Transkript
FORTBILDUNG
Tage bis Jahre nach dem Zeckenbiss
Hautveränderungen bei BorrelienInfektionen
Borrelien sind eine Gattung von Bakterien, die durch Zeckenbisse übertragern werden. Das Spektrum der Hautmanifestationen, die auf eine Borrelien-Infektion zurückzuführen sind, zeigt eine enorme Bandbreite, sowohl im Erscheinungsbild als auch in der zeitlichen Abfolge nach dem Zeckenbiss.
MARGUERITE KRASOVEC RAHMANN
Marguerite Krasovec Rahmann
Zecken sind blutsaugende, achtbeinige Gliederfüssler. Ixodes ricinus ist in der Schweiz die am häufigsten vorkommende Zecke. Sie ist auch der wichtigste Vektor der durch Zecken auf den Menschen übertragenen Infektionen: die Borreliose (Lyme-Krankheit) und die FSME-Enzephalitis. Auf dem Schweizer Plateau finden sich mindestens drei Borrelienarten, von Ort zu Ort verschiedentlich prädominierend und andersartige Pathologien auslösend. Borrelia afzeii (26%) wird für die Acrodermatitis chronica atrophicans, Borrelia garinii für die meisten Neuroborreliosen und Borrelia burgdorferi für die Arthritis verantwortlich gemacht. Ixodes ricinus ist zwischen April und Oktober aktiv. Die Zecken kommen im feuchten dichten Unterholz und an den Wegrändern des Waldes vor, in Gegenden einer Höhe von maximal 1200 m. Alle 3 Entwicklungsstadien der Zecken (Larve, Nyphe, adulte Zecke) können den Menschen beissen. Davor wandern sie eine Zeit lang auf der Körperoberfläche und wählen als Saugstelle gerne die Achsel- und Kniehöhlen, die Ellenbeugen und die Geschlechtsteile. Die Blutmahlzeit dauert 3 bis 7 Tage. Das Erythema migrans, das Borrelien-Lymphozytom (Lymphadenosis benigna cutis) und die Acrodermatitis chronica atrophicans sind dermatologische Erscheinungsformen der durch Zecken übertragenen Borrelieninfektionen.
Erythema migrans
Borrelia afzeii, Borrelia garinii und Borrelia burgdorferi können ein Erythema migrans verursachen. Es gibt eine saisonale Häufung von Mai bis Oktober, mit einem Peak in Juli. Das Erythema migrans (Abbildung 1) zeigt sich initial mit einem homogenen Erythem von zirka 5 cm. Langsam wird dieser Fleck grösser und zeigt einen aktiven rötlichen Rand und eine zentrale Abheilung. In einigen Fällen bildet sich zentral eine kleine Papel; gelegentlich kann sich das Zentrum dunkelblau verfärben. Der Fleck dehnt sich über Wochen aus und verschwindet dann spontan. Ein Erythema migrans kann auch atypisch erscheinen: vesikulös, homogen rot oder hämorrhagisch. Gelegentlich finden sich 2 oder mehrere Erythemata mig-
rantia. Diese multiplen Läsionen säen sich bei einer Streuung von Borrelien in der Haut. Bei Kindern ist das Erythema migrans häufiger als bei Erwachsenen und hat als Prädilektionsstelle den Kopf; die klinische Präsentation variiert: zartes Erythem im Gesicht, fleckige Erytheme, diffuse Weichteilinfiltration. Die Inkubationszeit des Erythema migrans ist im Mittel 7 bis 10 Tage nach Zeckenstich. Systemische und febrile Krankheitszeichen beim Erythema migrans treten in Europa selten auf. Differenzialdiagnostisch kann man an einen gewöhnlichen Insektenstich, ein Erysipel oder eine an Tinea corporis denken. Histologisch finden sich beim Erythema migrans perivaskuläre lymphozytäre plasmazellreiche Infiltrate in allen Dermisschichten oder Keimzentren in langbestehenden Läsionen.
Borrelien-Lymphozytom
Das Borrelien-Lymphozytom (Lymphadenosis benigna cutis, Lymphocytoma cutis) ist eine seltene Manifestation einer Borrelieninfektion, häufig beim Kind. Nicht alle, aber die meisten Fälle von Lymphadenosis benigna cutis sind Borrelien-Lymphozytome. Das dichte, dermale Infiltrat stellt eine Reaktion auf die Borrelien dar. Diese lassen sich im Gewebe auch nachweisen. Das klinische Bild umfasst eine solitäre knotige Form, eine disseminierte kleinknotige Form und eine flächenhaft-infiltrative Form. Am häufigsten findet sich ein roter Knoten am Ohr, an der Mamille oder am Skrotum (Abbildung 2 ). Der Knoten tritt 2 bis 10 Monate nach dem Zeckenstich auf. Differenzialdiagnostisch kommen Zysten, Skabies-Knoten oder kutane (Pseudo-)Lymphome in Frage. Histologisch besteht bei der Lymphadenosis benigna cutis das Bild eines kutanen B-Zell-Pseudolymphoms, entsprechend einer reaktiven lymphoiden Hyperplasie. In der Dermis finden sich knotige, scharf begrenzte Infiltrate lymphoider Zellen mit Ausbildung von Keimzentren. Ungewöhnliche Verlaufsformen der Lymphadenosis benigna cutis können diagnostisch Probleme bereiten und sind von malignen Lymphomen der Haut nur schwer abzugrenzen. Bei unserem 73-jährigen Patienten bestand ein flächenhaftes inhomogen rotes
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FORTBILDUNG
© Krasovec
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Abbildung 1: Erythema migrans
Abbildung 2: Borrelien-Lymphozytom bei einem Kind
© Krasovec © Krasovec
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Abbildung 3: Borrelien-assoziertes Abbildung 4: Acrodermatitis chro- Abbildung 5: Fibrinoide Knoten
T-Zell Pseudolymphom
nica atrophicans
Erythem am Oberschenkel anterior links (Abbildung 3). Histologisch fand sich ein T-Zell-reiches dermales Infiltrat. Durch weiterführende immunhistochemische Untersuchungen wurde die Diagnose einer seltenen und ungewöhnlichen Form eines Borrelien-assozierten T-Zell-Pseudolymphoms gestellt.
Acrodermatitis chronica atrophicans
Die Acrodermatitis chronica atrophicans ist eine dermatologische Spätmanifestation der Lyme-Borreliose, die Streckseiten der Extremitäten befallend (Abbildung 4). Am Anfang kann eine teigige Schwellung bestehen, danach zeigt sich eine zyantotisch rötlich-livide Verfärbung der Haut. Nach Jahren bildet sich eine Hautatrophie mit einer «zigarettenpapierartigen» verdünnten Haut und mit durchschimmernden, kutanen Gefässen. Bei 40 Prozent der Patienten besteht gleichzeitig eine Polyneuropathie. Das zeitliche Auftreten der Acrodermatitis chronica atrophicans ist 6 Monate bis Jahre nach dem Zeckenbiss. Differenzialdiagnostisch denkt man an eine Dermatitis bei chronisch venöser Insuffizienz, ein Erysipel, ein Lymphödem oder eine Morphea. Histologisch zeigt die Acrodermatitis chronica atrophicans eine Atrophie aller drei Hautschichten, ektatisch erweiterte Kapillaren, perivaskuläre und bandförmige, lymphozytäre, plasmazellreiche Infiltrate und einen Verlust der elastischen Fasern. Eine seltene Manifestation der Borreliose im Stadium der Acrodermatitis chronica atrophicans sind fibrinoide Knoten (Abbildung 5). Dabei handelt es sich
um schmerzlose Knoten mit oder ohne darüber liegender, livider Verfärbung im Bereich von Gelenken an Handrücken und Ellenbogen. Die Läsionen sind direkt erregerbedingt und sprechen auf antibiotische Therapie an. Differenzialdiagnotisch kann man an Granuloma anulare, Rheumaknoten, Xanthome oder Xanthogranulome denken. Andere Dermatosen, welche im Zusammenhang mit einer Borrelien-Infektion beschrieben wurden, sind die Morphea, der Lichen sclerosus und die interstitielle granulomatöse Dermatitis, welche klinisch durch morpheiforme Läsionen und histologisch durch histiocytäre Infiltrate und histiocytäre Pseudorosetten charakterisiert ist.
Therapie
Die Diagnose einer Hautborreliose erfolgt mittels Kli-
nik, unterstützt durch eine eventuelle Biopsie und
Serologie. Die Therapie erfolgt beim Erwachsenen
meistens mittels Doxycyclin 2 × 100 mg über 10 bis
14 Tage beim Erythema migrans und 21 bis 28 Tage
beim Borrelien-Lymphozytom sowie bei der Acroder-
matitis chronica atrophicans. Alternativ kommen
Amoxicillin oder Cefuroxim zum Einsatz. Bei Kindern
wird Amoxicillin verschrieben.
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Korrespondenzadresse: Dr. med. Marguerite Krasovec Rahmann FMH Dermatologie und Venerologie Lilie Zentrum Uitikonerstrasse 9 8952 Schlieren E-Mail: dr-krasovec@derma-limmattal.ch
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