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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
AIU 2021
Biologika und JAK-Hemmer in der Dermatologie
Zielgerichtete Therapien für immer mehr Indikationen
Die Entwicklung von Biologika und anderen zielgerichteten Therapien hat auch in der Dermatologie bei immer mehr Indikationen zu Verbesserungen der therapeutischen Möglichkeiten geführt. Nach den Erfolgen bei der Psoriasis profitieren inzwischen auch Patienten mit atopischer Dermatitis, mit Alopecia areata oder mit Vitiligo von dieser Entwicklung.
Die Entdeckung, dass verschiedene Subtypen von T-Helfer-Zellen (TH) bei entzündlichen Erkrankungen dominieren, machte die Entwicklung von spezifischen Biologika möglich, die zu enormen Verbesserungen in der Therapie entzündlicher Dermatosen geführt haben. Wichtige T-Zell-Subtypen, die an der Immunantwort mitwirken, sind TH1, TH2, TH17 sowie die regulatorischen T-Zellen (Treg). Je nach Erkrankung sind unterschiedliche Subtypen dominierend beziehungsweise herunterreguliert (Abbildung 1), wie Prof. Curdin Conrad aus Lausanne beim virutellen Allergy and Immunology Update (AIU) berichtete. Als die klassische, durch TH17 getriggerte Erkrankung gilt mittlerweile die Psoriasis. Im Unterschied zur Psoriasis gilt die atopische Dermatitis (AD) als klassische, von TH2-Zellen gesteuerte Erkrankung. Doch während sie in der Frühphase in der Tat von den TH2-typischen Zytokinen IL-4, IL-5 und IL-13 getriggert wird, gewinnen in der chronischen Phase auch hier Ifn-γ und andere TH1-typische Zytokine an Bedeutung. «Es ist also nicht nur ein Signalweg, der die Erkrankung in einem chronischen Stadium vorantreibt, in dem wir die Patienten meistens behandeln», gab Conrad zu bedenken. Dennoch war der erste Ansatz in der Biologikatherapie der atopischen Dermatitis die Blockade der TH2-Zytokine, und als ein erster Vertreter dieses Ansatzes ist mittlerweile der monoklonale Antikörper
kurz & bündig
s An der Pathogenese der atopischen Dermatitis sind mehrere Signalwege beteiligt.
s Mit Dupilumab lässt sich bei atopischer Dermatitis bei etwa der Hälfte der Patienten ein EASI75 erreichen. Der Therapieeffekt hält langfristig an.
s Mit Nemolizumab kann insbesondere der Juckreiz bei atopischer Dermatitis gehemmt werden; dieser Antikörper gegen IL-31 wird auch bei anderen juckenden Dermatosen geprüft.
s Während die Therapie mit monoklonalen Antikörpern eher einen einzelnen Signalweg blockiert, werden mit JAK-Inhibitoren mehrere Signalwege gehemmt.
s Die JAK-Inhibitoren unterscheiden sich in den von ihnen blockierten Januskinasen.
s Erfolge mit JAK-Inhibitoren wurden mittlerweile bei atopischer Dermatitis, bei Alopecia areata und bei der Vitiligo beobachtet.
Dupilumab auf dem Markt. Er blockiert die IL-4-Rezeptor-Untereinheit α; dadurch werden sowohl IL-4 als auch IL-13 gehemmt. Die Studiendaten für diesen Therapieansatz sind mittlerweile sehr solide – wie die Studien SOLO 1 und 2 sowie CHRONOS gezeigt haben, erreichen etwa die Hälfte der mit Dupilumab behandelten Patienten einen EASI75 (1). Damit sei diese Therapie eine gute Ergänzung der therapeutischen Optionen für diese Patienten, betonte Conrad. Besonders bei Betrachtung des Langzeitverlaufs erweist sich diese Therapie als sehr zuverlässig. Das wurde beispielsweise in der offenen Extensionsstudie LIBERTY AD OLE gezeigt: Bis zu 3 Jahren blieb der Therapieeffekt von Dupilumab erhalten (2). Darüber hinaus hat sich Dupilumab auch als sehr sicheres Therapeutikum erwiesen. Die bei einigen Patienten beobachtete Hypereosinophilie ist vorübergehend und bildet sich bei fortgesetzter Therapie zurück. Eine wichtige, immer wieder beschriebene Nebenwirkung ist die Dupilumab-assoziierte Konjunktivitis, die spezifisch für Patienten mit atopischer Dermatitis ist und nicht beim Einsatz von Dupilumab bei Asthma und anderen Indikationen beobachtet wird. Diese Nebenwirkung wird, je nach Studie, bei 8 bis 30 Prozent der mit Dupilumab behandelten Patienten mit atopischer Dermatitis beschrieben. Sie ist üblicherweise nicht schwer, allerdings störend für die Betroffenen. In der Behandlung dieser Nebenwirkung haben sich Tacrolimus-Salbe oder Augentropfen mit topischen Steroiden bewährt; wegen der Häufigkeit könne das auch prophylaktisch erwogen werden, betonte Conrad.
Neue zielgerichtete Therapien bei atopischer Dermatitis
In der Pathogenese der atopischen Dermatitis ergeben sich noch weitere zielgerichtete Ansätze. In den letzten Jahren wurden Hemmstoffe gegen weitere involvierte Zytokine entwickelt. Ein ebenfalls vielversprechender Ansatz ist die Blockade von IL-31, wie sie beispielsweise mit dem Antikörper Nemolizumab umgesetzt wurde. Dieser Antikörper hat sich insbesondere in der Hemmung des Juckreizes bewährt,
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was durch eine schnelle und anhaltende Reduktion im Pruritus-Score belegt werden konnte (3). Die Effektivität auf der Haut war dagegen etwas geringer ausgeprägt: Nach 12 Wochen erreichten 43 Prozent der Patienten unter der Therapie mit Nemolizumab, verglichen mit 20,9 Prozent unter Plazebo, einen EASI50 (3). Dafür werden mittlerweile weitere Indikationen, wie zum Beispiel die Prurigo, bei der der Pruritus ein zentrales Problem ist, untersucht. Ein anderer Ansatz ist die Blockade von IL-22, beispielsweise mit dem Antikörper Fezakinumab. Dieses vor allem von TH17-Zellen gebildete Zytokin hat sich als wichtiger Mediator bei der atopischen Dermatitis erwiesen. Die Blockade mit Fezakinumab war in Studien effektiv bei Patienten mit atopischer Dermatitis. Bei einer Stratifizierung der Patienten nach ihrer IL-22-Expression in der Haut und anschliessender Behandlung konnte gezeigt werden, dass diejenigen mit einer hohen IL-22-Expression besonders stark auf die Therapie mit Fezakinumab ansprachen, während diejenigen mit einer schwachen oder fehlenden IL-22-Expression von der Therapie nicht profitierten (4). «Das ist vermutlich die Zukunft, insbesondere bei atopischer Dermatitis, wo wir viele beteiligte Signalwege haben: Wir blockieren ein bestimmtes Zytokin oder einen bestimmten Signalweg in Abhängigkeit von dem tatsächlichen Profil des Patienten», betonte Conrad.
JAK-Inhibitoren hemmen mehrere Signalwege
Eine weitere neue Option, die nun auch immer mehr Eingang in die Dermatologie findet, ist die Therapie mit Inhibitoren der Januskinasen. Wie Conrad weiter erläuterte, seien heute 4 verschiedene Kinasen aus dieser Gruppe bekannt, die durch Wirkstoffe aus der Gruppe der «small molecules» gehemmt werden können: JAK1, JAK2, JAK3 sowie TYK2. Abhängig von der Kombination der Januskinasen, die mit den jeweiligen Zytokinrezeptoren assoziiert sind, werden von den Vertretern dieser Substanzgruppe auch unterschiedliche Signalwege gehemmt (siehe Abbildung 2) (5). Viele der Zytokine, die an der Pathogenese der atopischen Dermatitis beteiligt sind, werden durch eine Blockade von JAK1 in ihrer Funktion gehemmt. Deshalb können durch die JAK1-Inhibition mehrere AD-relevante Signalwege gehemmt werden. Erfahrungen aus Studien zur Therapie von AD-Patienten liegen für den JAK1/2-Hemmer Baricitinib sowie für den selektiven JAK1-Hemmer Upadacitinib bereits vor (6, 7). Unter Upadacitinib zum Beispiel erreichten 75 Prozent der Behandelten nach 16 Wochen einen EASI75 (7). Auch Abrocitinib sei ein selektiver JAK1-Hemmer, der nach den bisherigen Erfahrungen in der AD-Therapie ähnliche Effekte wie verschiedene Antikörper-Therapien erziele, berichtete Conrad. Ein Vorteil dieser Therapie sei die rasche Juckreizlinderung unter der JAK1-Hemmung.
Reifung
Subtyp
Definition Rezeptor Zytokine
CXCR3
TH1 INF-γ
Funktion Erkrankung
Abwehr intrazellulärer Pathogene Vitiligo, Alopecia areata
IL-12, INF-γ
IL-4 TH2
Naive T-Zelle
TGILF-1-β, ,ILIL-6-2, 3 TGF-β
TH17
CCR4 CCR6
IL-4 IL-5 IL-13 IL-17 IL-22 IL-26
Parasitenabwehr atopische Dermatitis, Allergie
Abwehr extrazellulärer Pathogene Psoriasis
Immuntoleranz/Immunsuppression
Treg
IL-10 TGF-β
Autoimmunität Krebs
Abbildung 1: T-Zell-Subtypen und ihre Funktion (Quelle: nach Vortrag Curdin Conrad, courtesy C Schlapbach)
• • •
Erythropoietin Thrombopoietin GM-CSF
• Wachstums-
hormon
• •
IL-3 IL-5
• IL-6 • IFN-γ
•• •
IL-2 IL-4 IL-7
•• •
IL-9 IL-15 IL-21
• IFN-α; IFN-β
und IFN-λ
••
IL-12 IL-23
JAK2 JAK2 JAK1 JAK2 JAK1 JAK3 TYK2 JAK1 TYK2 JAK2
Baricitinib (RA)
••
Upadacitinib (RA) Filgotinib (ankylosierende
Spondylitis, Psoriasis-
Arthritis)
Tofacitinib (RA, PsoriasisArthritis, Colitis ulcerosa)
Deucravacitinib
Abbildung 2: Übersicht der JAK-Inhibitoren Quelle: modifiziert nach (5)
JAK-Hemmer sind auch bei Alopecia areata und Vitiligo erfolgreich
Die Alopecia areata ist eine klassische, TH1-vermittelte, entzündliche Erkrankung, die von Ifn-γ und IL-15 getriggert wird. Derzeit gibt es keine spezifische, systemische Therapie. Die JAK1-Blockade erscheine deshalb als ein möglicher Weg, betonte Conrad. Er berichtete über einen eigenen Patienten mit Alopecia areata totalis, bei dem sich bereits mehrere vorangegangene Therapien einschliesslich Dexamethason über 6 Monate als wirkungslos erwiesen hätten. Nachdem er den Pan-JAK-Hemmer Tofacitinib eingenommen hatte, war zunächst nach 6 Monaten nur ein geringer Effekt mit nur einzelnen gewachsenen Haaren zu sehen. Auf Wunsch des Patienten wurde die Tofacitinib-Therapie dennoch fortgesetzt. Nach weiteren 4 Monaten war ein dichtes Haarwachstum im kompletten Kopfhaarbereich sowie an den Augenbrauen zu beobachten. Fazit von Conrad:
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«Das ist absolut eine Option für die Zukunft. Und es
laufen derzeit viele Studien, die eine Effektivität ver-
schiedener JAK-Hemmer bei Alopecia areata zei-
gen.» Das Problem ist, dass nach einem Stopp der
Therapie der Haarausfall wieder einsetzt – auch das
konnte mittlerweile in mehreren Studien gezeigt wer-
den. Deshalb muss die Therapie wohl langfristig er-
folgen. Auch topische JAK-Hemmer werden bei Alo-
pecia areata geprüft.
Eine weitere TH1-vermittelte Hauterkrankung ist die
Vitiligo. Nachdem bei einem Patienten, der eigent-
lich wegen seiner Alopecia areata mit einem
JAK-Hemmer behandelt wurde, die gleichzeitige
und schnelle Repigmentierung einer ebenfalls vor-
handenen Vitiligo aufgefallen ist, wird die JAK-Hem-
mung auch bei dieser Indikation geprüft.
s
Referenzen: 1. Gooderham MJ et al.: Dupilumab: A review of its use in the treatment of atopic
dermatitis. J Am Acad Dermatol. 2018;78(3 Suppl 1):S28-S36. 2. Beck LA et al.: Dupilumab Provides Favorable Safety and Sustained Efficacy for up to
3 Years in an Open-Label Study of Adults with Moderate-to-Severe Atopic Dermatitis. Am J Clin Dermatol. 2020 Aug;21(4):567-577. 3. Ruzicka T et al.: Anti-Interleukin-31 Receptor A Antibody for Atopic Dermatitis. N Engl J Med. 2017;376(9):826-835. 4. Brunner PM et al: Baseline IL-22 expression in patients with atopic dermatitis stratifies tissue responses to fezakinumab. J Allergy Clin Immunol. 2019;143(1):142154. 5. O’Shea JJ, Gadina M: Selective Janus kinase inhibitors come of age. Nat Rev Rheumatol. 2019 Feb;15(2):74-75. 6. Guttman-Yassky E et al.: Baricitinib in adult patients with moderate-to-severe atopic dermatitis: A phase 2 parallel, double-blinded, randomized placebo-controlled multiple-dose study. J Am Acad Dermatol. 2019 Apr;80(4):913-921.e9. 7. Guttman-Yassky E et al.: Upadacitinib in adults with moderate to severe atopic dermatitis: 16-week results from a randomized, placebo-controlled trial. J Allergy Clin Immunol. 2020 Mar;145(3):877-884.
Adela Žatecky Quelle: Allergy and Immunology Update (AIU), online am 30. Januar 2021
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