Transkript
EADV
Pathogenese und Therapie der Hidradenitis suppurativa
Wer braucht welches Biologikum?
Bei moderater bis schwerer Hidradenitis suppurativa kann die Entzündung durch Biologika wirksam reduziert werden. Aber die Heilung der Krankheit sei mit Biologika in der Regel nicht zu erreichen, berichtete Dr. Hessel van der Zee, Rotterdam (NL), am virtuellen EADV-Kongress 2020.
Aktuell wird die Hidradenitis suppurativa als chronische, immunvermittelte, autoinflammatorische Erkrankung mit multifaktorieller Pathogenese betrachtet (1). Unter dem Einfluss von Rauchen, Adipositas und mechanischer Reibung kommt es bei Personen mit genetischer Prädisposition durch Bildung von Keratinpfropfen zur Okklusion und anschliessend zur Dilatation von Haarfollikeln. Nach der Ruptur dilatierter Haarfollikel entleert sich der Follikelinhalt in die Dermis und löst akut eine Immunantwort mit starker Entzündung aus, an der viele Zytokine beteiligt sind, z. B. TNF-α, IFN-γ, IL-1β, IL-6, IL-10, IL-12/23, IL-17. Schliesslich kommt es zur chronischen Entzündung mit Bildung von Sinustrakten (Fistelgängen) und Narben.
Etablierte und neue Behandlungsansätze
Adalimumab ist das bei Hidradenitis suppurativa am besten dokumentierte Biologikum, es ist bisher als einziges für diese Indikation zugelassen. Eine im Anschluss an die beiden grossen plazebokontrollierten Doppelblindstudien PIONEER I und II durchgeführte Extensionsstudie (open-label) zeigte, dass sich die kontinuierliche Behandlung mit wöchentlich 40 mg Adalimumab zur langfristigen Kontrolle bei moderater bis schwerer Hidradenitis suppurativa eignet (2). Der Anteil der Patienten, die in Woche 12 auf die Behandlung angesprochen hatten (52,3%), blieb in der Extensionsstudie bis Woche 168 erhalten (Hidradenitis Suppurativa Clinical Response [HiSCR] mit Reduktion der Anzahl von Abszessen und entzündlichen Knoten um mindestens 50%). Experten der HS Alliance Working Group haben in einem Konsensuspapier festgehalten, dass Adalimumab bei moderater bis schwerer Hidradenitis suppurativa als Biologikum der ersten Wahl zu betrachten sei (3). Ebenfalls wirksam sind Infliximab (als Zweitlinien-Biologikum verwendbar) und Anakinra (als Drittlinien-Biologikum). Ustekinumab wird als potenziell wirksam und Etanercept wird bei Hidradenitis suppurativa nicht als wirksam bezeichnet (3). In Studien werden derzeit weitere Biologika für die Behandlung der Hidradenitis suppurativa evaluiert, z. B. der IL-17A-Inhibitor Secukinumab und der IL-17A/17F-Inhibitor Bimekizumab. Der Referent wies darauf hin, dass sich der PDE4-Hemmer Apremilast möglicherweise bei moderater Hidradenitis suppurativa zur Behandlung eigne. In einer kleinen, randomisierten, plazebokontrollierten Studie sprachen 8 von 15 Patienten nach 16 Wochen auf zweimal täglich 30 mg Apremi-
last an (HiSCR), aber niemand in der aus 5 Patienten bestehenden Plazebogruppe (4).
Verfeinerte Hurley-Klassifikation
Wenn ein Patient mit moderater bis schwerer Hidradenitis suppurativa unzureichend auf eine systemische Antibiotikatherapie angesprochen hat, kann Adalimumab eingesetzt werden. Biologika sind bei Patienten mit starker Entzündung geeignet. Bei Patienten mit vorwiegend Narben- und Sinustraktbildung stehen chirurgische Eingriffe im Vordergrund. Oft ist die Kombination medikamentöser und chirurgischer Behandlungen angezeigt. Bei Patienten, die gemäss der verfeinerten Klassifikation als Hurley 2A eingeteilt werden, soll chirurgisch und nicht mit Biologika behandelt werden, da Sinustrakte bei wenig Entzündung vorhanden sind (5). Bei Patienten, die als Hurley 1C klassifiziert werden, ist dagegen die Entzündung schwer ausgeprägt und eine antiinflammatorische Therapie mit einem Biologikum angezeigt (5). s
Alfred Lienhard
Referenzen: 1. Vossen A et al.: Hidradenitis suppurativa: A systematic review
integrating inflammatory pathways into a cohesive pathogenic model. Fron Immunol 2018; 9: 2965. 2. Zouboulis C et al.: Long-term adalimumab efficacy in patients with moderate-to-severe hidradenitis suppurativa/acne inversa: 3-year results of a phase 3 open-label extension study. J Am Acad Dermatol 2019; 80: 60–69. 3. Zouboulis C et al.: Hidradenitis suppurativa/acne inversa: a practical framework for treatment optimization – systematic review and recommendations from the HS ALLIANCE working group. J Eur Acad Dermatol Venereol 2019; 33: 19–31. 4. Vossen A et al.: Apremilast for moderate hidradenitis suppurativa: Results of a randomized controlled trial. J Am Acad Dermatol 2019; 80: 80–88. 5. Horváth B et al.: Hurley staging refined: A proposal by the Dutch Hidradenitis Suppurativa Expert Group. Acta Derm Venereol 2017; 97: 412–413.
Quelle: «Biologics in the management of HS», Vortrag von Hessel van der Zee, Rotterdam, am virtuellen EADV-Kongress, 30. Oktober 2020, Präsentation D2T01.4C.
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