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BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Physikalische Einflüsse auf die Haut
Klimawandel beeinflusst auch dermatologische Erkrankungen
Der Klimawandel ist die derzeit wohl grösste globale Herausforderung und hat auch einen Einfluss auf diverse Erkrankungen, darunter auch auf Dermatosen. In einem aktuellen Review wurden die wesentlichen klimatischen Einflussfaktoren hinsichtlich der Haut diskutiert.
Sowohl die Inzidenz der atopischen Dermatitis (AD) als auch diejenige von allergischen Erkrankungen ist in den letzten Jahrzenten angestiegen, was unter anderem auf veränderte klimatische Faktoren zurückgeführt wird. Heute ist die Haut vermehrt ultravioletter Strahlung und Umweltschadstoffen ausgesetzt, was zu erhöhtem oxidativem Stress in der Haut, vorzeitiger Hautalterung, einer zunehmenden Entstehung von Hautkrebs und zu Barrierestörungen führt.
Kälte und Wärme beeinflussen die AD
Die Temperatur ist ein wesentlicher Einflussfaktor hinsichtlich der AD: Sowohl sehr hohe als auch sehr niedrige Temperaturen induzieren die Produktion proinflammatorischer Zytokine wie IL-1β und Prostaglandin E2. In der Folge kommt es zu einer Aktivierung der TRPV(transient receptor potential vallinoid)-Kationenkanäle und zu einer Exazerbation von AD-Symptomen (Abbildung). Epidemiologische Untersuchungen machten deutlich, dass Kinder, die in der kalten Jahreszeit geboren wurden, häufiger an AD erkranken. Dies deckt sich mit der Erfahrung, dass die meisten AD-Patienten im Winter verstärkt unter Juckreiz und Effloreszenzen leiden. Tatsächlich zeigen Studien, dass die Epidermis im Winter schlechter hydratisiert ist. Doch inzwischen wurde belegt, dass auf der anderen Seite erhöhte Temperaturen, wie sie immer häufiger aufgrund des Klimawandels vorliegen, zu einer Dysfunktion der Hautbarriere führen können. Studien aus den Südstaaten der USA zufolge ziehen Temperaturen über 25,3 Grad Celsius eine erhöhte Neigung zu Flares nach sich; bei solchen Wetterlagen suchen Patienten häufiger AD-Ambulanzen auf. Eine weitere Untersuchung kam zum Schluss, dass sowohl höhere Temperaturen als auch eine stärkere Sonnenexposition bei Kindern und Jugendlichen mit AD (< 18 Jahre) zu einem schlecht kontrollierten Krankheitsbild führen.
Hohe Temperaturen sind zudem auch ein Trigger des Juckreizes bei AD, wie Studien aus Nigeria gezeigt haben. Einer Studie zufolge führt Hitze zu einer verstärkten Produktion von in Keratinozyten gebildeten Pruritogenen wie TSLP (Thymic Stromal Lymphopoietin), Nervenwachstumsfaktoren und Prostaglandin E2. Diese Erkenntnisse sind besonders wichtig, weil sie sich nicht nur auf Pruritus beschränken: TSLP ist zum einen eine der am stärksten juckreizfördernden Substanzen, zum anderen fördert es den atopischen Marsch. Sonnenbrände und eine UV-Überexposition führen ausserdem zu Hautschmerzen und schädigen direkt die Epidermis. Klimatische Veränderungen gehen auch mit Veränderungen der Feuchtigkeit Hand in Hand: Sowohl eine zu niedrige als auch eine zu hohe Feuchtigkeit schwächen die Barrierefunktion der Haut.
Einfluss von Klimafaktoren auf Asthma und andere allergische Erkrankungen
Der Temperaturanstieg aufgrund der globalen Erwärmung führt zu einem früheren Abblühen der Vegetation, einer erhöhten Pollenbelastung und einer insgesamt längeren Pollensaison. Die erhöhte Produktion von Pollenallergenen begünstigt allergische Erkrankungen wie Asthma, allergische Rhinitis und allergische Bindehautentzündung. Mehr als 100 epidemiologische Studien untersuchten die nachteiligen Auswirkungen extremer Temperaturen auf Asthmaanfälle. Hier zeigte sich, dass sowohl extreme Hitze als auch Kälte das Risiko einer Exazerbation von Asthma und allergischen Erkrankungen erheblich erhöhen können. Heisse Umgebungstemperaturen korrelieren auch mit einer höheren Rate von Asthmaexazerbationen bei Kindern. Zudem zeigte sich in Studien, dass Schwankungen der Umgebungstemperatur signifikant mit einer Krankenhauseinweisung wegen Asthma und einer Exazerbation der allergischen Rhinitis korrelieren. Schwankende Temperatu-
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ren scheinen die Inflammation der Atemwege zu ver-
stärken.
Die Autoren betonen abschliessend, dass das Wis-
sen, wie sich Temperaturschwankungen auf allergi-
sche Erkrankungen auswirken, für die Entwicklung
von Massnahmen zur Vorbeugung und Behandlung
allergischer Erkrankungen von entscheidender Be-
deutung ist. Die temperaturbedingte Aktivierung
von TRPV-Kationenkanälen ist wesentlich an der Aus-
lösung von Juckreiz, Flares, Hautbarrieredysfunktion,
der Entwicklung von AD und Asthmaanfällen betei-
ligt. Ein möglicher künftiger Ansatzpunkt, um dele-
täre klimatische Auswirkungen zu verhindern, be-
steht in der pharmakologischen Blockierung der
TRPV-Kationenkanäle, was temperaturbedingten
Juckreiz, Barrierestörungen, die Verschlimmerung
von AD und allergische Erkrankungen verhindern
oder wenigstens abschwächen könnte.
s
Kälte
Hitze
Aktivierung von TRPV1
Aktivierung von TRPV1, 3 & 4
IL-1β,TNF-α, TSLP
TSLP, Artemin, PGE2, NGF
FLG & LOR TEWL
Pruritus & Entzündung der Haut
AD-Exazerbationen AD-Entwicklung
AD: atopische Dermatitis NGF: Nervenwachstumsfaktor PGE2: Prostaglandin E2 TNF: Tumornekrosefaktor TSLP: Thymic Stromal Lymphopoietin TRPV: transient receptor potential vanilloid
Susanne Kammerer
Referenz: 1. Hui-Beckman J et al.: The impact of temperature on the skin barrier and atopic
dermatitis. Ann Allergy Asthma Immunol. 2023;131:713-719.
Abbildung: Sowohl zu hohe als auch zu niedrige Temperaturen führen über eine Aktivierung der TRPV zu Juckreiz und AD-Exazerbationen. Quelle: modifiziert nach Hui-Beckman et al. (1).
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