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KONGRESSBERICHT
EADV 2023
Vitiligo
Repigmentierung mit topischem JAK-Hemmer braucht Geduld
Ein Silberstreif am Therapie-Horizont für Vitiligo-Patienten zeichnet sich ab: mit einer 1,5-prozentigen Ruxolitinib-Creme regenerieren sich die Melanozyten. Allerdings dauert dies. Das heisst: je länger behandelt wird, desto mehr Pigment kehrt zurück.
Die Behandlung von Patienten mit Vitiligo war bisher eine eher undankbare Aufgabe für Dermatologen – vor allem, weil bisher keine wirklich suffiziente Therapie zur Verfügung stand. Versuche mit topischen Steroiden plus UV-Bestrahlung halfen nicht ausreichend. Doch die Läsionen – besonders die im Gesicht – belasten die Betroffenen. Denn die Umgebung empfindet die weissen Flecken vielfach als abstossend – was Folgen für die psychosoziale Gesundheit der Patienten und damit für die Lebensqualität hat. Je früher der Verlust des Hautpigments einsetzt und je deutlicher der Kontrast zur gesunden Haut ist (dunkle Hauttypen), desto mehr leiden die Patienten unter dem Stigma, sagte Professor Julien Seneschall aus Bordeaux (F) beim EADV-Jahreskongress in Berlin.
Zytokin-Angriff auf Melanozyten
Mit den Fortschritten in der immunologischen Forschung haben sich nun auch bei Vitiligo neue Perspektiven ergeben. So sind die Forscher der komplexen Pathophysiologie auf die Spur gekommen. Unter anderem ist nun klar, dass Zytokine (z. B. Interferongamma = IFN-γ) T-Lymphozyten dahingehend aktivieren, dass diese Melanozyten angreifen – und ohne Melanozyten auch kein Melanin. Um diesen Prozess zu unterbinden, heisst es, die Interferon-(Über)Produktion zu vermindern. IFN-γ wird, wie viele andere Zytokine, über den JAK-SAT-Signalweg in der Zelle gesteuert. Hier bietet sich ein Angriffspunkt für die Therapie an: Werden die Jaunuskinasen (JAK) gehemmt, wird auch die INF- γ-Produktion gesenkt. In der Folge können sich die Melanozyten wieder erholen und Melanin produzieren.
Phase-III-Studie mit topischem JAK-Hemmer
Da sich das autoinflammatorische Geschehen bei Vitiligo direkt in der Haut abspielt, lag es nahe, mit einer topischen JAK-Hemmung das Problem anzugehen. Und das funktioniert mit dem JAK1/JAK2Hemmer Ruxolitinib, der systemisch bereits u. a. bei Myelofibrose und Polycythaemia vera eingesetzt wird. In den Vehikel-kontrollierten Phase-III-Zulassungsstudien TRuE-V1 und TRuE-V2 wurde Ruxolitinib in einer Creme-Grundlage (1,5%) bei 674 Patien-
ten erprobt. Ergebnis: Nach 24 Wochen mit 2-mal täglichem Auftragen der Verum-Creme konnte eine signifikante Verbesserung der Repigmentierung im Gesicht und am gesamten Körper festgestellt werden. So erreichten 29,8 Prozent bzw. 30,9 Prozent der mit Ruxolitinib-Creme behandelten Patienten den primären Endpunkt, eine ≥ 75-prozentige Verbesserung des Vitiligo-Bewertungs-Index (Facial Vitiligo Area Scoring Index = F-VASI 75), verglichen mit 7,4 Prozent bzw. 11,4 Prozent der Patienten, die nur die Creme-Grundlage erhalten hatten. In Woche 52 erzielte etwa die Hälfte der mit Verum behandelten Patienten einen F-VASI 75 (1). Seit April 2023 ist die Ruxolitinib-Creme (Opzelura®) in der EU für die Behandlung von nichtsegmentaler Vitiligo zugelassen. Über eine Zulassung in der Schweiz liegen derzeit noch keine Informationen vor.
Weitere Besserung im 2. Behandlungsjahr
Allerdings: Einen F-VASI 90 erreichten nur sehr wenige Patienten im ersten Behandlungsjahr. Um zu untersuchen, ob eine weitergeführte topische Ruxolitinib-Behandlung diesen Wert verbessert, wurde eine Verlängerung der Studie auf insgesamt 104 Wochen aufgelegt. Wie Professor Thierry Passeron aus Nizza (F) berichtete, waren nach 2 Jahren kontinuierlicher Behandlung bei immerhin 33,9 Prozent der 222 Verum-Patienten 90 Prozent der Farbe im Gesicht zurückgekehrt (2). Aber auch bei weniger hoch gesteckten Zielen konnte mit weitergeführter Ruxolitinib-Behandlung eine höhere Erfolgsrate erzielt werden. Einen F-VASI 75 erreichten im Vergleich zum Ausgangswert nach zwei Jahren 66,1 Prozent der Patienten in der Verumgruppe. Eine mindestens 50-prozentige Verbesserung aller Hautstellen (T-VSI 50) konnte bei 63,8 Prozent der Ruxolitinib-Patienten festgestellt werden (3). In der Subgruppen-Auswertung ergaben sich keine Unterschiede bei den Hauttypen, zwischen Jugendlichen und Erwachsenen oder bei der Vorbehandlung. Lediglich bei den Geschlechtern zeigte sich, dass Frauen etwas häufiger einen F-VASI 75 erreichten (73,1%) als Männer (56,3%).
16 SZD 1/2024
KONGRESSBERICHT
EADV 2023
Die Verträglichkeit war auch in der Langzeitbehand-
lung gut. Die häufigsten behandlungsbedingten
Nebenwirkungen waren Juckreiz und Akne an den
behandelten Hautarealen bei 6,3 Prozent der Verum-
Patienten (3).
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Mittagssymposium «The Dawn of a New Era in Vitiligo Management» (Veranstalter: Incyte) beim Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), am 13. Oktober 2023 in Berlin und online.
Referenzen: 1. Rosmarin D et al.: Two Phase 3, Randomized, Controlled Trials of Ruxolitinib Cream
for Vitiligo. N Engl J Med. 2022;387:1445-1455. doi: 10.1056/NEJMoa2118828. 2. Rosmarin D, et al.: Facial and total vitiligo area scoring index response shift during
104 weeks of ruxolitinib cream treatment for vitiligo: results from the open-label arm of the TRuE-V long-term extension phase 3 study. AAD 2023, Late breaker presentation, Abstract 46163. 3. Seneschall J et al.: Efficacy and Safety of Ruxolitinib Cream Through Week 104 in Patients With Vitiligo: Subgroup Analysis of the TRuE-V Long-Term Extension Phase 3 Study. EADV 2023, Abstract Nr. 927.
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