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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
EADV 2021
Wandlungsfähige Hautmykosen
Wenn die Tinea inkognito bleibt
Wenn eine Dermatophyteninfektion nicht korrekt diagnostiziert wird, sondern fälschlicherweise für eine entzündliche Dermatose gehalten und mit einem topischen Glukokortikoid behandelt wird, kann sich das klinische Bild so verwandeln, dass die korrekte Diagnose der Tinea schwierig wird.
Tabelle 1:
Bei Fällen von Tinea incognita verwendete immunsuppressive Medikamente
(mit Häufigkeitsangaben aus der Literatur)
Saunte aus Roskilde (DK) am virtuellen EADV-Kongress 2021. Von manchen Autoren wurde die ihnen sprachlich seltsam anmutende Begriffsbildung Tinea incognito zu Tinea incognita (= nicht erkannte Tinea) abgeändert.
Topische Kortikosteroide
54–90%
Fixe Kombinationspräparate
37%
(potentes Steroid, antimykotischer, antibakterieller Wirkstoff)
(In Dänemark und Indien wurden Terbinafin-Resistenzen in Zusammenhang mit fixen
Kombinationspräparaten beobachtet.)
Orale Steroide
15%
Topische Calcineurin-Inhibitoren
5–6%
Calcipotriol/Betamethason
3%
(nach Ditte Marie Saunte)
Bereits 1968 beschrieben Adrian Ive und Ronald Marks 14 derartige Fälle, für die sie den Ausdruck «Tinea incognito» prägten (1). Seither habe sich gezeigt, dass nicht nur topische und systemische Kortikosteroide, sondern auch Calcineurin-Inhibitoren und andere immunsuppressive Medikamente die typische Morphologie von Dermatophyteninfektionen verändern könnten (Tabelle 1), berichtete Ditte Marie
Aus «Ekzem» wird «Herpes-simplex-Infektion»
Die Referentin präsentierte eine Reihe eindrücklicher Fälle von Tinea incognita aus der Literatur. Das machte deutlich, dass die klinischen Ausprägungen sehr unterschiedlich sein und Ähnlichkeiten mit vielen anderen dermatologischen Krankheitsbildern haben können (Tabelle 2). Beispielsweise wurde von koreanischen Autoren der Fall eines 30-jährigen Mannes publiziert, der vom Allgemeinpraktiker wegen eines vermeintlichen Ekzems lateral am rechten unteren Augenlid ein topisches Kortikosteroid erhielt (2). Die Hautveränderung schien zuerst auf die Therapie anzusprechen, doch dann veränderte sie sich und wurde zunehmend grösser. Nach 2 Monaten fand der Dermatologe gruppierte erythematöse Papeln, Bläschen und Krusten vor. Die Morphologie deutete auf eine Herpessimplex-Infektion hin, doch eine 5-tägige AciclovirTherapie blieb erfolglos. Schliesslich führte der Haut-
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biopsiebefund von Pilzhyphen und Sporen im Stra-
tum corneum zur Diagnose. Die nicht indizierte topi-
sche Kortikosteroid-Therapie, die während eines
Monats durchgeführt worden war, hatte das typische
Erscheinungsbild der Tinea faciei so verändert, dass
die korrekte Diagnose schwierig zu stellen war. Erst
nach 12-wöchiger Behandlung mit Terbinafin (250 mg
täglich peroral und topisch als Creme) heilte die
Tinea faciei ab. Die Autoren weisen darauf hin, dass
Fälle von Tinea faciei nicht selten initial falsch dia-
gnostiziert würden (2). Tabelle 2 gibt einen Überblick
über einige klinische Erscheinungsformen von Tinea
incognita, die von der Referentin aus der Literatur zu-
sammengetragen wurden.
Konsequenzen einer nicht oder falsch diagnostizier-
ten Pilzinfektion der Haut sind Krankheitsprogres-
sion, atypisches Erscheinungsbild bei immunsup-
pressiver Behandlung, Verzögerung der korrekten
Therapie und Ansteckungsrisiko für Kontaktperso-
nen. Eine versteckte Pilzinfektion sollte in Betracht
gezogen werden, wenn die Hautveränderungen auf
eine immunsuppressive Therapie nur partiell oder
gar nicht ansprechen oder sogar schlimmer werden.
Auch Tineafälle bei Familienmitgliedern sind wich-
tige Hinweise. Direkte Mikroskopie und Histologie
eignen sich zum Nachweis der Pilzinfektion, Kultur
und molekulare Diagnostik zur Identifikation der
Spezies.
s
Tabelle 2:
Klinische Erscheinungsformen von Tinea incognita
(mit Häufigkeitsangaben aus der Literatur)
Ähnlichkeit mit Ekzem Ähnlichkeit mit Rosazea Ähnlichkeit mit diskoidem Lupus erythematodes Ähnlichkeit mit seborrhoischer Dermatitis Ähnlichkeit mit Impetigo Ähnlichkeit mit Psoriasis Ähnlichkeit mit Pyoderma Ähnlichkeit mit systemischem Lupus erythematodes Ähnlichkeit mit Follikulitis Ähnlichkeit mit Herpes simplex
(nach Ditte Marie Saunte)
25–82% 5–30% 2–23% 4–20% 1–16% 6–15% 1–11% 3% 1–2% 1%
Alfred Lienhard
Quelle: Session D1T07.3 (fungal skin infections), Vortrag «Hidden mycotic infections» beim 30. Jahreskongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) am 30. September 2021, online.
Referenzen : 1. Ive A et al.: Tinea incognito. Br Med J. 1968;3:149-152. 2. Park Y et al.: Tinea incognito simulating herpes simplex virus infection. Ann Derma-
tol. 2014;26:267-269.
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