Transkript
KONGRESSBERICHT
AAD 2022
Antiinflammatorische Therapie
JAK-Hemmer auf Erfolgskurs – auch bei seltenen Erkrankungen
JAK-Hemmer sind derzeit ein besonders essenzielles und innovatives Thema in der Dermatologie: Das zeigte sich anhand der zahlreichen Vorträge, Symposien und Poster, die beim diesjährigen Jahreskongress der American Academy of Dermatology (AAD) vorgestellt wurden: Zudem erobern die Substanzen zahlreiche Indikationsgebiete, die bis anhin nicht zufriedenstellend behandelt werden können.
Wie Prof. Brett King aus New Haven (Connecticut, USA) ausführte, wirken unterschiedlichste Zytokine über den JAK-STAT-Signalweg, der auf diese Weise verschiedene Aspekte der Zell- und Immunfunktion wie Zellwachstum, Differenzierung, Entzündung und Gewebereparatur beeinflussen kann (1). Das erklärt auch die Fülle der Indikationsgebiete, die mit JAK-Hemmern behandelt werden können. Nicht nur grosse Indikationen wie Psoriasis und atopische Dermatitis kommen hier infrage, sondern es mehren sich zudem Erfahrungen zu seltenen Erkrankungen, die mit den JAK-Hemmern behandelbar sind. So fasste Prof. Matthew Vesely aus New Haven (Connecticut, USA) in seinem Vortrag bisherige Erfahrungen mit JAK-Hemmern bei Hidradenitis suppurativa (HS), Lichen planus, DRESS und sklerosierenden Dermatosen zusammen (2). Die therapeutischen Möglichkeiten bei HS sind immer noch beschränkt. Deshalb wurde in 2 Phase-IIStudien der JAK1-Hemmer INCB054707 auf Sicherheit und Wirksamkeit bei mittelschwerer bis schwerer HS getestet. In Studie 1 erhielten 10 Patienten INCB054707. Studie 2 nahm 35 HS-Patienten auf, die mit 1 von 3 verschiedenen INCB054707-Dosierungen oder Plazebo behandelt wurden. Die Wirkstoffgabe führte zu einer Gesamtansprechrate von 65 Prozent in Woche 8 in Studie 2 gegenüber 57 Prozent unter Plazebo, und das mit einer ≥ 50 Prozent reduzierten Gesamtzahl von Abszessen und entzündlichen Knoten. «In dieser Proof-of-Concept-Studie bei HS gibt es einen dosisabhängigen Rückgang von Knötchen und Abszessen, aber auch das Plazebo schneidet ziemlich gut ab», kommentierte Vesely. Darüber hinaus wurden die Messwerte für die Lebensqualität und die schlimmsten Schmerzen deutlich reduziert. Bei der Bewertung des Dermatology-Life-QualityIndex gaben beispielsweise 15 Prozent der Patienten zu Beginn der Behandlung an, dass die Krankheit keine oder nur eine geringe Auswirkung habe. Dieser
Anteil stieg unter INCB054707 auf 54 Prozent. In beiden Studien trat bei 70 Prozent bzw. 81 Prozent irgendeine Art von unerwünschten Ereignissen auf, keine wurde jedoch als schwer eingestuft.
JAK-Hemmung: Wirksam bei Lichen planus und DRESS
Die Therapie mit JAK-Inhibitoren wird zudem bei entzündlichen Hauterkrankungen wie Lichen planus und Arzneimittelreaktionen mit Eosinophilie und systemischen Symptomen (DRESS) geprüft. Obwohl die Pathogenese des Lichen planus noch nicht vollständig geklärt ist, wird vermutet, dass die Erhöhung von STAT1, IL-21 und Interferon (IFN) γ beim Entzündungsprozess eine Rolle spielt. Im Laufe der Behandlung mit 2-mal täglich 5 mg Tofacitinib kam es bei 3 Patienten mit erosivem Lichen planus zu einer deutlichen Verbesserung ihrer zuvor sehr einschränkenden Symptome wie Ess- und Sprechschwierigkeiten. Es wurden keine unerwünschten Ereignisse beobachtet. Bei einem Patienten, der wegen Alopecia universalis mit Tofacitinib behandelt wurde, kam es nach 6 Monaten Therapie ausserdem zu einer erfolgreichen Veränderung des Lichen planus seiner Nägel. Derzeit gibt es verschiedene Berichte über Patienten mit DRESS, einer potenziell tödlichen Medikamenten-Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ IV. Bei diesen Patienten führte Tofacitinib zu einer klinischen Besserung, einer Wiederherstellung der Organfunktion sowie zu einer molekularen Verbesserung. «Bei schwerem DRESS, das nicht auf eine Therapie anspricht, könnten JAK-Hemmer eine Option sein», so Vesely. Hoffnungsvoll stimmen auch erste Erfahrungen mit JAK-Hemmern bei sklerosierenden Hauterkrankungen wie Morphea oder systemischer Sklerose: Hier führten die JAK-Hemmer Tofacitinib bzw. Baricitinib zu positiven Ergebnissen bei Patienten mit Morphea und eosinophiler Fasziitis. Im Einklang mit diesem
16 SZD 3/2022
KONGRESSBERICHT
AAD 2022
Tabelle:
Empfohlene Untersuchungen vor und während einer Therapie mit JAK-Hemmern (nach [4])
Untersuchungen
Vor Therapiebeginn
Labor
BSG, CRP, grosses Blutbild, Leberenzyme, Bilirubin, CK, Kreatinin x
Gesamtcholesterol, HDL-C, LDL-C, Triglyzeride
x
Elektrolyte (Ca, Na, K, Cl, CO2) x
Glukose x
Albumin x
Gesamtprotein x
Harnstoff-Stickstoff (BUN)
x
Hepatitis-Serologie (B, C)
x
Test auf latente Tuberkulose
x
HIV-Testung x
Bildgebung
Thoraxröntgen zum Tuberkuloseausschluss
x
Nach 4 Wochen Alle 3–6 Monate
x x x
BSG: Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit; CK: Kreatinkinase; CRP: C-reaktives Protein; HDL-C: High-Density Lipoprotein-Cholesterol; LDL-C: Low-Density Lipoprotein-Cholesterol
Behandlungskonzept wurden bei der immunhistochemischen Untersuchung von Biopsiegewebe von Morphea-Patienten STAT1 und STAT3 in Lymphozyten und einigen spindelförmigen Fibroblasten nachgewiesen. In einer 1-jährigen Pilotstudie mit 66 Patienten mit systemischer Sklerose wurde die Wirkung der Therapie mit Methotrexat mit derjenigen von Tofacitinib verglichen. Nach 52 Wochen hatte sich der modifizierte Rodnan-Hautscore in der Tofacitinib-Gruppe um 44 Prozent verbessert, das im Gegensatz zu der Gruppe, die Methotrextat erhielt. Auch bei der Hautdicke und der Anzahl der digitalen Ulzerationen wurden mit den JAK-Hemmern grössere Verbesserungen beobachtet.
Wirkbelege bei der Sarkoidose
Die Sarkoidose ist eine entzündliche Erkrankung unbekannter Ursache, die durch die Bildung von Granulomen in den betroffenen Organen gekennzeichnet ist, am häufigsten sind das die Lunge und die Lymphknoten. Dementsprechend leiden viele Patienten unter Husten und Kurzatmigkeit. Wie Prof. William Damsky aus New Haven (Connecticut, USA) ausführte, tritt bei etwa einem Viertel der Patienten mit systemischer Sarkoidose eine kutane Form auf (3). Die häufigsten spezifischen (granulomatösen) Hautveränderungen sind Makulopapeln, subkutane Knötchen, Narbensarkoidose, Plaques und Lupus pernio. Für diese Erscheinungsformen gibt es bis jetzt keine zugelassene Behandlung. Viele Zytokine, die an der Pathogenese der Sarkoidose beteiligt sind, sind von JAK-STAT abhängig, insbesondere INF-γ. Das ist der Grund für den Einsatz von JAK-Inhibitoren bei Sarkoidose – sowohl bei dermalen Manifestationen als auch bei der systemischen
Form. Bislang wurde in 12 Fallberichten die Wirksamkeit von Tofacitinib, Ruxolitinib und Baricitinib nachgewiesen. Darüber hinaus führte die Therapie mit Tofacitinib in einer noch nicht veröffentlichten offenen Studie mit 10 Patienten mit langjähriger Sarkoidose mit Beteiligung der Haut zu einer deutlichen Verbesserung: 6 Patienten sprachen vollständig und 4 teilweise auf die Behandlung an. Damsky kam zu dem Schluss, dass diese ersten Erfahrungen vielversprechend sind, doch die Ergebnisse grösserer kontrollierter Studien abgewartet werden sollten.
Sind JAK-Hemmer sicher?
Jüngst erhielten alle JAK-Hemmer eine sogenannte Black-Box-Warnung von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA), mit der die Behörde vor ernsten oder lebensbedrohlichen Nebenwirkungen von Arzneimitteln warnt. Grund hierfür waren schwerwiegende Nebenwirkungen, welche mit dem Pan-JAK-Inhibitor Tofacitinib in einer Studie mit Patienten mit aktiver rheumatoider Arthritis beobachtet wurden, nämlich tödliche maligne Erkrankungen sowie schwerwiegende, unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse und Thrombosen. Alle Studienteilnehmer waren 50 Jahre oder älter und wiesen mindestens einen zusätzlichen kardiovaskulären Risikofaktor auf, ihr durchschnittlicher BMI betrug über 30. Diese Daten wurden intensiv beim AAD-Kongress diskutiert. «Ich will diese Ergebnisse nicht kleinreden, aber wir müssen uns wirklich fragen, ob diese Voraussetzungen mit denjenigen unserer Patienten mit atopischer Dermatitis übereinstimmen», gab King zu bedenken: «Das in dieser Studie beobachtete Risiko ist vielmehr ein Worst-Case-Szenario» (3). Die in der Black-BoxWarnung aufgeführten Nebenwirkungen seien sel-
SZD 3/2022
17
KONGRESSBERICHT
AAD 2022
ten, dagegen komme es häufig zu Kopfschmerzen, Nasopharyngitis, Übelkeit, Akne und Infektionen des oberen Respirationstrakts. Um die Sicherheit der JAK-Inhibitor-Therapie zu optimieren, empfahl King, folgende Patienten eher nicht oder allenfalls mit einer geringen JAK-InhibitorenDosis zu behandeln: ältere Patienten (> 65 Jahre), Adipöse, derzeitige oder frühere Raucher, Diabetiker, Patienten mit koronarer Herzerkrankung, Thromboembolien, angeborenen Gerinnungsstörungen und Patienten mit onkologischen Erkrankungen. Ein zusätzliches Plus in puncto Sicherheit sei die Therapieüberwachung: Anleitungen hierfür finden sich in der Tabelle. Bei Frauen im gebärfähigen Alter muss
vor Therapiebeginn eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden. Zudem sollte der Impfstatus überprüft werden. Werden die angesprochenen Punkte berücksichtigt, kann die Therapie sicher erfolgen. s
Susanne Kammerer
Quellen: Symposium S032 beim AAD 2022, Vorträge:
Referenzen: 1. King B: «Intro to the JAK-STAT Pathway» 2. Vesely MD: «JAK inhibitors for lichen planus, hidradenitis suppurativa, and other
dermatoses» 3. Damsky W: «JAK inhibitors for granuloma annulare and sarcoidosis» 4. King B: «Understanding the risks of JAK inhibitors»
18 SZD 3/2022