 104 mit > 50 ppm -OOH), weshalb man bei der Interpretation der klinischen Tests sehr vorsichtig sein sollte. Denn aufgrund der irritativen Eigenschaften der Testzubereitungen seien wahrscheinlich sehr viele falsch-positive Befunde erhoben worden, besonders für die Hydroperoxide von Linalool, sagte Schubert (3, 4). Trotzdem: Wenige Patienten reagierten bereits auf eine Limonen-Konzentration von nur 5 ppm. Untersuchungen haben gezeigt, dass besonders Ulkus-Patienten jenseits der 40 Jahre mit venöser Insuffizienz ein erhöhtes Risiko besitzen, auf solche und andere Stoffe in geringer Konzentration zu reagieren.
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2000 und 2008 (6). Häufig hatten die Patienten auf mehrere ätherische Öle gleichzeitig reagiert, was nicht verwunderlich ist, da sie Substanzgemische sind und die einzelnen Allergene mitunter in verschiedenen Ölen enthalten sind.
Ylang-Ylang (Cananga odorata) ist ein immergrüner, schnellwachsender Baum aus der Familie der Ylang-Ylang (Cananga odorata); er stammt ursprünglich von den Philippinen und aus Indonesien. Aus den intensiv duftenden Blüten wird das ätherische Ylang-Ylang-Öl gewonnen. Das von Honigbienen produzierte Propolis ist ein harzartiges Material, das zur Abdichtung und Instandhaltung des Bienenstocks benutzt wird und aus über 300 unterschiedlichen chemischen Verbindungen besteht.
Propolis
Das von Honigbienen zur Abdichtung und Desinfek-
tion der Bienenstöcke hergestellte Propolis besteht
zu 50 Prozent aus Harzen und pflanzlichen Bestand-
teilen, zu 35 Prozent aus Wachs, zu 5 bis 10 Prozent
aus aromatischen Ölen und zu 5 Prozent aus Pollen
und anderen Stoffen. Insgesamt sind im Propolis
mehr als 300 unterschiedliche Substanzen enthalten.
Es ist damit ein sehr heterogenes Gemisch, das je
nach Standort der Bienenvölker in seiner Zusammen-
setzung stark variieren kann. Propolis wird in einem
breiten Spektrum von Anwendungsgebieten thera-
peutisch genutzt, wobei wissenschaftliche Evidenzen
für viele Bereiche fehlen.
Deutschland hat seit 2014 eine Vervierfachung des
Imports von Propolis zu verzeichnen; Hauptimpor-
teur ist mit über 80 Prozent China. Parallel dazu
wurde vom IVDK in Epikutantests eine Zunahme von
allergischen Reaktionen auf Propolis von 3,5 Prozent
(2013) auf 4,7 Prozent (2019) festgestellt (7), Tendenz
weiter steigend.
In 3 Schweizer Dermatologischen Kliniken (Aarau,
Bern, Zürich) kam es in jüngster Vergangenheit in kur-
zer Zeit (2021 und 2022) zu einem massiven Anstieg
von positiven Reaktionen auf Propolis von rund 4,5
Prozent (2019) auf über 20 Prozent (2022). Wie sich
jedoch herausstellte, war diese Zunahme nicht auf
den Naturstoff selbst, sondern auf Verunreinigungen
im Herstellerland (in diesem Fall Brasilien) zurückzu-
führen.
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Ätherische Öle
Auch ätherische Öle wurden umfangreich getestet, nämlich bei knapp 11 000 Patienten (5). Von ihnen reagierten 8,3 Prozent auf mindestens ein ätherisches Öl. Betroffene, die eine solche positive Reaktion zeigten, waren typischerweise weiblich, älter als 40 Jahre, litten unter einer Bein-Dermatitis (z. B. chronische Venenkrankheit, Ulcera) oder setzten Leave-on-Kosmetika, Parfüms oder topische Medikamente ein. Bei Masseuren/Masseurinnen und Kosmetikerinnen sind solche ätherischen Öle in vielen Fällen ursächlich für eine anerkannte Berufskrankheit. Unter den zwischen 2010 und 2019 getesteten Ölen zeigten sich im Epikutantest vor allem folgende Substanzen für die Reaktionen verantwortlich (5): Ylang-Ylang-Öl (3,9%), Lemongrasöl (2,6%), Jasminöl (1,8%), Sandelholzöl (1,8%), Nelkenöl (1,6%) und Neroliöl (1,1%). Diese neueren Ergebnisse waren nahezu identisch mit den Resultaten von älteren Tests zwischen den Jahren
Klaus Duffner
Quelle: 10. Allergologisches Burghalde-Symposium, Vortrag von Steffen Schubert (IVDK): «Der richtige Riecher – Neues zur Duftstoffallergie», am 31. September 2023 in Lenzburg.
Referenzen: 1. Geier J et al.: Information Network of Departments of Dermatology. A negative
breakdown test in a fragrance mix I-positive patient does not rule out contact allergy to its fragrance constituents. Contact Dermatitis. 2021;84(6):407-418. 2. Schubert S et al.: Patch testing hydroperoxides of limonene and linalool in consecutive, patients – Results of the IVDK 2018–2020. Contact Dermatitis. 2023;89 (2):85-94. 3. Natsch A et al.: Exposure source for skin sensitizing hydroperoxides of limonene and linalool remains elusive: An analytical market surveillance. Food Chem Toxicol. 2019;127:156-162. 4. Bennike NH: Allergic contact dermatitis caused by hydroperoxides of limonene and dose-response relationship – A repeated open application test (ROAT) study. Contact Dermatitis. 2019;80(4):208-216. 5. Geier J et al.: Contact sensitization to essential oils: IVDK data of the years 2010– 2019. Contact Dermatitis. 2022;87(1):71-80. 6. Uter W et al.: Contact allergy to essential oils: current patch test results (2000– 2008) from the Information Network of Departments of Dermatology (IVDK). Contact Dermatitis. 2010;63(5):277-283. 7. Schubert S et al.: Contact sensitization to propolis in the Information Network of Departments of Dermatology (IVDK) 2013 to 2019 and market survey of propolis commerce in Germany Contact Dermatitis. 2021;85(6):722-724.
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