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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
AAD 2023
Psoriasis vulgaris
Die Qual der Wahl bei der Therapie
Schon heute steht eine Vielfalt an Therapeutika zur Behandlung der Psoriasis zur Verfügung. Doch der medizinische Fortschritt geht weiter: Besonders bei den «small molecules» gibt es interessante Kandidaten in der Pipeline.
Nach Ausführung von Prof. Bruce E. Strober aus New Haven (Connecticut/USA) kann heute dank der Vielfalt der zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten für jeden Patienten das «richtige» Arzneimittel gefunden werden (1). «Erste Wahl bei einer Gelenkbeteiligung ist ein IL-17-Blocker», so der Dermatologe. Die IL-23-Blocker haben den Vorteil eines langen Dosierungsintervalls und gelten als sehr sicher. Zudem wird indirekt durch die Blockade von IL-23 auch IL-17 gehemmt, nachhaltiger als durch die direkte Blockade. Dies könnte nach Ansicht von Strober ein Grund für die bessere Arzneimittelpersistenz der IL-23-Blocker sein, die sich in Studien zeigte (1). Selbst für besondere Lebenssituationen stehen inzwischen wirksame Arzneimittel zur Verfügung. Ein Beispiel hierfür ist der TNF-Blocker Certolizumab Pegol: Da der Antikörper keine Fragment-kristallisierbare (Fc)-Region hat, bindet er nicht an den humanen Fc-Rezeptor in der Plazenta, so dass der Übergang zum Fetus sehr gering ist. Aus diesem Grund kann er auch in der Schwangerschaft und Stillzeit verordnet werden, wenn es eine hohe Krankheitsaktivität der Mutter erfordert.
Switch auf anderen Wirkmechanismus vielversprechend
Mit zunehmend lang therapierten Psoriasis-Patienten gibt es natürlich immer mehr Patienten, die nicht mehr auf eine Substanzklasse ansprechen. In einer bei der Jahrestagung der American Academy of Dermatology (AAD) vorgestellten Studie zeigte sich, dass der IL-23-Blocker Risankizumab bei Patienten eingesetzt werden kann, die nur mehr unzureichend auf IL-17-Blocker ansprechen: Hier wurden Patienten,
kurz & bündig
s Heute steht eine Vielzahl von Psoriasistherapeutika zur Verfügung, so dass für jede Patientensituation die richtige Therapie gefunden werden kann.
s Bei Nichtansprechen auf einen IL-17-Blocker lohnt sich die Umstellung auf einen IL-23Blocker.
s Zahlreiche neue Entwicklungen zur oralen Systemtherapie sind in der Pipeline. s Besonders interessant sind weitere TYK-2-Hemmer und potentere PDE-4-Hemmer.
die nach 52-wöchiger Therapie mit einem IL-17-Blocker nur unzureichend ansprachen, auf Risankizumab umgestellt (2). Nach einer Therapiedauer von 16 Wochen mit dem IL-23-Blocker erreichten 52 Prozent der Patienten eine vollständige oder fast vollständige Abheilung der Psoriasisläsionen (entsprechen sPGA 0/1). Der Prozentsatz verbesserte sich nach 52 Wochen Therapie auf 63 Prozent (2).
Die «TYK-Manie» geht weiter
Künftig werden sich vor allem die oralen Therapiemöglichkeiten der Psoriasis weiter verbessern. Nach Ausführung von Frau Prof. April Armstrong aus Los Angeles (Kalifornien/USA) ist die Tyrosinkinase 2 (TYK2) ein wesentliches Zielmolekül bei Psoriasis. Dieses intrazelluläre Enzym vermittelt die Signalübertragung der Zytokine IL-6, IL-10, IL-12, IL-23 und der Typ-I-Interferone (3). Das Besondere ist, dass TYK2Hemmer TYK2 selektiv über einen allosterischen Mechanismus inhibieren, aber nicht an die Domäne ansetzen, an die andere JAK 1/2/3-Inhibitoren binden. Dank dieser Selektivität sind die typischen JAKNebenwirkungen wie z.B. Veränderungen des Blutbilds nicht zu befürchten. Mit Deucravacitinib ist inzwischen der erste TYK2-Hemmer in Europa für die mittelschwere bis schwere Psoriasis zugelassen. In den beiden multizentrischen Phase-III-Studien POETYK PSO-1 und POETYK PSO-2 an Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis erwies sich das small molecule als signifikant wirksamer im Vergleich zu Plazebo und zu Apremilast, basierend auf dem primären Endpunkt der Verbesserung des «Psoriasis Area and Severity Index» um 75 Prozent (PASI75) und einer vollständig oder fast vollständig abgeheilten Haut nach Arzteinschätzung (Physicians Global Assessment 0/1) in Woche 16. Der Wirkstoff wurde auch gut vertragen (4). Derzeit befinden sich noch weitere TYK2-Hemmer in der klinischen Entwicklung. So ist auch die Substanz NDI-034858 ein hochselektiver, oraler allosterischer Hemmer der TYK2. In einer der beim AAD besonders beliebten «Late-Breaker»-Sitzungen von Armstrong vorgestellten Dosisfindungsstudie wurden 259 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis mit einer von vier Dosen dieses TYK-Hemmers oder mit Plazebo behandelt (5).
4 SZD 5/2023
KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
AAD 2023
In Woche 12 erreichte ein signifikant grösserer Anteil der Patienten ein PASI75-Ansprechen bei Dosierungen ≥ 5 mg (44%, 68% und 67% bei 5 mg, 15 mg bzw. 30 mg) im Vergleich zu Plazebo (6%; p < 0,001 für jeden Vergleich). Ausserdem erreichten 46 Prozent der Patienten mit den höheren Dosen ein PASI-90Ansprechen, das als sekundärer Endpunkt erfasst wurde. Fast ein Drittel der Patienten erreichte mit der höchsten Dosis eine vollständige Abheilung der Hautläsionen, was nach Einschätzung von Armstrong ein sehr beeindruckendes Ergebnis für eine oral zu verabreichende Substanz ist (5). IL-17-Blockade bald auch mit Tablette möglich? Auch einzelne Zytokine lassen sich durch orale Substanzen bzw. «small molecules» blockieren: Dies zeigte eine erste Proof-of-Concept-Studie mit dem oralen IL-17-Blocker DC-806 an 32 Patienten mit einer leichten bis mittelschweren Psoriasis (6). Sie wurden 28 Tage lang entweder mit 200 mg oder 800 mg DC-806 täglich oder mit Plazebo behandelt (2:1Randomisierung). Die Wirksamkeit wurde einerseits durch die Veränderung des PASI (Psoriasis Activity and Severity Index) erhoben, zusätzlich beurteilte man die biologische Aktivität von DC-806 durch Messung der Serum-IL-17A- und der beta-Defensin (BD)2-Spiegel. BD2 ist ein antimikrobielles Peptid, dessen Konzentration bei Psoriasis-Patienten erhöht ist. Ein Absinken der BD2-Konzentrationen korreliert mit der biologischen Aktivität einer Substanz. Die mittlere prozentuale Verringerung des PASI-Wertes am Tag 29 gegenüber dem Ausgangswert betrug 43,7 Prozent in der 800-mg-Gruppe, 15,1 Prozent bei 200 mg bzw. 13,3 Prozent in der Plazebogruppe. Bei 17 Patienten mit einem Ausgangswert von PASI 6 sank der PASI-Wert gegenüber dem Ausgangswert im Mittel um 47,0 Prozent in der hohen Dosisgruppe und um 31,4 Prozent in der Niedrigdosisgruppe im Vergleich zu 11,0 Prozent in der Plazebogruppe. Die Behandlung mit DC-806 führte zu einem raschen Anstieg der Serum-IL-17A-Werte und zu einem Rückgang der Serum-BD-2-Werte. Unter Plazebo veränderten sich diese Parameter nicht. Die häufigsten unerwünschten Ereignisse bei der Behandlung waren Kopfschmerzen, eine leichte COVID-19-Infektion, gastrointestinale Beschwerden und Hautabschürfungen in den Verumgruppen sowie eine Mandelentzündung in der Plazebogruppe. Jetzt sind weitere Untersuchungen geplant, um die Wirksamkeit und Sicherheit von DC-806 in grösseren Patientenpopulationen nachzuweisen (6). Neue, potentere Phosphodiesterasehemmer Neben Apremilast werden künftig vermutlich weitere, stärker wirksame Phosphodiesterase-4 (PDE-4)Inhibitoren zur Verfügung stehen. Beispielsweise ist Orismilast ein potenter PDE4-B- und -D-Inhibitor. Diese beiden PDE-4-Isoformen werden in der Haut von Psoriasis-Patienten überexprimiert. Zudem ist Orismilast 2,5-mal so potent wie Apremilast. In expe- rimentellen Studien konnte dieses «small molecule» bereits eine breite antiinflammatorische Wirkung durch die Sekretionshemmung von TH1, TH17 und Th2-Effektor-Zytokinen unter Beweis stellen. In einer Phase-IIa-Studie zeigte sich bereits die Sicherheit und Wirksamkeit von Orismilast in Tablettenform. Im Rahmen des diesjährigen AAD-Kongresses wurde jetzt eine Phase-IIb-Studie mit Orismilast-Tabletten an erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Psoriasis vorgestellt (7). Nach 16-wöchiger Therapie sank der PASI unter der Therapie mit 40 mg Orismilast 2-mal täglich um -64% (primärer Studienendpunkt). Darüber hinaus er- reichte nahezu die Hälfte der Patienten ein PASI90- Ansprechen. Es wurden auch keine neuen Sicher- heitssignale beobachtet; Orismilast erwies sich als verträglich. Infektionen und Depressionen traten nicht häufiger auf als unter Plazebo. Häufigste Ne- benwirkungen bestanden wie bei anderen Vertretern der Substanzklasse in gastrointestinalen Beschwer- den wie Durchfall, Übelkeit und Kopfschmerzen, die vor allem zu Therapiebeginn auftraten und von der Ausprägung her mild waren. Wie Prof. Lars French aus München (D) betonte, sprechen diese Ergeb- nisse für die weitere Untersuchung von Orismilast. Roflumilast ist ein weiterer PDE-4-Hemmer, der be- reits seit Längerem als Therapeutikum zur Behand- lung chronisch obstruktiver Lungenerkrankungen zu- gelassen ist. Aus diesem Grund steht er als Generikum zur Verfügung. In der beim AAD-Kongress vorgestell- ten PSORRO-Studie an 46 Patienten mit mittelschwe- rer bis schwerer Psoriasis erreichten nach 12-wöchi- ger Behandlung mit Roflumilast per os 34,8 Prozent der Patienten ein PASI75-Ansprechen (vs. 0,0% mit Placebo; p < 0,001). Hier könnte künftig eine kosten- günstige Option zur Behandlung der Psoriasis zur Verfügung stehen, erklärte Prof. Alexander Egeberg aus Kopenhagen (DK). s Susanne Kammerer Referenzen: 1. Strober B: S012, AAD 2023, New Orleans (USA). 2. Warren R: S025, AAD 2023, New Orleans (USA). 3. Armstrong AW: S005, AAD 2023, New Orleans (USA). 4. Armstrong AW et al.: Deucravacitinib versus placebo and apremilast in moderate to severe plaque psoriasis: Efficacy and safety results from the 52-week, randomized, double-blinded, placebo-controlled phase 3 POETYK PSO-1 trial. J Am Acad Dermatol. 2023;88:29-39. 5. Armstrong AW. S025, AAD 2023, New Orleans (USA). 6. Warren R. S042, AAD 2023, New Orleans (USA). 7. French S. S042, AAD 2023, New Orleans (USA). 8. Egeberg A. S042, AAD 2023, New Orleans (USA). SZD 5/2023 5