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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
AAD 2023
Seltene Komorbiditäten der Psoriasis
Was man bei Psoriasis-Patienten nicht übersehen sollte
Aufgrund systemischer Entzündungsprozesse können bei Patienten mit Psoriasis Begleiterkrankungen an verschiedensten Organsystemen auftreten. Eher seltene Erkrankungen, an die man denken sollte, sind eine Uveitis, sexuelle Funktionsstörungen und Depressionen.
Kardiovaskuläre und metabolische Erkrankungen sind bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis bekanntermassen häufig. Doch es gibt auch seltene komorbide Erkrankungen, die man nach Ausführung von Prof. April Armstrong aus Los Angeles (Kalifornien/USA) im Auge behalten sollte. «Nicht immer steckt hinter roten Augen eine Konjunktivitis», erklärte sie in ihrem Vortrag. Bei Patienten mit Psoriasis sollte hier an eine Uveitis gedacht werden, die einoder beidseitig auftreten kann. In der Allgemeinbevölkerung ist diese Entzündung der mittleren Augenhaut selten und betrifft maximal 0,15 Prozent. Im Gegensatz dazu leiden 7 bis 20 Prozent aller Psoriasispatienten an einer Uveitis, besonders viele Jahre nach der Erstdiagnose. Wie bei der Psoriasis, so sind auch in der Pathogenese der Uveitis TH17- und TH1-Signalwege involviert. Besonders bei Patienten mit Gelenkbeteiligung ist das Risiko für eine Uveitis erhöht. Zudem ist die Hälfte der Fälle der akuten anterioren Uveitis mit der genetisch determinierten HLA-B27-Variante assoziiert. Am häufigsten klagen Patienten über «trockene Augen»; im Fall der anterioren Uveitis kommt es auch zu Schmerzen und einer Rötung. Dagegen tritt kein Visusverlust auf. Hört oder bemerkt man diese Symptome, so sollten Patienten umgehend an einen Augenarzt überwiesen werden. Die Therapie beim Augenarzt besteht je nach Befund in topischen, periokulären oder intravitrealen Kortikosteroiden. Auch TNF-Blocker wie Adalimumab, Infliximab und Golimumab haben sich sowohl bei Uveitis als auch bei Psoriasis als wirksam erwiesen.
Aktiv nach genitalen Funktionsstörungen fragen
Weitere Komorbiditäten, die häufig nicht beachtet werden, sind die genitale Psoriasis und damit einhergehende sexuelle Dysfunktionen. Nach Ausführung von Armstrong werden solche Probleme, die bei 35 bis 63 Prozent aller Psoriasispatienten vorkommen,
aus Scham häufig nur auf direkte Nachfrage angegeben. Bei intertriginösem Befall tritt häufig sekundär eine Candida-Infektion auf. Armstrong empfahl bei intertriginöser Psoriasis die Behandlung mit 0,3-prozentiger Roflumilast-Creme, die seit 2022 in den USA zugelassen ist. So lassen sich nach 8 Wochen bei bis zu 70 Prozent der Patienten eine vollständige oder fast vollständige Abheilung der Hautläsionen erreichen. Gerade eine genitale Psoriasis geht oft mit einer empfindlichen Einschränkung der Lebensqualität einher: In einer aktuellen Untersuchung zeigte sich, dass mehr als die Hälfte der Psoriasispatienten aufgrund ihrer Erkrankung sexuelle Kontakte vermeiden (1). Die Behandlung mit Biologika hat eine deutliche Verbesserung der sexuellen Dysfunktion bei Patienten mit genitaler Psoriasis zur Folge, was für die Behandlung mit Ustekinumab und mit dem IL-17Blocker Ixekizumab nachgewiesen ist (2, 3).
Der Patient Health Questionnaire (PHQ-2) zum Nachweis einer Depression
Nicht nur im physischen, auch im psychischen Bereich können komorbide Störungen auftreten. Nach Ausführung von Armstrong haben Psoriasispatienten etwa doppelt so häufig Depressionen wie die Allgemeinbevölkerung. Als Ursache gelten auch hier Zytokine, die sowohl bei Psoriasis als auch bei Depression eine Rolle spielten, wie TNF-α, IL-17 und IL-6: Diese Zytokine führen zudem zu einer erhöhten Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke, was vermehrte inflammatorische Prozesse im Gehirn nach sich zieht. Um die Diagnose einer Depression nicht zu verschleppen, empfahl Armstrong zur Anwendung in der dermatologischen Praxis den PHQ-2, einen psychodiagnostischen Test, bei dem mit nur zwei Fragen der Verdacht auf eine Depression gestellt werden kann. Konkret wird im PHQ-2 erfragt, wie oft man sich im Verlauf der letzten zwei Wochen durch Interes-
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sens- und Freudeverlust (Frage 1) sowie durch Nie-
dergeschlagenheit, Schwermut oder Hoffnungslosig-
keit (Frage 2) beeinträchtigt gefühlt hat. Für jede
Frage gibt es vier Antwortmöglichkeiten; bei Ver-
dacht auf eine Depression sollten Patienten umge-
hend an den Facharzt überwiesen werden können.
Auch bei Depressionen gibt es Studien, die darauf
hinweisen, dass eine effektive Therapie depressive
Symptome verbessert, z. B. bei Behandlung mit
Apremilast und Brodalumab. Allerdings ist der zu-
grundeliegende Wirkmechanismus nach Ausführung
von Armstrong nicht hinreichend geklärt.
s
Quelle: Vortrag F030 «Considering comorbidities in psoriasis patients» beim Jahrestreffen der American Academy of Dermatology (AAD) 2023, 17. bis 21. März 2023 in New Orleans (Louisiana/USA).
Referenzen: 1. Kędra K et al.: Dysfunction in Women and Men with Psoriasis: A Cross-Sectional
Questionnaire-Based Study. Medicina (Kaunas). 2022;58(10):1443. 2. Guenther L et al.: Impact of ustekinumab on health-related quality of life and sexual
difficulties associated with psoriasis: results from two phase III clinical trials. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2011;25(7):851-857. 3. Ryan C et al.: Ixekizumab provides persistent improvements in health-related quality of life and the sexual impact associated with moderate-to-severe genital psoriasis in adult patients during a 52-week, randomised, placebo-controlled, phase 3 clinical trial. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2022;36(4):e277-e279.
Susanne Kammerer
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