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FORTBILDUNG
Dermatosen von Brust und Mamille
Eine ganze Reihe von Hauterkrankungen können auch Brust und/oder Mamille betreffen. Darüber hinaus gibt es Hautveränderungen, die typischerweise nur im Brustbereich zu finden sind. Welche Krankheitsbilder können dem Dermatologen in diesem kosmetisch sensiblen Bereich begegnen?
Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Klaus Eisendle
Einen Überblick über häufige und weniger häufige Veränderungen von Brust und Mamille gab Prof. Dr. Dr. Klaus Eisendle, Abteilung für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Krankenhaus Bozen, auf der DERM Alpin 2021. Die dermatologischen Erkrankungen von Brust und Mamille lassen sich einteilen in proliferative Veränderungen – dazu zählen die benignen und malignen Neu- und Fehlbildungen – und entzündliche infektiöse und nicht infektiöse Veränderungen (Abbildung 1).
Entzündungen
Bei den entzündlichen Veränderungen sind in erster Linie Ekzeme zu nennen, die auf dem Boden einer Vorerkrankung (z. B. Neurodermitis) entstehen oder auch als primäre Läsion auftreten, etwa als Folge mechanischer Beanspruchung beim Stillen oder bei Langstreckenläufern (jogger’s nippel). Das akute Ekzem ist gekennzeichnet durch ein Erythem mit Schuppung, Krusten, Fissuren und Erosionen (Abbildungen 2 und 3). In der Regel bestehen Schmerzen und Juckreiz. Bei einer Vitiligo sind die Mamillen häufig mit befallen. Im Sinne eines Köbner-Phänomens kann es dann im Bereich des Warzenvorhofs auch zu einer Mitbeteiligung einer Psoriasis kommen (Abbildung 4). Wenn es unter topischer Steroidtherapie nicht zu einer Abheilung kommt, muss differenzialdiagnostisch an eine Reihe von Erkrankungen gedacht und im Zweifel eine Biopsie entnommen werden (vgl. Tabelle 1).
Abbildung 1: Einteilung von dermatologischen Veränderungen an Brust und Mamille
Tabelle 1:
Differenzialdiagnose Nippelekzem
1. Mamillenadenom 2. lnflammatorisches Karzinom 3. Morbus Paget 4. Morbus Bowen 5. Superfizielles Basaliom 6. Atopische Dermatitis (Nippelekzem) 7. Kontaktdermatitis, allergisch oder irritativ 8. Psoriasis 9. Candida-Infektion 10. Artefakte
Quelle: Klaus Eisendle
Infektionen
Eine Mastitis entsteht häufig im Wochenbett und betrifft 2,5 Prozent der stillenden Mütter. Sie äussert sich durch lokale Schwellung und Rötung, schlimmstenfalls kann es zu Superinfektionen mit systemischen Beschwerden kommen. Ursache ist ein Milchstau, zum Beispiel bei unregelmässigem Stillen. Therapeutisch helfen Wärme oder Massagen, in fortgeschrittenen Stadien eine systemische antibiotische Therapie. Erysipele kommen auch im Mamillenbereich vor und können mit einer 10-tägigen Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure gut behandelt werden. Differenzialdiagnostisch gilt es, eine Strahlendermatitis nach Radiatio bei Mammakarzinom und eine Lymphangiosis carcinomatosa abzugrenzen (Abbildung 5). Piercings werden immer beliebter; in diesem Zusammenhang sind Infektionen die häufigsten Komplikationen (78 %), wobei unter den verschiedenen Lokalisationen die Brustwarze in nur 5 Prozent der Fälle betroffen ist. Dort werden Piercings also vergleichsweise gut vertragen. Einen seltenen, aber nicht ungefährlichen Fall einer Infektion stellte Eisendle in diesem Zusammenhang vor: Eine 18-jährige, vor Kurzem aus dem Sudan emigrierte Frau, die sich in der 38. Schwangerschaftswoche befand, stellte sich notfallmässig mit einem Befund vor, der zunächst an eine Mykose denken liess (Abbildung 6). Im Abstrich wurde dann aber Corynebacterium diphtheriae nachgewiesen. Unter Antibiose heilte die Infektion komplett ab. Unent-
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Tabelle 2:
Differenzialdiagnose von Brustkrankheiten mit einseitiger Sekretion aus der Mamille
1. Mamillenadenom 2. Duktales Carcinoma in situ 3. lnvasives Mammakarzinom 4. Morbus Paget 5. Sarkom der Brust 6. Periduktale Mastitis 7. Artefakte
Quelle: Klaus Eisendle
Abbildung 3: Nippelekzem
Abbildung 4: Mitbeteiligung der Mamille bei einer Vitiligo (Köbner-Phänomen)
Abbildung 2: Mamillenekzem mit histologischem Bild
deckt hätte die Übertragung auf das gestillte Kind tödlich enden können.
Benigne und maligne Neubildungen
Bei gutartigen Tumoren der Brust ist u. a. an Zysten, Fibrozysten, Fibroadenome, phylloide Tumoren und papilläre Adenome der Brustwarze zu denken. Maligne Neubildungen umfassen vor allem das Mammakarzinom, Tumormetastasen und den Morbus Paget (Tabelle 1). Dabei sind eine einseitige Schwellung und einseitige Sekretionen aus der Mamille (Tabelle 2) immer als Alarmzeichen zu deuten. Im Zweifelsfall hilft eine Biopsie weiter. Beim M. Paget, der oberflächlichen Manifestation eines darunterliegenden Malignoms, sind histologisch Cytokeratin-7-positive Paget-Zellen zu erwarten (Abbildung 7). Manchmal imponiert ein M. Paget auch wie ein Ekzem mit Verkrustungen. Beim Mamillenadenom handelt es sich um einen seltenen Adnextumor aus apokrinem Drüsenepithel und eine wichtige Differenzialdiagnose zum M. Paget. Es betrifft Frauen mittleren Alters und äussert sich als noduläre, teilweise krustöse, meist erosive Hautverhärtung im Mamillenbereich mit Blutung, Juckreiz, Nässen und Grössenprogredienz. Die Therapie besteht in einer vollständigen Resektion, da es ansonsten unweigerlich zu Rezidi-
Abbildung 5: 1 und 2: Erysipel; 3 und 4: Radiodermitis; 5 und 6: Lymphangiosis carcinomatosa Abbildung 6: Mammabefund einer 18-jährigen Patientin in der 38. SSW mit kutaner Diphterie
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Abbildung 7: Morbus Paget, die Immunhistochemie zeigt Cytokeratin-7-positive Paget-Zellen
Tabelle 3:
DD Leitsymptom Knoten mammär
1. Mammakarzinom (nicht schmerzhaft, 40–70 Lj.) 2. Mastitis/Abszess (stark druckschmerzhaft, puerperal) 3. Zysten (glatt begrenzt, mässig druckschmerzhaft, 45–55 Lj.) 4. Mastopathie (diffuse Gewebsverdichtung, oft bds.) 5. Fibroadenom (wenig druckdolent, multipel, 15–30 Lj.) 6. «ANGEL» (Akronym für Angiolipom, Neurom, Glomustu-
mor, Eccrines spiradenoma Leiomyoma) und andere benigne Tumoren (Chondrom, Myxom, Atherom, Hämangiom, Lipom)
Quelle: Klaus Eisendle
Abbildung 8: Gelbliche Papeln im Bereich der Mamille bei einer 22-jährigen Patientin
Mammakarzinom. Biopsien im Bereich der Mamille seien übrigens problemlos möglich und verheilten ohne Narbenbildung, betonte Eisendle. Gelbliche Papeln im Bereich der Mamille sind verdächtig auf ektope hypertrophe Talgdrüsen. In dem von Eisendle vorgestellten Fall einer 22-jährigen schwangeren Patientin (Abbildung 8) verschwanden die Veränderungen nach der Entbindung. Mögliche Differenzialdiagnosen bei mammären Knoten zeigt die Tabelle 3. Als häufigste Pathologie der männlichen Brust betrifft die Gynäkomastie bis zu 79 Prozent der männlichen Patienten mit Brustproblemen (+/– Mastalgie). Sie ist in aller Regel gutartig und bedarf keiner weiteren Abklärung. Bei Ausfluss allerdings sollte man biopsieren. Medikamente, die eine Gynäkomastie auslösen können, sind u. a. Spironolacton, Cimetidin, Ketoconazol, Antiandrogene und anabole Steroide.
Abbildung 9: Pyoderma gangraenosum, Verlauf nach Meshgraft-Transplantation
ven kommt, maligne Entartungen wurden beschrieben. Als Faustregel gilt: Bei jüngeren Patientinnen ist eine Hautveränderung im Mamillenbereich meist nicht bösartig, bei älteren sollte man dagegen dringend biopsieren. Bei Frauen über 70 Jahren sind mehr als 75 Prozent der Biopsien maligne. Grosszügiges Biopsieren ist auch angesagt bei einem Zustand nach
Pyoderma gangraenosum
Diese Ulzerationen, bei denen es sich vermutlich um
eine überschiessende Reaktion des Immunsystems
handelt, können prinzipiell an jeder Körperregion
auftreten. Eisendle präsentierte dazu den Fall einer
43-jährigen Frau, die seit 3 Tagen eine Rötung und
Schmerzen im Bereich der linken Brust verspürte,
3 Tage lang hatte sich der Befund massiv verschlim-
mert. Erst als die Patientin von einem ähnlichen Be-
fund am Bein vor einem Jahr berichtete, wurde die
Ursache klar. Die Therapie des Pyoderma gangrae-
nosum bestand aus einer Unterdruck-Wundtherapie
(NPWT), gefolgt von Meshgraft und einer Immunsup-
pression (Methylprednisolon, Dapson, Ustekinumab),
worauf die Veränderungen nach 4 Wochen abheilten
(Abbildung 9).
s
Vera Seifert
Dieser Artikel erschien erstmals in: DERMAforum, 2022; 26 (1/2) Seiten 10f. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Referenten, der Autorin und des Verlags.
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Klaus Eisendle
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