Transkript
KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
DDG 2023
Konzept «Hit hard and early»
Psoriasis-Patienten profitieren von einer frühen intensiven Therapie
Beim diesjährigen Jahrestreffen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) in Berlin hielt PD Dr. Dr. Felix Lauffer aus München (D) ein Plädoyer für eine frühe, intensive Therapie von Psoriasis-Patienten: So liesse sich am ehesten eine Krankheitsmodifikation erreichen.
In den derzeit gültigen Leitlinien der Psoriasis wird zur Therapie ein Stufenschema empfohlen, das entsprechend des Schweregrades der Psoriasis von topischen Ansätzen über konventionelle Systemtherapien bis hin zum Einsatz von Biologika führt. Allerdings gibt es zahlreiche Daten nicht nur von der Psoriasis, sondern auch von anderen entzündlichen Systemerkrankungen, die für den Ansatz «Hit hard and early» sprechen, so Lauffer in seinem Vortrag: «Wir haben für die Behandlung der Psoriasis fantastische Medikamente zur Hand, mit denen wir PASI90 oder PASI100 erreichen können – und das häufiger bei Betroffenen, die weniger Vortherapien erhalten haben.» Dies zeige z.B. die Phase-IIIb-Studie GUIDE, in der auf klinischer und immunologischer Ebene der Einfluss einer frühen Intervention durch Guselkumab untersucht wurde: Die erst seit kurzem Erkrankten erreichten mit höherer Wahrscheinlichkeit einen sogenannten «Super-Responder-Status» (definiert als vollständige Abheilung von Hautveränderungen in Woche 20 bis 28; Odds ratio: 1,57) (1).
Krankheitsmodifikation bei frühem Entzündungsstopp
Eine frühzeitige therapeutische Intervention könne die entzündliche Aktivität rasch beenden und somit eine Krankheitsmodifikation ermöglichen, indem die Entwicklung eines entzündlichen Gedächtnisses der Haut verhindert wird. Tatsächlich ist aus Studien bekannt, dass es unter der Therapie mit Biologika zu einer Veränderung der CD4- und CD8-Zellen kommt. Die gewebeständigen T-Gedächtniszellen (Tissue resident Memory T cells) bilden ein Krankheitsgedächtnis: Sie verbleiben in der Haut und sind der Grund dafür, dass bei einem erneuten Schub Psoriasisplaques wieder an derselben Stelle auftauchen. Erste Daten weisen darauf hin, dass diese Zellen durch die Blockade von IL-23 möglicherweise reduziert werden können. Nicht zuletzt gibt es auch von anderen inflammatorischen Systemerkrankungen Belege für den Vorteil einer frühen, intensiven Therapie: So zeigte sich in
einer Studie zu Morbus Crohn, dass Betroffene von einem frühen Einsatz einer kombinierten immunsuppressiven Therapie im Vergleich zum konventionellen Step-up-Prinzip profitierten und deutlich weniger Rückfälle erlitten (2).
Früh behandeln – Komorbidität vermeiden
Patienten, die an schwerer Psoriasis leiden, leben gemäss Ausführungen von Lauffer 3 bis 4 Jahre kürzer. Dies sei auf Begleiterkrankungen des kardiovaskulären Systems sowie auf das metabolische Syndrom zurückzuführen. In anderen Indikationen konnte bereits gezeigt werden, dass eine antientzündliche Therapie positive Effekte auf das kardiovaskuläre System haben kann: Sicher ist zumindest, dass eine antientzündliche Therapie kardiovaskuläre Endpunkte verringert: So konnte die Therapie mit dem Anti-IL1βAntagonisten Canakinumab bei Patienten mit einem Myokardinfarkt in der Anamnese die Rate an erneuten kardiovaskulären Ereignissen oder den Tod signifikant reduzieren (3). Allerdings ist bei Psoriasis noch unklar, ob die frühe intensive Intervention auch positive Effekte auf harte Behandlungsergebnisse wie kardiovaskuläre Ereignisse und die Mortalität ausüben kann. In einer Beobachtungsstudie führte die Therapie von Psoriasispatienten mit TNF-Blockern zu einer Reduktion der kardiovaskulären Ereignisse im Vergleich zu Patienten, die nur eine Fototherapie erhielten (4). Es gibt auch Hinweise darauf, welche Mechanismen dem positiven Einfluss von Biologika auf das kardiovaskuläre Risiko zugrunde liegen: In der CARIMA-Studie zeigte sich, dass die Therapie mit einem IL-17Blocker die Endothelfunktion verbessern kann (5). Allein die antientzündliche Therapie wirkt positiv auf kardiovaskuläre Ereignisse. «Man würde sich wünschen, dass man dies durch Biologika erreichen kann. Hierzu gibt es aber bisher nur retrospektive Auswertungen aus Krankenkassendaten», erklärte Lauffer. Zur Behandlung der Psoriasis steht heute eine Fülle von therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung. Allerdings würden aus ökonomischen Gründen häu-
8 SZD 5/2023
KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
DDG 2023
Gelenksonographie geeignet zur Erkennung von Frühschäden
Ungefähr ein Drittel aller Psoriasis-Patienten entwickeln im Lauf der Zeit eine Gelenkbeteiligung, die sich anfänglich als unspezifische, in Schüben verlaufende Entzündung darstellt. In den meisten Fällen gehen Hautsymptome der Gelenkbeteiligung voraus, was die Bedeutung der Dermatologen bei der Diagnose unterstreicht. Eine frühe Diagnose wäre wesentlich, da sie den Einsatz spezifischer Systemtherapeutika zur Vermeidung irreversibler Gelenkschäden erlaubt. Ein im Rahmen des DDG-Kongresses vorgestelltes Poster zeigt, dass die Gelenksonographie ein wertvolles Mittel ist, um bei PsoriasisPatienten mit neu aufgetretenen Gelenkbeschwerden Hinweise auf eine Psoriasisarthritis zu erhalten (9). In der Untersuchung zeigte sich in der sonographischen Darstellung der Gelenke, dass bereits in der Frühphase einer PsA deutliche Entzündungsmuster sichtbar waren. Im Gegensatz dazu sind mit konventionellem Röntgen erst bei einsetzenden Gelenkschäden typische Veränderungen nachweisbar. Darüber hinaus konnte durch eine sonographische Kontrolle der Gelenke drei Monate nach Beginn einer spezifischen Systemtherapie die Wirksamkeit der Medikation auf die Entzündung objektiv nachgewiesen werden und korrelierte zudem mit einem Rückgang entzündlicher Beschwerden (9). Die Autoren schliessen daher, dass der frühzeitige Einsatz der Gelenksonographie eine einfache und kostengünstige Untersuchung sowohl für Diagnose als auch für die Verlaufskontrolle darstellt.
fig konventionelle Systemtherapeutika eingesetzt, auch wenn ein First-line-Biologikum in Frage käme. Lauffer plädierte dagegen dafür, schwer Betroffene mit einem PASI über 20 oder Patienten mit einer zentralen Psoriasis mit axialem Befall direkt auf ein Biologikum einzustellen.
Systemische Inflammation auch für psychiatrische Komorbidität verantwortlich
Die erhöhte Prävalenz diverser psychiatrischer Erkrankungen bei Psoriasis ist nach Ausführung von Dr. Wiebke Sondermann aus Essen (D) gut dokumentiert: 16 bis 33 Prozent der Psoriasis-Patienten leiden an Depressionen im Vergleich zu 7 Prozent in der Allgemeinbevölkerung. Auch suizidales Verhalten und Angststörungen sind häufiger. 17 bis 30 Prozent der Psoriasis-Patienten sind ausserdem von Alkoholabusus betroffen, im Vergleich zu 2,5 Prozent der Frauen und 7,5 Prozent der Männer in der Allgemeinbevölkerung. Auf der Suche nach Erklärungen wird man in zweierlei Hinsicht fündig: Zum einen spielt die Stigmatisierung der Patienten eine Rolle – in einer Studie erwies sie sich als starker prädiktiver Faktor für Depressionen (6). Andererseits gibt es die sogenannte Zytokinhypothese: Demnach würde die systemische Inflammation nicht nur zu Hautveränderungen und kardiovaskulärer Morbidität führen, sondern hätte auch Einfluss auf die Entstehung von Depressionen. In der Tat bietet der ständige Austausch zwischen Nervensystem, Immunsystem und Haut («brain-skin-axis») ein schlüssiges Erklärungsmodell für das gehäufte Auftreten von Depressionen und Angsterkrankungen bei Patienten mit schwerer Psoriasis. Nach Ausführung von Sondermann führen proinflammatorische Zytokine
wie IL-2, IL-6 IL-1β und TNF-alpha über eine Erhöhung der Indolamin-2,3-Dioxygenase zu einer Reduktion der Serotoninproduktion im Zentralnervensystem (7). Tatsächlich zeigte sich auch in einer experimentellen Studie eine Assoziation von systemischer IL-17A-Expression mit depressiven Symptomen bei Mäusen mit experimentell induzierter psoriatischer Inflammation. Zudem konnte hier depressives Verhalten durch Anti-IL17A-Antikörper vermindert werden. Ob Biologika auch depressive Symptome bei Psoriasis-Patienten beeinflussen können, ist nach Ausführung von Sondermann unklar, da bisherige Studien zu Biologika nicht primär darauf ausgelegt waren, die Auswirkungen der Therapie auf den psychologischen Status der Patienten zu erfassen. Zudem wurden die Depressions-Erhebungsinstrumente uneinheitlich verwendet, was eine Interpretation erschwert. Eine Metaanalyse verschiedener immunmodulatorischer Therapien auf depressive Symptome bei Patienten mit entzündlichen Erkrankungen und depressiver Symptomatik weist darauf hin, dass dadurch in der Tat auch depressive Symptome verbessert werden, insbesondere bei IL-12/IL-23-Blockern (8). Nicht zu unterschätzen ist auch, wie eine Depression von Psoriasis-Patienten sich auf die Therapieadhärenz auswirken kann: Ein negativer Zusammenhang wurde z.B. für Fumarsäurester gezeigt. Vermutlich können durch eine Depressivität Nebenwirkungen schlechter bewältigt werden. Eine psychische Komorbidität hat also auch für das Management der Psoriasis eine hohe Relevanz. Schon allein deshalb sollten PsoriasisPatienten auf depressive Symptome gescreent und gegebenenfalls interdisziplinär behandelt werden.s
Susanne Kammerer
Quellen: Präsentationen S09/02 und S09/03 beo der 52. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) am 27. April 2023 in Berlin.
Referenzen: 1. Schäkel K et al.: Early disease intervention with guselkumab in psoriasis leads to a
higher rate of stable complete skin clearance (‹clinical super response›): Week 28 results from the ongoing phase IIIb randomized, double-blind, parallel-group, GUIDE study. J Eur Acad Dermatol Venereol. 2023;37(10):2016-2027. 2. D�Haens G et al.: Early combined immunosuppression or conventional management in patients with newly diagnosed Crohn›s disease: an open randomised trial. Lancet. 2008;371(9613):660-667. 3. Ridker PM et al.: Antiinflammatory Therapy with Canakinumab for Atherosclerotic Disease. N Engl J Med. 2017;377(12):1119-1131. 4. Wu JJ et al.: The risk of cardiovascular events in psoriasis patients treated with tumor necrosis factor-α inhibitors versus phototherapy: An observational cohort study. J Am Acad Dermatol. 2018;79(1):60-68. 5. Von Stebut E et al.: Impact of Secukinumab on Endothelial Dysfunction and Other Cardiovascular Disease Parameters in Psoriasis Patients over 52 Weeks. J Invest Dermatol. 2019;139(5):1054-1062. 6. Lakuta P et al.: How does stigma affect people with psoriasis?. Postepy Dermatol Alergol. 2017;34(1):36-41. 7. Patel N et al.: Psoriasis, Depression, and Inflammatory Overlap: A Review. Am J Clin Dermatol. 2017;18(5):613-620. 8. Wittenberg GM et al.: Effects of immunomodulatory drugs on depressive symptoms: A mega-analysis of randomized, placebo-controlled clinical trials in inflammatory disorders. Mol Psychiatry. 2020;25(6):1275-1285. 9. Birkner H et al. P224, 52. DDG-Tagung, 27.4.2023 in Berlin.
10 SZD 5/2023