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SZD ist eine eingetragene Marke Erscheinungsweise: 5-mal jährlich als Beilage von ARS MEDICI 24. Jahrgang, Heft 2/2023, ISSN 2296-6560 SZD ist online einsehbar unter www.rosenfluh.ch Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos wird keine Haftung ü bernommen. © Rosenfluh Publikationen AG 8200 Schaffhausen Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags. Die Schweizer Zeitschrift für Dermatologie und Ästhetische Medizin geht an alle Dermatologen, Allgemeinärzte, Allgemeininternisten s owie teilweise an die Gynäkologen der Deutschschweiz.
Liebe Leserin, lieber Leser Wenn in dieser Zeitschrift von «Arzt» oder von «Patient» die Rede ist, sind selbstverständlich auch alle Ärztinnen und Patientinnen gemeint beziehungsweise angesprochen. Wir haben diese Formulierung lediglich aus Gründen der Einfachheit und der besseren Lesbarkeit gewählt.
Iatrogener Botulismus – aktuelle Lehren aus dem Medizin-Tourismus
Faltenbehandlungen mit Botulinum-Neurotoxin (BoNT) sind ein beliebter und seit vielen Jahren etablierter Bestandteil der kosmetischen Dermatologie. Mit qualitativ hochwertigen Präparaten und der guten Erfahrung des Therapeuten haben sich die Botulinum-Spritzen zu einem effektiven, sicheren und entsprechend beliebten Verfahren in der Faltenbehandlung entwickelt. Und auch in vielen anderen medizinischen Fachdisziplinen wurde BoNT zum Teil schon seit Jahrzehnten erfolgreich verwendet.
Botulinum, ein vom Bakterium Clostridium botulinum produziertes Neurotoxin, blockiert die Kontraktion von glatten und quergestreiften Muskelzellen, indem es die Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin in den synaptischen Spalt verhindert. Dieser Effekt wird seit Jahrzehnten auch therapeutisch genutzt und hat sich insbesondere bei Erkrankungen, die mit pathologisch gesteigerten Muskelkontraktionen assoziiert sind, bewährt. Die Indikationen reichen von der Dystonie über Nystagmus und Tremor bis zu Faltenbehandlungen sowie der Therapie von chronischer Migräne und neuropathischen Schmerzen. In der Gastroenterologie wird BoNT zudem bei der Ösophagusachalasie (Motilitätsstörung der Ösophagusmuskulatur) eingesetzt.
In diesem März kam ein Rückschlag aus der Gastroenterologie. Im März häuften sich europaweit Meldungen von meist übergewichtigen Personen mit Botulismus-Erkrankungen. In der Zeit von Ende Februar bis zum 30. März 2023 wurden europäischen Gesundheitsbehörden insgesamt 87 Fälle von iatrogenem Botulismus gemeldet, die meisten aus der Türkei (n = 53) und aus Deutschland (n = 30), aber auch 2 Fälle aus der Schweiz.
Wie die weiteren Nachforschungen ergaben, hatten sich alle Patienten zuvor in der Türkei aufgehalten und erhielten dort in 2 auf Adipositas spezialisierten Privatkliniken im Rahmen von Gastroskopien Injektionen von Botulinum-Neurotoxin (1000 bis 1500 Einheiten) in die Magen-
wand. Die Behandlungen erfolgten alle im Zeitraum vom 3. Februar bis zum 1. März 2023. Aus Deutschland wurde berichtet, dass die eingesetzte BoNT-Dosierung zwischen 1000 und 2500 Einheiten gelegen habe.
Die Krankheitsbilder der Betroffenen sind ähnlich wie bei einem Lebensmittelbotulismus. Die Anfangssymptome sind oft unspezifisch; typisch sind Muskelschwäche, Atem- und Schluckbeschwerden. Mehrere der Betroffenen wurden hospitalisiert, mussten zum Teil auf der Intensivstation behandelt werden oder bekamen ein Botulinum-Antitoxin verabreicht.
Die Therapie der Adipositas mit BoNT ist wegen der teilweise widersprüchlichen Resultate umstritten. Dementsprechend findet man in Mitteleuropa kaum Ärzte, die diese Behandlung durchführen. Dagegen sind die Anbieter in der Türkei schnell über Online-Suchmaschinen auffindbar, sie werben mit tausendfacher Erfahrung und mit günstigen Preisen. Auf einer Internetplattform für Medizintourismus kann die Behandlung in Istanbul auch gleich zusammen mit einer Shoppingtour oder auch, für den eher kulturell interessierten Übergewichtigen, mit der «klassischen Istanbul-Tour» gebucht werden.
Nach den Ermittlungen türkischer Gesundheitsbehörden wurden bei den aktuellen Zwischenfällen lizensierte BoNT-Produkte eingesetzt. Allerdings erfolgte der Einsatz dieser Präparate zur Injektion in die Magenwand off-label. Es laufen deshalb Ermittlungen gegen die beteiligten Ärzte und Abteilungen. Was genau bei der aktuellen Häufung der Fälle von iatrogenem Botulismus aus dem Ruder gelaufen ist, ist momentan (Mitte April 2023) immer noch unklar. Der Zwischenfall macht aber deutlich, wie wichtig verlässliche Präparate, erfahrene Behandler mit Fingerspitzengefühl sowie die Einhaltung medizinischer Standards sind.
Adela Žatecky
SZD 2/20231