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KONGRESSBERICHT
Telemedizinische Konsultationen
Jetzt auf den Trend aufspringen?
Verpassen Dermatologen eine unaufhaltsame Entwicklung, wenn sie keine teledermatologischen Konsultationen anbieten? An einem virtuellen Fortbildungsevent gab Dr. Jean-Philippe Görög, Bern, Einblicke in seine teledermatologische Praxistätigkeit.
Manche Dermatologen haben sich in der Schweiz bereits einer Teledermatologie-Plattform wie OnlineDoctor.ch oder derma2go.com angeschlossen, einige zögern noch, sich auf die neue Arbeitsform einzulassen. Görög hat in den letzten 2 Jahren Erfahrungen mit OnlineDoctor.ch gesammelt. Lukrativ ist die teledermatologische Praxistätigkeit nicht, aber immerhin wird die Bearbeitung einer Anfrage, die bei effizientem Vorgehen nur 5 bis 10 Minuten beansprucht, mit 35 Franken honoriert. Die Teilnahme an der Plattform erfolge einfach, rasch und kostenlos, so der Referent. Anfragen von Patienten können ortsunabhängig und zeitversetzt bearbeitet werden. Wenn der Tag durch die Sprechstunde bereits voll ausgelastet ist, kann nach seiner Erfahrung die zusätzliche teledermatologische Arbeit belastend sein. Jedoch kann die Praxistätigkeit von der Plattformtätigkeit profitieren. Die Sprechstunde kann von Banalitäten entlastet werden, die Dringlichkeit nötiger Praxiskonsultationen lässt sich besser triagieren, und die Planung des Konsultationsablaufs wird verbessert.
Sofortzugang zu dermatologischer Beratung
Teledermatologische Anfragen seien eine echte Hilfe für Patienten in Not, so der Referent. Personen mit Wohnsitz in der Schweiz können auch aus den Ferien im Ausland anfragen, ob ihr dermatologisches Problem sofort oder erst nach der Rückkehr einer Untersuchung und Behandlung bedarf. Nachdem der Patient einen an der Plattform beteiligten Dermatologen ausgewählt hat, beantwortet er mit Unterstützung eines Chat-Bots Anamnesefragen, die für die Beurteilung des Hautproblems relevant sind. Mit dem Smartphone macht der Patient drei Fotos der Hautveränderung und lädt sie hoch. Auf seine Anfrage, für die er 55 Franken bezahlt, erhält der Patient innerhalb weniger Stunden (maximal 48 Std.) zusammen mit einer Handlungsempfehlung eine fachärztliche Ersteinschätzung, die aber nicht den Charakter einer definitiven Diagnose besitzt. E-Rezepte können aus rechtlichen Gründen noch nicht ausgestellt werden. Eine Auswertung von OnlineDoctor.ch hat ergeben, dass mehr als 85 Prozent der Anfragen abschliessend beurteilt werden konnten. Die hohe Abschlussquote
überrasche nicht, denn häufig handle es sich um kleine Probleme, so der Referent. Offenbar spürten die Patienten intuitiv, was sich teledermatologisch erledigen lasse.
Überwiegend Banalitäten und einfache Fälle
Anfragen zu genitalen Hautproblemen sind häufig, denn besonders bei jungen Personen ist die Schwelle für die teledermatologische Konsultation geringer als für einen Termin in der Sprechstunde. Oft handelt es sich dabei um Banalitäten wie Hirsuties coronae glandis (pearly penile papules) oder ektope Talgdrüsen (Fordyce spots). In wenigen Minuten können die besorgten Patienten beruhigt werden. Im letzten Sommer wurden gehäuft Fotos hochgeladen, welche ohne ein Direktpräparat die Blickdiagnose einer Pityriasis versicolor erlaubten. Der Rat lautete, ein rezeptfreies Selendisulfid-Shampoo anzuwenden. Das Shampoo-Therapieschema kann als eine der zahlreichen Textvorlagen, die von der Plattform zur Verfügung gestellt werden, in die Antwort eingefügt werden. Diese schriftlichen Informationen (z. B. auch Massnahmen zur Rezidivprophylaxe) können mithelfen, die Behandlungsresultate zu verbessern und Rückfälle zu verhindern. Als im Sommer Barfussgehen möglich war, machten sich Patienten Sorgen wegen eines braun-schwarzen Flecks, den sie an der Fusssohle seit 1 bis 4 Wochen bemerkt hatten. Die Fotos erlaubten mit grosser Wahrscheinlichkeit die Blickdiagnose einer subkornealen Blutung. Die in die Beurteilung eingefügte Textvorlage wies die Patienten darauf hin, dass sie sich wieder melden sollen, wenn die Hautveränderung nicht innerhalb von 8 bis 10 Wochen verschwindet. Als weitere Fälle, die teledermatologisch einfach zu beurteilen waren, nannte der Referent Histiozytome und seborrhoische Keratosen. In einer Auswertung der häufigsten mittels Teledermatologie-Plattform (OnlineDoctor.ch) gestellten Diagnosen stehen Ekzeme (31%) an erster Stelle, danach folgen Akne (11%), Nävi (9%), Alterswarzen (4%), Psoriasis (4%), Rosazea (3%), Warzen (3%) sowie Pityriasis versicolor, Dyshidrose, Neurodermitis, Narben, Fibrome, Urtikaria, allergische Kontaktdermatitis, Follikulitis (alle 2%).
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KONGRESSBERICHT
Teledermatologie: Zufriedene Patienten und Ärzte
In Studien zu Aknekontrolluntersuchungen schneidet die Teledermatologie gut ab. In
Zukunft würden Dermatologen nicht darum herumkommen, Telemedizin zu betreiben,
sagte Prof. Dr. Robert Hunger, Universitätsklinik für Dermatologie, Inselspital Bern, an
einem virtuellen Fortbildungsevent.
s Die SARS-CoV-2-Pandemie verlieh der Telemedizin kräftig Auftrieb, auch in der
Schweiz. Die Zahl von Publikationen zu Telemedizin verdoppelte sich im Jahr 2020
gegenüber den Jahren zuvor.
s Eine Auswertung von 22 Studien ergab, dass teledermatologische Kontrolluntersu-
chungen bei Acne vulgaris qualitativ gleichwertig waren wie Praxisvisiten. Sowohl
Patienten als auch Ärzte empfanden teledermatologische Aknekontrollen als positiv.
s Patienten schätzten bei teledermatologischen Kontrollen besonders die Zeiteinspa-
rung (keine An- und Rückreisezeit, keine Wartezeit in der Praxis, kein Arbeitszeitver-
lust) und die Vermeidung von Reisekosten.
s In einer prospektiven amerikanischen Studie wurden 121 Probanden mit leichter
bis moderater Akne im Gesicht randomisiert zwei Gruppen zugewiesen (1). Nach
der Erstkonsultation wurden sie behandelt und in 6-wöchigen Abständen viermal
nachkontrolliert, entweder konventionell in der Praxis oder elektronisch über eine
teledermatologische Plattform. Zur Beurteilung wurden drei Fotos des Gesichts (von
vorn und von beiden Seiten) verwendet. Bezüglich der Reduktion der Anzahl ent-
zündlicher Läsionen war nach vier Verlaufskontrollen, die in der Praxis bzw. teleder-
matologisch durchgeführt wurden, kein signifikanter Unterschied feststellbar. Für die
Probanden waren die teledermatologischen Kontrollen zeitsparend. Die Dermato-
logen benötigten sowohl für die Praxisvisiten als auch für die teledermatologischen
Kontrolluntersuchungen jeweils durchschnittlich vier Minuten.
AL
Referenz: 1. Watson AJ et al.: A randomized trial to evaluate the efficacy of online follow-up visits in the management of
acne. Arch Dermatol 2010;146:406-411.
Planung von Praxiskonsultationen optimieren
Eine vorgängige teledermatologische Anfrage erlaubt für eine nötige Konsultation die optimale Planung eines reibungslosen Ablaufs. Als Beispiel berichtete der Referent über die Anfrage der Mutter eines 4½-jährigen Mädchens mit Mollusken auf entzündeter Haut in der Kniekehle. Bei der Beurteilung mit Handlungsanweisung empfahl der Referent der Mutter, vor der Konsultation in der Praxis die Entzündung mit einem topischen Steroid ausschleichend zu bremsen, die Haut rückfettend zu pflegen und eine
Stunde vor der Konsultation eine anästhesierende Lidocain-Prilocain-Creme anzuwenden. Die optimale Vorbereitung machte es möglich, dass in der Praxis alle Mollusken innerhalb von 5 Minuten problemlos entfernt werden konnten. Auch bei der teledermatologischen Verdachtsdiagnose von Condylomata acuminata war es möglich, durch gute Planung eine sehr effiziente Behandlung bereits in der ersten Konsultation durchzuführen. Den Patienten wurde das Aufklärungsblatt über genitale HPV-Infektionen zum Durchlesen übermittelt, und im Praxis-OP wurde für die Konsultation bereits der CO2-Laser reserviert.
Schwierige teledermatologische Anfragen
Schwierig wird es, wenn alle drei übermittelten Fotos
unscharf sind. Schwierigkeiten bereiten auch Fälle,
die bereits fachärztlich vorbehandelt wurden, beson-
ders wenn es sich um hartnäckige, chronische oder
rezidivierende Dermatosen handelt wie beispiels-
weise chronische Handekzeme, die schon mit ver-
schiedenen topischen Medikamenten behandelt
wurden. In solchen Fällen ist eine persönliche Konsul-
tation angezeigt, es braucht eine vertiefte allergolo-
gische Anamnese und ein langfristiges Therapiekon-
zept. Der Referent erwähnte auch das Beispiel einer
Skabies, die schon mehrfach behandelt worden war.
Hier waren eine Dermatoskopie und ein Direktpräpa-
rat in der Praxis nötig. Mögliche Diagnosen waren:
Skabies-Rezidiv, Behandlungsfehler, Resistenz, post-
skabiöses Ekzem. Bei einem weiteren Beispiel einer
schwierigen teledermatologischen Anfrage kam auf-
grund der Anamnese und der Fotos das gesamte
Spektrum der erythrosquamösen Dermatosen diffe-
renzialdiagnostisch in Betracht. Die Diagnose einer
Psoriasis konnte aber erst in der Praxiskonsultation
gestellt werden.
s
Alfred Lienhard
Quelle: Virtuelle gemeinsame Fort- und Weiterbildung der dermatologischen Kliniken Bern, Basel und Zürich,«Neue Technologien – Was bringen sie für den Praxisalltag des Dermatologen?», am 27. Mai 2021.
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