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KONGRESSBERICHT
SGDV
Tinea genitalis
Pilze auf dem Mons pubis
Nicht nur Candida, auch viele andere Mykosen tummeln sich im Genitalbereich. Diese sind oft nicht einfach zu entdecken – und auch bei der Behandlung ist Einiges zu beachten. Gerade zoophile Keime können oft starke und vernarbende Entzündungen hervorrufen.
Christian Greis
Keine Frage: Pilzerkrankungen der Haut sind die Domäne der Dermatologen. Allerdings gehen Patienten, wenn’s «untenrum» juckt, nicht als Erstes zum Haut-, sondern allenfalls zum Hausarzt – wenn sie nicht selbst mit frei verkäuflichen Salben und Tinkturen herumexperimentieren. Den Weg zum Dermatologen finden die Patienten meist erst, wenn sich die Beschwerden nicht bessern oder sogar verschlimmern.
Verschlechterung unter topischer Dreifachtherapie
Einen solchen Fall stellte Dr. Christian Greis vom Universitätsspital Zürich auf der diesjährigen Tagung der Schweizer Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) vor: Eine junge Frau hatte zunächst Papeln im Schambereich entwickelt. Im Verlauf einer dreimonatigen Behandlung mit einem topischen Kombinationspräparat aus Betamethasondipropio-
nat, Gentamicin und Clotrimazol kamen indurierte flächige Plaques, kleine perifollikuläre Pusteln und zunehmend Schmerzen hinzu (Abbildung 1 und 2). Auch wenn das Hautbild iatrogen bedingt nicht einer klassischen Tinea entspricht, empfiehlt es sich, eine Mykose auszuschliessen. Hierfür sollten aus dem befallenen Bereich Hautschuppen und auch einige Schamhaare – am besten an den Pusteln – entnommen und unter dem Mikroskop direkt begutachtet werden, so Greis. Im Falle der vorgestellten Patientin zeigte sich im Nativ-Präparat um den Haarschaft (exothrix) reichlich Pilzmycel (Abbildung 3). Mittels PCR konnte eine genauere Spezifizierung vorgenommen werden: in dem Beispielfall wurde Microsporum canis identifiziert – ein Erreger, der zu den Dermatophyten zählt. Diese sind wiederum die häufigste Ursache von Tinea corporis, wobei ein Prozent der Dermatophyten-Infektionen sich im Genitalbereich etablieren, so Greis.
20 SZD 5/2023
KONGRESSBERICHT
SGDV
Abbildung 1: Tinea genitalis, Vorstellungsbefund
Abbildung 2: Tinea genitalis, Detailaufnahme
Microsporum canis häufig bei Katzenhaltern
Wie Greis weiter berichtete, sei Microsporum canis als Erreger einer Tinea genitalis bei jungen Frauen gar nicht so selten – vor allem, wenn sie Katzen halten. Der Infektionsweg läuft hier mit hoher Wahrscheinlichkeit via Autoinokulation: von den Katze-streichelnden Händen in den Schambereich. Autoinokulation kann auch dazu führen, dass der Fusspilz sich im Schambereich breit macht: Die Keime werden mit dem Anziehen der (Unter)Hose von den Füssen (auch Fussnägeln) in den Schambereich transportiert. Zu den Risikofaktoren für eine Tinea genitalis gehört daher – ausser einer bereits bestehenden Mykose – der Kontakt zu Tieren. Des Weiteren kann auch die Rasur der Schamhaare sowie die Reibung von (kranker) Haut auf Haut (z. B. beim Sex) die Pilze übertragen. Generell erhöhen auch Immundefizite, Diabetes, Adipositas und Hyperhidrose das Risiko, sich eine Mykose im Genitalbereich einzufangen.
Kortikosteroide reduzieren das Vernarbungsrisiko
Was ist zu tun, wenn sich eine schwere Tinea genitalis wie im Fall der Beispiel-Patientin etabliert hat? Um der Patientin wegen ihrer Schmerzen schnell helfen zu können, verordnete Greis direkt nach dem Pilz-
Folgende Faktoren können die Entstehung einer Tinea genitalis begünstigen:
s vorbestehende Pilzinfektionen wie Onychomykosen oder Fusspilz s Haut-zu-Haut-Kontakt (z. B. beim Sex) s Kosmetische Manipulationen wie Intim-Rasur oder -Waxing s Tierkontakt s Immunsuppression s Diabetes s Adipositas s Hyperhidrose.
Abbildung 3: Pilzmycel um den Haarschaft (exothrix) im Nativ-Präparat
nachweis im Nativpräparat systemisch Terbinafin, ein
topisches Azol-Präparat – und systemische Kortiko-
ide. Dies klinge erst einmal paradox, so Greis. Doch
die Steroide seien wichtig: Denn durch das Antimy-
kotikum kommt es zum massenhaften Zerfall des Pilz-
materials, was starke, schmerzhafte und vernarbende
Entzündungen auslöst. Mit Kortikoiden könne dem
Einhalt geboten werden, betonte Greis. Die übliche
Therapiedauer beträgt 6 bis 8 Wochen. Greis behan-
delt allerdings so lange, bis sich in der PCR die Erre-
ger nicht mehr nachweisen lassen.
Der Züricher Dermatologe wies auch darauf hin, dass
die Dermatophyten-Infektionen zu Abszessen führen
können. Doch eine voreilige Abszessspaltung bei
fehlendem Therapieansprechen solle möglichst ver-
mieden werden. Hier sei die Kombination aus syste-
mischem Antimykotikum und Kortikoid vorzuziehen.
Gerade bei multiplen Abszessen im Genitalbereich
sollte eine Pilzdiagnostik mit Nativpräparat erfolgen,
bevor das Messer angesetzt werde.
s
Angelika Ramm-Fischer
Veranstaltung: Session «Clinical cases and their pathological correlations» bei der Jahrestagung der Schweizer Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV),am 8. September 2023 in Lausanne.
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