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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
DERM 2020
Schwere Rosazea
Therapieziel Erscheinungsfreiheit – das ist möglich!
Die Kombination aus Doxycyclin oral mit modifizierter Wirkstofffreisetzung und Ivermectin-Creme wirkt bei schwerer
papulopustulöser Rosazea besser als die Monotherapien. Bei jedem Sechsten verschwinden die Läsionen vollständig.
Rosazeapatienten leiden genauso wie Psoriatiker an Läsionen im Gesicht. Das zeigte die Lebensqualitätsstudie «Beyond the visible: rosacea and psoriasis of the face», die Prof. Martin Schaller aus Tübingen (D) vorstellte (1). Darin wurden die Patienten unter anderem gefragt, wie sie den Schweregrad ihrer Erkrankung einschätzten: Bei den deutschen Patienten beurteilten die Rosazeabetroffenen zu 66 Prozent ihre Erkrankung als mittelschwer und zu 44 Prozent als schwer; bei Gesichtspsoriasis beschrieben sie 66 Prozent als moderat und 14 Prozent als schwer. Ähnlich sah es mit der Einschätzung der Lebensqualität aus: 55 Prozent der Rosazeapatienten und 61 Prozent der Psoriasispatienten sehen sich durch die Erkrankung stark bis sehr stark eingeschränkt. Bei der Frage, ob sie für eine Heilung ihrer Erkrankung Lebenszeit opfern würden, ergab sich allerdings ein Unterschied: 41 Prozent der Rosazeapatienten würden auf mehr als ein Jahr ihres Lebens verzichten, wenn sie geheilt würden – bei den Psoriasisbetroffenen waren es 34 Prozent. Beide Gruppen wünschen sich von einer Therapie jedoch vor allem eine sichtbare Symptomverbesserung. Die völlige Erscheinungsfreiheit steht für sie nicht an erster Stelle der Therapieziele.
Ivermectin
Ivermectin hat sich seit Jahrzehnten als
Wirkstoff gegen Ektoparasiten (Läuse, Mil-
ben, Zecken) und Fadenwürmer (Nemato-
den) bewährt. Der Wirkstoff aus der Gruppe
der Avermectine erhöht durch selektive und
hoch affine Bindung an Glutamat-aktivierte
Chloridkanäle die Membranpermeabilität
für Chloridionen, was zur Hyperpolarisa-
tion der Zellen führt. Dadurch kommt es Abbildung: Demodex folliculo-
zur neuromuskulären Paralyse und letztlich zum Absterben der Parasiten.
Dass es auch als topischer Wirkstoff bei Ro-
rum unter dem Lichtmikroskop, 600-fache Vergrösserung (Foto: Bibar/wikimedia commons)
sazea eingesetzt wird, beruht auf der Über-
legung, dass die Haarbalgmilbe – Demodex
folliculorum – ein Ko- und Triggerfaktor sein könnte. Denn der natürlich vorkommende
Hautkommensale zeigt eine besonders hohe Dichte auf der Haut von Rosazeapatienten
und kann entzündliche Prozesse in Gang setzen.
Ob diese antiparasitäre Wirkung aber den Haupteffekt bei Rosazea bedingt, ist noch
nicht vollständig geklärt. Vermutlich beruht ein Teil der antientzündlichen Wirkung von
Ivermectin auch darauf, dass die Lipopolysaccharid-induzierte Produktion entzündlicher
Zytokine gehemmt wird.
Ivermectin als topischer Wirkstoff in einer Cremegrundlage (Soolantra® ) wurde in der
Schweiz 2016 zugelassen.
Erscheinungsfrei bedeutet länger therapiefrei
Das sollten jedoch die Dermatologen anders sehen, meinte Schaller. Denn wenn sich bei Rosazea das Therapieziel «clear» – also völlige Erscheinungsfreiheit im Urteil des Untersuchers (IGA: investigators global assessment) – erreichen lässt, bedeutet das, dass die Patienten danach auch über mehr als acht Monate gar keine Therapie mehr benötigen. Wird nur ein «fast erscheinungsfrei» im IGA erzielt, sind die Patienten im Durchschnitt nur drei Monate lang nicht behandlungsbedürftig (2). Um das Ziel Erscheinungsfreiheit zu erreichen, hat sich Ivermectin-Creme (1%) im Vergleich mit der klassischen Metronidazol-Creme (0,75%) als überlegen erwiesen: Nach 16 Behandlungswochen hatten unter Ivermectin 35 Prozent der Rosazeapatienten das Ziel «clear» erreicht, in der Metronidazol-Gruppe waren es nur 22 Prozent (3).
Kombinationstherapie bei schwerer Rosazea
Auch für schwer von papulopustulöser Rosazea Be-
troffene muss «clear» keine Wunschvorstellung blei-
ben. Werden die antiinflammatorischen und antipa-
rasitären Effekte von Ivermectin 10 mg/g Creme mit
der antientzündlichen systemischen Wirkung von
Doxycyclin 40 mg (MR: modified release) kombiniert,
ergänzen sich die Therapieeffekte.
Dass diese Kombination besser wirkt als die Mono-
therapie mit Ivermectin-Creme, konnte in einer Ver-
gleichsstudie belegt werden: 273 Patienten mit
schwerer papulopustulöser Rosazea erhielten 12 Wo-
chen lang entweder die Kombination oder Ivermec-
tin-Creme allein (4). In der Kombinationsgruppe
erreichten mehr als doppelt so viele Patienten voll-
ständige Erscheinungsfreiheit als unter einer Mono-
therapie (11,9% vs. 5,1%). Zudem heilten unter der
Kombination die Läsionen schneller ab. Eine Diffe-
renz zwischen den Gruppen zeigte sich bereits ab
Woche 4 und blieb kontinuierlich bis zum Ende der
Studie in Woche 12 bestehen.
s
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Online-Satellitensymposium «Neue Therapie-Highlights zu Akne, Rosazea und hellem Hautkrebs» (Veranstalter: Galderma), anlässlich des Kongresses DERM 2020 (Frankenthal/D) am 17. Oktober 2020.
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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
Referenzen: 1. Beyond the visible online report, BMJ Hosted Website (http://hosted.bmj.com/
rosaceabeyondthevisible). Last accessed: August 2020. 2. Webster G et al.: Defining treatment success in rosacea as ‘clear’ may provide mul-
tiple patient benefits: results of a pooled analysis. J Dermatolog Treat 2017; 28(5): 469–474. 3. Taieb A et al.: Superiority of ivermectin 1% cream over metronidazole 0·75% cream in treating inflammatory lesions of rosacea: a randomized, investigator-blinded trial. Br J Dermatol 2015; 172(4): 1103–10. 4. Schaller M et al.: A randomized phase 3b/4 study to evaluate concomitant use of topical ivermectin 1% cream and doxycycline 40-mg modified-release capsules, versus topical ivermectin 1% cream and placebo in the treatment of severe rosacea. J Am Acad Dermatol 2020; 82(2): 336–343.
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