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EADV 2022
Hidradenitis suppurativa
Welche Therapieoptionen sind in der Pipeline?
Die therapeutischen Möglichkeiten der Hidradenitis suppurativa werden sich demnächst erweitern: Die Zulassung von Secukinumab wird erwartet, nachdem zwei Phase-III-Studien eine überlegene Wirksamkeit in dieser Indikation gezeigt haben. Ein weiterer Hoffnungsträger ist der JAK2/TYK1-Hemmer Brepocitinib. Neue Optionen werden angesichts schlechter Ansprechraten der verfügbaren Therapien auch dringend benötigt.
«Dies ist erst das zweite Phase-III-Programm, das wir jemals bei HS gesehen haben, und das erste seit 2016, es ist also wirklich ein Meilenstein», so umriss Prof. Alexa Kimball, Harvard Medical School, Boston (USA) die Bedeutung der vorgestellten Studien SUNSHINE und SUNRISE. In die Phase-III-Studien wurden weltweit mehr als 1000 Patienten mit Hidradenitis suppurativa (HS) aufgenommen, um die Wirksamkeit und Verträglichkeit des IL-17-Blockers Secukinumab bei HS zu evaluieren. Beim Europäischen Dermatologenkongress (EADV) wurden erstmals die Ergebnisse der doppelblinden Studienphase nach 16 Wochen vorgestellt (1). Secukinumab wurde nach einer ersten Dosis alle zwei oder alle vier Wochen im Plazebovergleich verabreicht. Primärer Studienendpunkt war der Anteil der Patienten, der ein klinisches Ansprechen im «hidradenitis suppurativa clinical response (HiSCR)» erreichte, definiert als eine 50-prozentige Verringerung der Abszesse und entzündlichen Knötchen im Vergleich zum Ausgangswert und keine Steigerung der Anzahl an Abszessen oder drainierenden Fisteln. Dies gelang bei 45 Prozent der Patienten in der SUNSHINE-Studie, wenn Secukinumab alle 2 Wochen verabreicht wurde, im Vergleich zu 33,7 Prozent der Plazebopatienten (p = 0,0070), wogegen der Arm mit dem längeren Injektionsintervall die Signifikanz verfehlte. In der SUNRISE-Studie wurde in beiden Secukinumab-Armen ein signifikantes Ansprechen registriert:
kurz & bündig
s Der IL-17 Blocker Secukinumab überzeugt in 2 Phase-III-Studien durch hohe klinische Ansprechraten.
s Eine neue interessante Option in der Pipeline ist der TYK2/JAK1 Inhibitor Brepocitinib.
Diesen Endpunkt erreichten 42,3 Prozent derjenigen, die Secukinumab alle zwei Wochen erhielten und 46,1 Prozent derjenigen mit dem langen Dosisintervall, im Vergleich zu 31,2 Prozent bei Plazebo. Die Mehrheit der Teilnehmer war weiblich, und über 50 Prozent der Patienten wogen mehr als 90 kg. In SUNSHINE und SUNRISE befanden sich 61,4 Prozent und 56,7 Prozent im Hurley-Stadium II, die anderen hatten sogar eine HS im Stadium Hurley III. Zudem reduzierte sich durch die Behandlung die Anzahl der Abszesse und Knötchen signifikant. «Die wichtigste Nachricht hier ist, dass es den Patienten besser geht und dass beide Studien ihren primären Endpunkt erreicht haben», betonte Kimball. Sie hob ausserdem hervor, dass nicht nur das Auftreten von HS-Schüben, sondern auch die Schmerzen unter dem Studienmedikament abnahmen. In einer explorativen Analyse stellten die Forscher bereits in Woche 2 eine klinisch bedeutsame Verbesserung der Lebensqualität fest. Was die unerwünschten Ereignisse betrifft, ergaben die Studien keine unerwarteten Ergebnisse. «Die Sicherheitsdaten sind sehr beruhigend und stimmen mit dem überein, was wir bisher gesehen haben», erklärte Kimball.
Brepocitinib: ein aussichtsreicher Kandidat
Zudem stellte Kimball die Ergebnisse einer sogenannten «Umbrella-Studie» bei HS vor (2). Dabei handelt es sich um ein neues Studiendesign, mit dem gleich drei neue Medikamente in derselben Indikation getestet wurden. Im vorliegenden Fall wurden in der Phase-IIb-Studie drei Substanzen mit unterschiedlichen Wirkprinzipien untersucht, nämlich die Hemmung von IRAK4 («Interleukin-1-Receptor-Associated Kinase 4») durch PF-06650833, die Hemmung von TYK2 durch PF-06826647 und die duale Hemmung von TYK2 und JAK1 durch Brepocitinib. Alle 194 Studienteilnehmer befanden sich im Hurley-
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Stadium II oder III und mussten mindestens vier Läsionen und maximal 20 Fisteln aufweisen. Nach einer 6-wöchigen Screeningphase erfolgte die 16-wöchige Interventionsphase. In jeder Verumgruppe befanden sich 48 Teilnehmer, die jeweils einen eigenen Plazeboarm hatten (3:1-Randomisierung). Der primäre Endpunkt der Studie war wie bei SUNSHINE und SUNRISE ein klinisches Ansprechen im HiSCR. Die Population der Studie entsprach dem typischen Bild von HS-Patienten: Das Durchschnittsalter in den verschiedenen Gruppen lag zwischen 37 und 40 Jahren, alle Teilnehmer waren adipös (BodyMass-Index zwischen 35,12 und 36,64), und der Frauenanteil lag bei 72,3 Prozent bis 87,5 Prozent. Innerhalb der Studienpopulationen, die sich aus verschiedenen ethnischen Gruppen zusammensetzten, befanden sich 61,5 Prozent bis 72,3 Prozent im Hurley-Stadium 2, 20,8 Prozent bis 23,4 Prozent hatten zuvor unzureichend auf einen TNF-Blocker angesprochen und 10,6 Prozent bis 14,6 Prozent nahmen gleichzeitig Antibiotika ein.
Wirkbeleg nur bei der dualen TYK2/JAK-1Blockade
Lediglich die Behandlung mit Brepocitinib erzielte signifikante Ergebnisse: 51,9 Prozent erreichten eine HiSCR gegenüber 33,3 Prozent unter Plazebo (p = 0,0298). Die Rate der Brepocitinib-Responder war deutlich abhängig von dem Krankheitsstadium, in dem sich die Frauen befanden: So wurde im Hurley-Stadium II bei 59,4 Prozent ein Ansprechen erreicht, im Vergleich zu 40 Prozent im Stadium Hurley III. Darüber hinaus war Brepocitinib auch bei einigen sekundären Endpunkten erfolgreicher als Plazebo: So verringerte der TYK2/JAK1-Blocker im Vergleich zu Plazebo den Anteil der Patienten mit ≥ 1 Flare signifikant (-22,3%, p = 0,0064). Auch die Zeit bis zum Auftreten des ersten Schubes dauerte bei Therapie mit Brepocitinib signifikant länger als bei Plazebo. Zudem stieg die Zahl der Patienten, die keine, 1 oder 2 Läsionen aufwiesen, signifikant um 16 Prozent. Im Vergleich dazu enttäuschten der IRAK4-Inibitor mit einer Ansprechrate von nur 34 Prozent sowie der TYK-2-Inhibitor mit 36,2 Prozent, beide unterschieden sich nicht signifikant von der mit dem Plazebo erreichten HiSCR von 33,4 Prozent. Alle untersuchten Wirkstoffe wurden als sicher und gut verträglich eingestuft, da die Mehrzahl der beobachteten unerwünschten Ereignisse leicht oder mässig war. Unter der Therapie mit Brepocitinib hatte nur ein Teilnehmer schwere Nebenwirkungen und brach daher die Studie ab. Nebenwirkungen, die unter Brepocitinib häufiger beobachtet wurden als unter Plazebo, waren Akne (eine typische Nebenwirkung, wie sie von anderen JAK1-Hemmern bekannt ist), Kreatinkinase-Erhöhungen, Kopfschmer-
Tabelle:
Schweregrad-Klassifikation der Hidradenitis suppurativa nach Hurley
Stadium I Stadium II Stadium III
einzelne Abszesse, keine Fistelgänge und Vernarbungen 1 oder mehrere weit auseinander liegende Abszesse mit Fistelgängen und Narbenbildung flächiger Befall mit Abszessen, Fistelgängen und Narbenzügen
Quelle: AWMF-Leitlinie «Therapie der Hidradenitis suppurativa»
zen, Übelkeit und Harnwegsinfekte, wobei die Kreatinkinase-Erhöhung nach Einschätzung von Kimball nicht mit Brepocitinib in Zusammenhang stand. «Wir konnten drei verschiedene Modalitäten testen, was uns einiges über die Pathophysiologie der HS verrät, die ein sehr intensiver Entzündungsprozess ist und möglicherweise mehrere Modalitäten erfordert, um sie unter Kontrolle zu bringen», so erklärte Kimball in ihrer Schlussfolgerung die Tatsache, dass sich lediglich die duale TYK2/JAK1-Hemmung als erfolgreich zeigte.
Ernüchternd hoher Anteil an Non-Respondern bei Adalimumab-Therapie
Neue Innovationen bei HS werden auch deshalb dringend benötigt, da viele HS-Patienten mit den derzeit zur Verfügung stehenden therapeutischen Möglichkeiten allenfalls ein partielles Ansprechen erreichten: Zu diesem Ergebnis kommt eine Praxisstudie, die von Dr. Hayley Wallinger aus Bollington (Grossbritannien) vorgestellt wurde (3). «Mit unserer Untersuchung wollten wir einen unerfüllten Therapiebedarf bei Patienten mit HS aufdecken, die mit Biologika behandelt werden,» erklärte Wallinger. Die verwendeten Daten stammten aus dem «Adelphi HS Disease Specific Programme», sie wurden in einer Umfrage unter Ärzten und ihren HS-Patienten erhoben, die zwischen November 2020 und April 2021 in den USA, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Grossbritannien durchgeführt wurde (3). Die Ärzte machten Angaben zu klinischen Merkmalen, zur Anamnese und zum Krankheitsstadium, während die Patienten einen Fragebogen ausfüllten, der Fragen zu ihrer Lebensqualität und Arbeitsproduktivität enthielt. Wallinger und sein Team wählten die Patienten aus, die mindestens 16 Wochen lang ein Biologikum erhielten und zu Beginn der Behandlung mässig bis schwer erkrankt waren. Diese Patienten wurden auf der Grundlage des aktuellen subjektiven Schweregrads in 2 Gruppen eingeteilt: derzeit leicht erkrankt (Responder) und derzeit mässig bis schwer erkrankt (partielle/Nonresponder). Von den insgesamt 401 Patienten sprachen 148 nur partiell oder nicht auf die Behandlung an.
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Die Analyse zeigte, dass sich ein höherer Anteil der partiellen oder Nonresponder (62,8 %) zu Beginn der Behandlung mit einem Biologikum in einem schweren Krankheitsstadium befand als die Responder (38,7 %; p < 0,0001). Die durchschnittliche Anzahl der aktuell auftretenden Symptome war bei den Patienten mit schlechtem oder Nicht-Ansprechen im Vergleich zu Respondern signifikant höher (4,6 vs. 2,0; p < 0,0001). Auch die Anzahl der betroffenen Körperbereiche und der Anteil der Patienten, die Schübe zeigten, war bei ihnen höher als bei Respondern, und die Ärzte berichteten über allgemeine Schmerzen/ Unbehagen, eingeschränkte/schmerzhafte Bewegungen der Gliedmassen, Schmerzen beim Sitzen, Entzündungen und Drainagen. Bei 46,0 Prozent der Patienten in der partiellen und Non-ResponderGruppe gegenüber 5,9 Prozent in der ResponderGruppe waren die Ärzte mit der aktuellen Krankheitskontrolle ihrer Patienten unzufrieden (p < 0,0001). Dies deckte sich mit den Angaben, die Patienten selbst machen: Patienten, die schlecht oder nicht an- sprachen, berichteten über eine deutlich schlechtere gesundheitsbezogene Lebensqualität und eine nied- rigere Arbeitsproduktivität aufgrund von HS. Nach Ansicht der Forscher zeigt die Untersuchung, dass für HS unbedingt weitere Behandlungen gefun- den werden müssen, mit denen ein besseres Anspre- chen bei HS erreicht werden kann. s Susanne Kammerer Quelle: Präsentationen beim Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV), 7. bis 10. September 2022 in Mailand. Referenzen: 1. Kimball A: LBA Secukinumab in moderate to severe hidradenitis suppurativa: Pri- mary endpoint analysis from the SUNSHINE and SUNRISE Phase 3 trials., EADV 2022, Abstract D3T01.1A. 2. Kimball A: Efficacy and safety of 3 different kinase inhibitors: brepocitinib (TYK2/ JAK1 inhibitor), IL-1 receptor associated kinase 4 (IRAK4) inhibitor, and Tyrosine kinase 2 (TYK2) inhibitor in patients with moderate to severe hidradenitis suppurativa in a Phase 2a umbrella study., EADV 2022, Abstract D2T01.3J. 3. Wallinger H et al.: Unmet needs among hidradenitis suppurativa patients receiving biologic therapy in the United States of America and Europe by response status: Analysis of a real-world dataset. EADV 2022, Poster P0035. 18 SZD 1/2023