Transkript
BERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Kasuistik
Lichttherapie zur Unterstützung der Behandlung bei perioraler Dermatitis
ELISA GUGGISBERG UND BETTINA RÜMMELEIN
Elisa Guggisberg Bettina Rümmelein
Die periorale Dermatitis hat viele Bezeichnungen, man kennt sie auch als Stewardessenkrankheit, Mundrose oder rosazeaartige Dermatitis. Der Grund für ihre Entstehung ist meistens der übermässige und lang anhaltende Gebrauch verschiedenster Kosmetikprodukte (Waschlotionen, Tonics, Seren, Cremen aller Art) auf der Gesichtshaut. Therapie der Wahl ist die sogenannte Nulltherapie. Dabei muss der Patient seine bisherigen Pflegegewohnheiten ändern. Alle bisher verwendeten Kosmetika, Salben (insbesondere Glukokortikoidexterna) sollen abgesetzt werden. Obwohl die Therapie einfach erscheint, ist sie meistens schwer umzusetzen, da der Patient die Glaubwürdigkeit des Behandlers infrage stellt. Eine kostengünstige und simple Therapieoption, welche sowohl Patient als auch Behandler zufriedenstellt, ist die Behandlung mit LED-Licht. Die periorale Dermatitis (POD) wurde erstmals im Jahr 1957 von Frumess und Lewis als «light-sensitive seborrheid» beschrieben (1). Auslösende Faktoren der perioralen Dermatitis gibt es viele. Kosmetika und Hautpflegeprodukte lösen vor allem bei Atopikern bei langem Gebrauch eine irritative Follikulitis an den Vellushaarfollikeln aus. Besonders die topische, meist zu lange Applikation von Glukokortikoiden im Gesicht führt nach vorübergehender Besserung zu einer POD. Sonnenstrahlen und künstliche UV-Bestrahlung können eine POD verschlimmern, diese aber nicht auslösen. Am häufigsten erkranken Frauen zwischen 25 und 40 Jahren. Es entstehen entzündliche, gerötete, follikulär gebundene Papeln auf erythematösem Grund, welche sich zu grossen infiltrierten Arealen vor allem in den Gesichtsfalten um den Mund entwickeln. Bei ausgedehntem Befund können ebenso Unter- wie Oberlider, Wangen und Stirn befallen sein. Die Krankheit verläuft meist chronisch über Monate, kann aber von Tag zu Tag in der Erscheinungsform schwanken. Durch wiederholte Verwendung von Kosmetika und Pflegeprodukten oder UV-Bestrahlung kann es erneut zu Verschlechterungen kommen. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist das konsequente Absetzen aller Pflegeprodukte und Kosmetika sowie Glukokortikoide. Diese sogenannte Nulltherapie wird von den «kosmetiksüchtigen» Patienten ungern umgesetzt – oft wird sogar der be-
handelnde Arzt infrage gestellt. Bei Patienten, welche über längere Zeit Glukokortikoide verwenden, empfiehlt es sich zunächst, das stark wirksame Glukokortikoid auf ein weniger starkes umzustellen, um eine Exazerbation mit Verlust der Compliance des Patienten zu verhindern. Als Lokaltherapeutika kann man Metronidazol oder Azelainsäure verwenden. Systemisch sind Doxycyclin (2 ×/Tag 100 mg) oder Minocyclin (2 ×/Tag 50 mg) die Mittel der Wahl.
Fall 1 (Abbildung 1)
Die 35-jährige Patientin stellte sich erstmals im November 2020 nach einer langen Leidensgeschichte in unserer Praxis vor. Sie berichtete von einem seit Sommer 2019 bestehenden Hautausschlag um den Mund. Sie ging damals davon aus, es würde sich um Akne handeln. Sie intensivierte ihre Aknetherapie mit einer Reinigung und einer Creme, welche sie in der Apotheke erhalten habe. Im September diagnostizierte ihr Hausarzt eine Allergie und verschrieb ihr ein Dermokortikoid (Elocom) sowie ein homöopathisches Mittel gegen Ekzeme (Cardiospermum-Salbe) zur täglichen Anwendung. Es erfolgte zudem die Überweisung zu einem Allergologen, welcher zusätzlich zur bekannten Hausstaubmilbenallergie eine Allergie auf Gräser und Roggen feststellte. Die Fortführung der Lokaltherapie wurde angeordnet. Zusätzlich sollte die Patientin ihre Ernährung umstellen und keine Weizen- oder Milchprodukte mehr zu sich nehmen. Nach erneuter Exazerbation im Sommer 2020 bestand die Patientin auf einer Zuweisung zu einem Dermatologen. Als sie bei uns vorstellig wurde, wies sie eine flächig gerötete, leicht geschwollene, schuppende Haut in der Perioralregion mit gruppierten roten, follikulären Papeln, Papulovesikeln und Papulopusteln auf. Die Hautveränderungen waren an den seitlichen Gesichtspartien unscharf begrenzt. In der gesamten Entzündungsfläche bestanden Spannungsgefühl und Juckreiz. Der Leidensdruck der Patientin war sehr ausgeprägt. Die Patientin erhielt noch am selben Tag ihre erste Lichttherapie mit der Wellenlänge 880 nm. Zudem starteten wir eine systemische Therapie mit Doxycyclin (Doxyclin® 1-0-0) sowie eine Lokaltherapie mit Metronidazol (Perilox® 0-0-1). Bei subjektiver Ver-
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schlechterung wurde die Lokaltherapie nach der dritten Belichtung auf Wunsch der Patientin kurzfristig von Metronidazol (Perilox® 0-0-1) auf Erythromycin (Aknemycin® 1-0-0) umgestellt. Nach zweimaliger Anwendung stellte die Patientin die Therapie jedoch aufgrund der unangenehmen Galenik selbstständig erneut auf Metronidazol (Perilox® 0-0-1) um. Eine erste Verbesserung stellte sich nach der neunten Behandlung ein. Die Patientin stellt sich weiterhin zu Belichtungen in unserer Praxis vor, da sie nach der Lichttherapie jeweils eine sofortige Linderung der Beschwerden (Juckreiz, Spannungsgefühl) verspürte.
© Rümmelein Abbildung 1a: Fall 1: 35-jährige Patientin vor der Behandlung.
Praktisches Vorgehen
Die 35-jährige Patientin stellte sich in regelmässigen Abständen (zweimal wöchentlich) vor. Sie wurde mit einer Wellenlänge von 880 nm für 30 Minuten im Gesicht behandelt. Nach zehn Belichtungen erhöhten wir das Behandlungsintervall auf Wunsch der Patientin auf eine Belichtung pro Woche. Wir verwendeten die LED-Fototherapie (light emitting diode) der Marke Celluma. Das bewegliche Lichtpanel wurde mit geringem Abstand über das Gesicht gelegt. Insgesamt unterzog sich die Patientin 14 Belichtungen à 30 Minuten mit der Wellenlänge 880 nm.
Fall 2 (Abbildung 2)
Die 32-jährige Patientin stellte sich erstmals Anfang des Jahres 2020 in unserer Praxis vor. Sie hatte ein flächiges, leicht geschwollenes Erythem mit Schuppenbildung und disseminierten roten, follikulären Papeln in der Perioralregion. An den seitlichen Gesichtspartien waren diese unscharf begrenzt. Ausserdem bestand ein ausgeprägtes Spannungsgefühl. Bei der Patientin traten in der achten Schwangerschaftswoche die ersten Symptome auf, seitdem bestanden diese. Die Patientin hatte, als sie sich bei uns vorstellte, bereits entbunden, stillte jedoch noch. Es wurde eine topische Therapie mit Erythromycin (Aknemycin® 2000; 0-0-1) eingeleitet. Alle zuvor verwendeten Pflegeprodukte wurden abgesetzt. Zusätzlich erhielt die Patientin bei ausgeprägtem Befund und starkem Juckreiz regelmässige Lichttherapien mit der Wellenläge 830 nm im Abstand von einer Woche. Eine Besserung stellte sich schnell und dauerhaft ein. Der Unterschied ist auf den Abbildungen 2a und 2b gut zu sehen.
© Rümmelein Abbildung 1b: Fall 1: 35-jährige Patientin nach systemischer Therapie mit Doxycyclin (Doxyclin® 100 mg/Tag), Lokaltherapie mit Metronidazol (Perilox® 0-0-1) und 14 Sitzungen LED-Lichttherapie mit der Wellenlänge 880 nm.
© Rümmelein Abbildung 2a: Fall 2: 32-jährige Patientin vor der Behandlung.
Praktisches Vorgehen
Die Patientin wurde in regelmässigen Abständen (zweimal wöchentlich) mit einer Wellenlänge von 830 nm für 13 Minuten im Gesicht belichtet. Dafür verwendeten wir die LED-Fototherapie (light emitting diode) HEALITE II der Marke Lutronic. Das Lichtpanel wurde mit einem Abstand von ca. 15 cm zur Gesichtshaut platziert. Die Patientin trug während der Behandlung eine Schutzbrille. Die Belichtungs-
© Rümmelein Abbildung 2b: Fall 2: 32-jährige Patientin nach topischer Therapie mit Erythromycin (Aknemycin® 2000; 0-0-1) und acht Lichttherapien mit der Wellenlänge 830 nm.
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Abbildung 3: Eindringtiefe in Abhängigkeit von der Wellenlänge Quelle: Lasermed (Celluma®)
Kasten:
Indikationen für die LED-Fototherapie
Nah-Infrarotlicht: 830 nm bzw. 880 nm s Wundheilung s Schmerzlinderung s Muskel- und Gelenkschmerzen s Arthritis s Muskelkrämpfe s Vorübergehende Erhöhung der Durchblutung s Durchblutung s Erneuter Haarwuchs s Aktive Akne s Hautverjüngung
Rotes Licht: 633 nm bzw. 640 nm s (exogene PDT mit 5-ALA) s Hautverjüngung s Erneuter Haarwuchs
Blaues Licht: 415 nm bzw. 465 nm s Aktive Akne (endogene PDT)
Einfluss auf die Schmerzrezeptoren und das vegetative Nervensystem. In Abhängigkeit von der Wellenlänge sind unterschiedliche Effekte beschrieben (Abbildung 3 und Kasten). Die LED-Fototherapie ist für ihre Fähigkeit bekannt, die Haut zu verjüngen (2), Akne zu behandeln (3), Entzündungen zu verringern (4) und die Mikrozirkulation zu erhöhen und dadurch die Abheilung von Hautwunden zu fördern (5). Zudem wird bei Haarausfall das Haarwachstum (6) angeregt. Die Behandlung ist sanft, risikofrei und trotzdem sehr effektiv und für alle Hauttypen geeignet. s Blaues Licht (415 bzw. 465 nm) hat eine stark anti-
bakterielle Wirkung, verbessert die Hautklarheit und wirkt beruhigend (3). s Rotes Licht (633 bzw. 640 nm) erhöht den Kollagen- und Elastinaufbau, die Zellerneuerung und verbessert die Hautfeuchtigkeit und die Gewebeoxygenierung (2). s Nah-Infrarotlicht (830 bzw. 880 nm) ist vorteilhaft zur Hautverjüngung, beruhigt Rötungen und empfindliche Haut, reduziert Hyperpigmentierungen und fördert die Gewebereparatur (2), weshalb es auch nach PDT-Belichtung und nach Haartransplantationen eingesetzt wird. Je nach Behandlungsareal wird die Fototherapie sitzend, halb sitzend oder liegend durchgeführt. Die Augen werden mit einer speziellen Brille abgedeckt und die Haut ggf. gründlich gereinigt. Die Behandlung ist gefahrlos und bei allen Hauttypen möglich. Negative Auswirkungen auf die Gesundheit sind nicht bekannt.
Take Home Message
LED-Licht zur Therapie der schwer behandelbaren
perioralen Dermatitis hat sich in unserer Praxis be-
währt. Vor allem bei Patienten, bei welchen eine so-
genannte Nulltherapie schwer bis nicht umsetzbar ist
und welche sich mehr aktive Unterstützung wün-
schen, ist die LED-Therapie eine willkommene Er-
gänzung, die eine Linderung der Beschwerden be-
wirkt. Juckreiz und Spannungsgefühl nehmen ab. Die
Behandlung ist gefahrlos und kann deshalb gut an
eine Praxisassistentin delegiert werden.
s
parameter wurden von einem Arzt festgelegt, die Patientin wurde vom Praxispersonal (MLA, MPA) betreut.
LED-Fototherapie
Unter LED-Fototherapie versteht man die Anwendung bestimmter Wellenlängen des Lichts auf das Gewebe, um einen therapeutischen Nutzen zu erzielen. Diese Strahlung, auch bekannt unter den Begriffen Fotobiomodulation oder Fotoaktivierung, bewirkt eine Verbesserung der Zellfunktion und hat
Korrespondenzadresse: Dr. med. (R) Elisa Guggisberg, Dr. med. C. Bettina Rümmelein Dr. Rümmelein AG – House of Skin & Laser Medicine Grütstrasse 55, 8802 Kilchberg Bürglistrasse 11, 8002 Zürich Enge E-Mail: b.ruemmelein@dr-ruemmelein.ch
Interessenkonflikte: E. Guggisberg und C.B. Rümmelein geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Referenzen: 1. Frumess GM, Lewis HM: Light-sensitive seborrheid. AMA Arch Derm.
1957;75(2):245-248. 2. Lee SY et al.: A prospective, randomized, placebo-controlled, double-blinded, and
split-face clinical study on LED phototherapy for skin rejuvenation: clinical, profilometric, histologic, ultrastructural, and biochemical evaluations and comparison of three different treatment settings. J Photochem Photobiol B. 2007;88(1):51-67. 3. Goldberg DJ et al.: Combination blue (415 nm) and red (633 nm) LED phototherapy in the treatment of mild to severe acne vulgaris. J Cosmet Laser Ther. 2006 Jun;8(2):71-5. 4. Khoury JG, Goldman MP: Use of light-emitting diode photomodulation to reduce erythema and discomfort after intense pulsed light treatment of photodamage. J Cosmet Dermatol. 2008;7(1):30-34. 5. Spitler R, Berns MW: Comparison of laser and diode sources for acceleration of in vitro wound healing by low-level light therapy. J Biomed Opt. 2014 Mar;19(3):38001. 6. Torres AE, Lim HW: Photobiomodulation for the management of hair loss. Photodermatol Photoimmunol Photomed. 2020 Dec 30. doi: 10.1111/phpp.12649.
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