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KONGRESSBERICHT
AAD 2022
Studienreigen am AAD-Kongress 2022
Hoffnung auf Therapien für bis anhin kaum behandelbare Dermatosen
Wie in jedem Jahr gehörten die Late-Breaker-Sitzungen zu den Highlights beim Jahreskongress der American Academy of Dermatology (AAD), der erstmals seit Beginn der Pandemie wieder als Präsenzveranstaltung stattfand. Hier werden Studien zu neuen Arzneimitteln in der Dermatologie vorgestellt, die massgeblich die künftige Therapie beeinflussen könnten.
«Ich habe mein ganzes Leben lang auf Medikamente gewartet, die speziell den Juckreiz behandeln – ich denke, dieses Ergebnis eröffnet zur Behandlung unserer Patienten viele neue Möglichkeiten», sagte Prof. Gil Yosipovitch aus Miami (Florida/USA) im Hinblick auf die von ihm vorgestellten Daten der PhaseIII-Studie LIBERTY-PN PRIME 2 zur Therapie mit Dupilumab bei Prurigo nodularis (PN) (1). Für PN gibt es bis anhin keine zugelassenen Therapeutika. Die 160 randomisierten, erwachsenen Studienteilnehmer mit ausgeprägter PN waren zuvor bereits erfolglos mit topischen Kortikosteroiden behandelt worden. Alle Patienten litten in der Woche vor Studienbeginn unter starkem Pruritus mit Score-Werten von mindestens 7 für den schlimmsten Juckreiz auf einer numerischen Bewertungsskala (WI-NRS), und 38 Prozent der Teilnehmer hatten mehr als 100 PNLäsionen. Innerhalb der Studie bestand die Therapie aus einer Gabe Dupilumab mit einer Initialdosis von 600 mg, danach folgte eine 2-wöchentliche Gabe von 300 mg bis Woche 24 oder von einem Plazebo zu den gleichen Zeitpunkten. Anschliessend wurde eine Nachbeobachtung über 12 Wochen durchgeführt. Die Studienresultate ergaben signifikante Unterschiede zwischen den mit Plazebo behandelten Patienten und denjenigen, die Dupilumab erhielten. In Woche 12 wurde der primäre Endpunkt (Verringerung des WI-NRS-Scores um ≥ 4 Punkte) von 37,2 Prozent in der aktiven Gruppe und von 22,0 Prozent in der Plazebogruppe erreicht (p = 0,0216). Diese Rate stieg bis Woche 24 unter Dupilumab signifikant im Vergleich zu Plazebo auf 57,7 Prozent (p < 0,0001). Bei 51,2 Prozent der Patienten unter Plazebo und bei 57,1 Prozent derer in der Dupilumab-Gruppe traten therapiebedingte Nebenwirkungen auf, die dem bereits bekannten Sicherheitsprofil von Dupilumab in den bereits zugelassenen Indikationen entsprachen. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet. NO-freisetzendes Gel contra Molluscum contagiosum Obwohl die Infektion mit Molluscum contagiosum (MC) üblicherweise harmlos ist, können daraus entstellende Läsionen und Narben entstehen. NO weist unter anderem eine antivirale Aktivität auf. Aus diesem Grund wurde nach Ausführung von Prof. John C. Browning aus San Antonio (Texas/USA) ein NO-freisetzendes Gel in dieser Indikation getestet. Berdazimer (10,3%) ist ein Prüfgel, das aus 2 Komponenten besteht: einem Gel mit Berdazimer-Natrium, einer neuen chemischen Substanz mit kovalent gebundenen NO-Donatoren, und einem Hydrogel, das die NO-Freisetzung fördert (2). Jetzt wurden die Ergebnisse der multizentrischen, doppelblinden Phase-III-Studie BESIMPLE 4 vorgestellt, an der 891 Kinder und Erwachsene mit MC-Infektion teilnahmen. Fast 90 Prozent der Teilnehmer waren zwischen 2 und 12 Jahre alt. Die Patienten oder ihre Betreuer trugen Berdazimer-Gel oder ein Vehikel 12 Wochen lang auf erhabene und tastbare Molluskum-Läsionen auf. Der primäre Endpunkt der Studie war der Anteil der Patienten, bei denen alle erhabenen und tastbaren MC-Läsionen in Woche 12 vollständig verschwunden waren. Zu diesem Zeitpunkt erreichten signifikant mehr Patienten, die mit Berdazimer-Gel behandelt wurden, im Vergleich zu den Patienten mit dem Vehikelgel eine vollständige Beseitigung aller Läsionen (32,4 % gegenüber 19,7 %; p < 0,0001). Signifikante Wirkungen wurden ab Woche 4 beobachtet. 43 Prozent der Patienten mit dem neuen Gel im Vergleich zu 23,9 Prozent in der Vehikelgruppe erreichten in Woche 12 eine 90-prozentige Beseitigung der MC-Läsionen (p < 0,0001). Das Gel wurde im Allgemeinen gut vertragen, die häufigsten Nebenwirkungen waren gering ausgeprägte Schmerzen an der Applikationsstelle und Erytheme. Letztere erreichten ihren Höhepunkt in Woche 2 und klangen danach ab. 10 SZD 3/2022 KONGRESSBERICHT AAD 2022 Ruxolitinib: Langfristig wirksam bei der Weissfleckenkrankheit Bislang ist in Europa keine kausale Therapie für Vitiligo zugelassen. Das könnte sich bald durch eine Cremeformulierung mit dem JAK1/JAK2-Inhibitor Ruxolitinib ändern, die sich in bisherigen Studien als sehr erfolgreich erwies. Als Late Breaker wurden in Boston die 52-Wochen-Ergebnisse der beiden randomisierten Phase-III-Studien TRuE-V1 und TRuE-V2 vorgestellt (3). Nach 24 Wochen war die RuxolitinibCreme bei jugendlichen (≥ 12 Jahre) und erwachsenen Patienten einer Vehikelcreme bezüglich der Repigmentierung im Gesicht signifikant überlegen. Die Creme wurde 2-mal täglich aufgetragen. Ein wichtiger sekundärer Endpunkt dieser Studien sei die Repigmentierung (gemessen im Face Vitiligo Area Scoring Index [F-VASI]) über 52 Wochen gewesen, sagte Dr. David Rosmarin aus Boston (Massachusetts/USA) bei der Vorstellung der Langzeitergebnisse. Der F-VASI misst den Anteil der repigmentierten Haut in Prozent, ausgedrückt als Prozentsatz der gesamten Hautfläche des Gesichts. Nach der 24-wöchigen doppelblinden Behandlungsphase wurden alle Teilnehmer, die zuvor das Vehikel erhalten hatten, auf die 1,5-prozentige RuxolitinibCreme umgestellt. Die Wirksamkeit der Behandlung nahm im Laufe der Zeit kontinuierlich zu: Etwa die Hälfte der Teilnehmer, welche die Ruxolitinib-Creme vom ersten Tag an auftrugen, erreichten bis Woche 52 einen F-VASI-Wert von 75. Fast ein Drittel der Patienten (30%), die die Creme vom ersten Tag an auftrugen, wiesen in Woche 52 sogar einen F-VASI-Wert von 90 auf. Rosmarin wies darauf hin, dass die Teilnehmer, die von Plazebo umgestellt worden seien, ebenfalls sehr konsistente Ergebnisse erzielt hätten: «Die repigmentierten Bereiche passen kosmetisch gut mit jenen der normal pigmentierten Haut zusammen.» Die Creme war nicht nur im Gesicht wirksam, sondern führte auch am Körper und auf den Handrücken zu einer Repigmentierung. Diese Stellen sprechen besonders schlecht auf eine Anwendung an. Etwa 75 Prozent der Patienten in beiden Studien erreichten bis Woche 52 ein F-VASI-50-Ansprechen. Die Ruxolitinib-Creme wurde gut vertragen. Es traten keine klinisch bedeutsamen Reaktionen an der Applikationsstelle oder schwerwiegende behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse auf. Doch wie lang muss mit der Creme behandelt werden bzw. was passiert nach Therapieende? Hier äusserte sich Rosmarin weniger optimistisch: «Ich denke, wir brauchen wahrscheinlich eine Art Erhaltungstherapie», so sein Fazit. Wirksames und dabei besser verträgliches Gel bei Hyperhidrose Auch bei der Hyperhidrose besteht Hoffnung auf ein neues verträglicheres Topikum. Sofpironium ist ein Analogon des Anticholinergikums Glycopyrrolat. Im Gegensatz zu Letzterem wird es jedoch nach der Auf- nahme schnell in weniger aktive Bestandteile umge- wandelt, sodass die Hoffnung besteht, dass weniger anticholinerge Nebenwirkungen auftreten. Das scheint tatsächlich der Fall zu sein, wie die beiden identisch konzipierten Studien Cardigan I und Cardi- gan II zeigten (4). In beiden Studien wurden jeweils 350 Probanden im Alter von 9 Jahren oder älter randomisiert entweder mit dem Sofpironium-Gel oder dem Gelvehikel für 6 Wochen behandelt und 2 Wochen nachbeobach- tet. Das Sofpironium-Gel führte zu einer signifikanten Verringerung des Hyperhidrosis-Disease-Severity- Measure-Axillary-(HDSM-Ax-)Scores um ≥ 2 Punkte: 49,3 Prozent der Patienten in der Cardigan-1-Studie (verglichen mit 29,4% in der Vehikelgruppe; p < 0,001) und 63,9 Prozent der Patienten in der Cardigan-II-Studie (verglichen mit 47% in der Plazebo- gruppe; p = 0,003) erreichten diesen Endpunkt. Ausserdem war bei den Patienten mit dem Sofpiro- nium-Gel die gravimetrisch bestimmte Schweisspro- duktion im Vergleich zu den Patienten mit dem Vehi- kelgel signifikant geringer. Das Gel wurde zudem gut vertragen: «Die meisten unerwünschten Ereignisse waren leicht oder mittel- schwer und entsprachen dem, was wir von einem Anticholinergikum erwarten würden, wie Mundtro- ckenheit, verschwommenes Sehen und Schmerzen bei der Anwendung», sagte Prof. David M. Pariser aus Norfolk (Virginia/USA). Erfreulicherweise traten trotz der relativ hohen Kon- zentration von 15 Prozent tatsächlich weniger anti- cholinerge Wirkungen und Behandlungsabbrüche mit dem innovativen Gel auf. «Die unerwünschten Nebenwirkungen nahmen ausserdem mit der Zeit ab, da sich die Patienten an die Behandlung ge- wöhnten», so Pariser. s Susanne Kammerer Quellen: AAD 2022 Annual Meeting,Boston (Massachusetts/USA) Referenzen: 1. Yosipovitch G, et al.: Dupilumab Significantly Improves Itch and Skin Lesions in Pa- tients with Prurigo Nodularis: Results from a Phase 3 Trial (LIBERTY-PN PRIME2). S026 AAD 2022. 2. Browning JC, et al.: Berdazimer gel 10,3% (SB206): A novel, topical nitric oxide releasing medication: results from a pivotal phase 3 study in patients (children and adults) with Molluscum contagiosum. Late breaking abstract. F045. AAD 2022. 3. Rosmarin D. Efficacy and safety of ruxolitinib cream monotherapy for the treatment of vitiligo: results from 2 52-week phase 3 studies. S026, AAD 2022. 4. Pariser D, et al.: Topically applied sofpironium bromide gel, 15% for the treatment of primary axillary hyperhidrosis: results from the Cardigan I and Cardigan II phase 3 multicenter, randomized, placebo-controlled trials. S026, S026, AAD 2022. SZD 3/2022 11