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KONGRESSBERICHT EAACI
Chronische Urtikaria
Aktuelle therapeutische Strategien
Um bei möglichst vielen Patienten mit chronischer Urtikaria komplette Symptomfreiheit zu erreichen, sind zusätzliche neue Therapieoptionen gefragt. Zwei innovative Behandlungsansätze wecken grosse Hoffnungen bezüglich klinischer Wirksamkeit: die Hemmung von Brutonʼs Tyrosinkinase und die Mastzelldepletion, berichtete Prof. Martin Metz aus Berlin (D) am hybriden EAACI-Kongress 2023.
Bei chronischer Urtikaria kommt es definitionsgemäss während mehr als 6 Wochen zu Quaddeln oder Angioödem oder beidem. Die Behandlungsempfehlungen mit den derzeit verfügbaren Medikamenten sind im Kasten zusammengefasst. Die Suche nach neuartigen, wirksamen Behandlungen geht intensiv weiter, damit künftig auch Patienten, die nicht auf Antihistaminika und Omalizumab ansprechen, von ihren Symptomen befreit werden können.
Dupilumab auch bei chronischer Urtikaria wirksam
Derzeit werden in klinischen Studien neue Wege zur Hemmung der Mastzellaktivierung geprüft. Neben IgE-Rezeptoren (FcεRI), deren Expression durch Omalizumab und Ligelizumab reduziert wird, sind auf Mastzellen zahlreiche weitere aktivierende Rezeptoren zu finden (z. B. IL-4-Rezeptoren). Der IL-4-Rezeptorblocker Dupilumab kann die Mastzellaktivierung hemmen. In der randomisierten, plazebokontrollierten Phase-III-Studie LIBERTY-CSU CUPID Study A hat sich Dupilumab (zusätzlich zu einem H1-Antihistaminikum) bei Patienten mit chronischer spontaner Urtikaria (CSU) ohne vorherige Omalizumab-Therapie als wirksam erwiesen, unabhängig vom Ausgangswert des totalen Gesamt-IgE im Serum. So nahm der UAS7 (Urtikaria-Aktivitäts-Score über 7 Tage, Summe von Juckreizintensität und Quaddelanzahl) bis Woche 24 mit Dupilumab stärker ab (minus 20,5) als mit Plazebo (minus 12,5), berichtete Metz. Im Zytosol von Mastzellen reguliert BTK (Bruton’s Tyrosinkinase) die durch den Rezeptor FcεRI vermittelte
Chronische Urtikaria: Medikamentöse Behandlungsempfehlungen
s Erstlinientherapie: Start mit Standarddosis eines H1-Antihistaminikums der 2. Generation (z. B. Bilastin, Cetirizin, Desloratadin, Fexofenadin, Levocetirizin, Loratadin). Bei Bedarf Dosissteigerung bis zur 4-fachen Tagesdosis.
s Zweitlinientherapie: Bei ungenügender Krankheitskontrolle Omalizumab (300 mg alle vier Wochen) zusätzlich zum H1-Antihistaminikum der zweiten Generation. Bei inadäquater Krankheitskontrolle Dosissteigerung und/oder Verkürzung des Dosisintervalls (bis 600 mg alle 2 Wochen).
s Drittlinientherapie: Bei ungenügender Krankheitskontrolle Ciclosporin zusätzlich zum H1-Antihistaminikum der zweiten Generation.
(nach Referenz [1])
Mastzellaktivierung, sowohl bei Autoallergie (Crosslinking an gebundenem IgE durch Autoantigen) als auch bei autoimmuner Pathogenese der Urtikaria (gegen IgE oder FcεRI gerichtete IgG-Antikörper). Die Hemmung von BTK durch kleinmolekulares Remibrutinib ist ein neuer, vielversprechender Behandlungsansatz. Das oral verabreichbare Medikament wird derzeit in einer randomisierten, plazebokontrollierten Doppelblindstudie der Phase III (REMIX-1) getestet. Bei CSU-Patienten, die nicht adäquat auf H1Antihistaminika angesprochen hatten, erwies sich Remibrutinib in einer randomisierten, plazebokontrollierten Dosisfindungsstudie der Phase II (Dauer 12 Wochen) als rasch und nachhaltig wirksam bei guter Verträglichkeit (2). Auch für schwierige Fälle, bei denen die Omalizumab-Therapie versagt hat, könnte in Zukunft mit dem oralen BTK-Inhibitor eine wirksame Therapiemöglichkeit verfügbar werden, so der Referent.
Mastzellen in der Haut beseitigen
Wenn Mastzellen verschwunden sind, verschwinden auch die Symptome und klinischen Zeichen der Urtikaria. Dieses einleuchtende Behandlungsprinzip wird in klinischen Studien getestet. Ermöglicht wird die Mastzelldepletion durch Blocker des KIT-Rezeptors (CD117), der auf Mastzellen zu finden ist. Die Rezeptor-Tyrosinkinase KIT wird durch den Liganden SCF (Stem Cell Factor) aktiviert. Mastzellen benötigen diese Aktivierung zur Differenzierung, Reifung und zum Überleben. Wird KIT blockiert, z. B. durch den monoklonalen Antikörper Barzolvolimab, werden Mastzellen apoptotisch und sterben ab. In einer offenen klinischen Studie der Phase Ib wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit einer einzigen Dosis von Barzolvolimab (intravenöse Infusion) bei Patienten mit chronischer induzierbarer Urtikaria (11 Patienten mit Kälteurtikaria, 10 Patienten mit symptomatischem Dermografismus) erfolgreich getestet (3). Tryptase wird in der Haut nur von Mastzellen produziert und kann als Marker der Mastzellzahl dienen. Nach der Infusion nahm die Serumtryptase in sehr kurzer Zeit (4 Wochen) bis auf 0 ab, gefolgt von der mikroskopisch nachweisbaren Elimination der Hautmastzellen. Bei 95 Prozent der Patienten verschwanden alle Symptome der Krankheit (negativer Provokationstest). Reversible Aufhellung der Haarfarbe und Ge-
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schmacksveränderungen waren die häufigsten Ne-
benwirkungen.
s
Alfred Lienhard
Quelle: Symposium Sy 15 «Urticaria: still unmet needs» beim EAACI Hybrid Congress 2023 am 10. Juni 2023 in Hamburg und online.
Referenzen: 1. Kolkhir P et al.: Urticaria. Nat Rev Dis Primers. 2022;8(1):61. 2. Maurer M et al.: Remibrutinib, a novel BTK inhibitor, demonstrates promising effi-
cacy and safety in chronic spontaneous urticaria. J Allergy Clin Immunol. 2022;150:1498-1506. 3. Terhorst-Molawi D et al.: Anti-KIT antibody, barzolvolimab, reduces skin mast cells and disease activity in chronic inducible urticaria. Allergy. 2023;78:1269-1279.
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