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Optionen bei therapierefraktärem chronischem Fussekzem
Das chronische Hand- und Fussekzem ist eines der komplexen Probleme in der täglichen Praxis der Dermatologen. Bei vielen Patienten ist eine Therapieresistenz gegenüber topischen Massnahmen zu beobachten, und auch die systemischen Therapieansätze geraten oft an ihre Grenzen. Berichte aus der wissenschaftlichen Literatur wie auch eigene Erfahrungen sprechen für einen Therapieversuch mit Alitretinoin in therapierefraktären Fällen.
FIRAT ASLANEL, BETTINA RÜMMELEIN
Firat Aslanel Bettina Rümmelein
Die Häufigkeit der Krankheit und ihre medizinische und sozioökonomische Bedeutung stehen in scharfem Kontrast zur therapeutischen Immobilität der letzten Jahrzehnte. Die Erweiterung des therapeutischen Spektrums bei chronisch entzündlichen Dermatosen wie der Psoriasis oder dem atopischen Ekzem – stellvertretend seien hier Biologika oder topische Calcineurin-Inhibitoren genannt – hat sich in der Behandlung des chronischen Hand- und Fussekzems nicht niedergeschlagen. Somit ist diese Krankheit eine Quelle der täglichen Frustration für Dermatologen und ihre Patienten. Dyshidrotisches und hyperkeratotisches Ekzem sind die häufigsten rezidivierenden chronischen Hauterkrankungen an Händen und/oder Füssen. Die wichtigsten ursächlichen Faktoren sind atopische Diathese, Kontaktsensibilisierung und Hautreizung. Es gibt keine einheitliche Klassifikation zur Unterscheidung der verschiedenen Arten von Ekzemen an Händen und Füssen. Differenzialdiagnosen basieren in der Regel auf ätiopathologischen oder klinischen Aspekten. Im Allgemeinen kann von einer multifaktoriellen Ätiopathogenese des chronischen Hand- und Fussekzems ausgegangen werden (1, 2). Die atopische Diathese als Ausdruck der Neigung zur Überempfindlichkeit gegen Umwelteinflüsse, chronisch irritative Hautschäden, Psoriasis palmaris/plantaris, Tinea palmaris/plantaris und Kontaktallergien spielen dabei eine wichtige Rolle. Wenn diese Erkrankungen ausgeschlossen werden, kann die beschreibende Diagnose «hyperkeratotisch-rhagadiformes Ekzem an Händen und Füssen» als Ausschlussdiagnose genannt werden. In den meisten Fällen ist es nicht möglich, einen einzigen Auslöser für die Entwicklung eines chronischen Hand- und Fussekzems bei einem Patienten zu identifizieren und zu eliminieren.
Therapeutisches Vorgehen
Während mildere Grade chronischer Ekzeme an Händen und Füssen in der Regel auf die Karenz von Allergenen und Irritanzien, intensivierte Hautpflege, Hautschutz und sehr starke topische Kortikosteroide ansprechen, zeigt das schwere chronische Ekzem an Händen und Füssen oft eine ausgeprägte Resistenz gegen die oben genannten Massnahmen. Zu den bekannten systemischen Therapieansätzen ohne spezifische Zulassung für das Fussekzem gehören immunsuppressive Medikamente wie Ciclosporin, Methotrexat und Mycophenolatmofetil. Kurzfristig können auch orale Kortikosteroide in Betracht gezogen werden – ebenso wie eine PUVA-Therapie, allein oder in Kombination mit Acitretin. Allerdings wird die langfristige Anwendung dieser Behandlungsoptionen in der Regel durch das Auftreten erheblicher Nebenwirkungen eingeschränkt. Nach Absetzen von Immunsuppressiva und oralen Kortikosteroiden kann ein Rebound-Effekt mit einer deutlichen Verschlechterung der Hautkrankheitssymptome auftreten. Die Entwicklung langfristiger chronischer Hautschäden, wie vorzeitige Hautalterung und die Entwicklung von Hauttumoren, macht eine langfristige PUVA-Therapie fraglich. Acitretin wird wegen seiner starken austrocknenden Wirkung, aber auch wegen seines teratogenen Potenzials und seiner sehr langen Halbwertszeit von mehr als zwei Jahren bei Einlagerung im Fettgewebe nur selten für die Behandlung von Frauen im gebärfähigen Alter in Betracht gezogen; darüber hinaus ist es nicht für die Behandlung des chronischen Hand- und Fussekzems zugelassen. Alitretinoin ist seit 2008 für die Therapie von schweren chronischen Handekzemen bei Patienten zugelassen, die auf die Behandlung mit starken topischen Kortikosteroiden nicht ansprechen. Die chronischen Dermatosen manifestieren sich jedoch nicht ausschliesslich im Bereich der Hände, sondern nicht sel-
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ten auch an den Füssen. Es liegen diesbezüglich erste persönliche Beobachtungen und auch Fallberichte in der Literatur vor, dass Alitretinoin auch bei klinisch schweren, chronischen Fussekzemen therapeutisch (Off-Label-Anwendung) wirksam ist (3).
Systemische Alitretinoin-Therapie
Ein schweres chronisches Hand- und Fussekzem, das nicht ausreichend auf eine lokale Therapie anspricht, erfordert eine systemische Therapie. Alitretinoin hat bei Weitem die beste Evidenzlage aller systemischen Therapien. Es fehlt an Studien, die verschiedene systemische Therapien vergleichen. Es gibt drei randomisierte, kontrollierte Studien zur Alitretinoin-Therapie, darunter die BACH-Studie (Benefit of Alitretinoin in Chronic Hand Eczema), die grösste Studie mit insgesamt 1032 Patienten mit schwerem chronischem Handekzem. Die internationale Leitlinie empfiehlt Alitretinoin als Second-Line-Therapie (nach topischen Kortikosteroiden als First-Line-Therapie) mit dem höchsten Empfehlungsgrad. Systemische Kortikosteroide eignen sich für den kurzfristigen Einsatz bei schweren akuten Ekzemen an Händen und Füssen, nicht aber für die Langzeitbehandlung schwerer chronischer Ekzeme an Händen und Füssen. Nebenwirkungen und fehlende Beweise für die Wirksamkeit in randomisierten, kontrollierten Studien führten zu dieser Bewertung (4, 5). Alitretinoin wurden immunmodulatorische und epidermale Effekte zugeschrieben, wodurch es sich besonders für das hyperkeratotische Handekzem eignet. Auch die chronische Pulpitis spricht gut auf diese Therapie an; die Ansprechrate ist beim vesikulären Handekzem geringer. Die Dauer eines AlitretinoinBehandlungszyklus sollte nach Anweisung zwischen 12 und 24 Wochen betragen, und das Medikament soll mit einer Dosis von 10 oder 30 mg täglich mit einer fetthaltigen Mahlzeit eingenommen werden.
Unser Fall
Die 66-jährige Patientin stellte sich im September 2019 in unserer Praxis wegen eines vermeintlichen Fusspilzes vor, der seit zirka zwei Monaten vom Hausarzt mit Terbinafin-Creme (Lamisil®) behandelt wurde, worunter es aber zu einer Verschlechterung kam. Die Therapie war deshalb bereits auf ein lokales Steroid umgestellt worden. Bei der klinischen Untersuchung in unserer Praxis zeigte sich ein Mischbild aus Psoriasis pustulosa plantaris und einem zum Teil rhagadiformen Fussekzem.
Therapie/Prozedere
Initial wurden Calcipotriol/Betamethason-Gel (Daivobet® Gel) jeden Abend sowie eine begleitende Hautpflege verordnet. Zusätzlich leiteten wir eine Belichtung mit der Excimer-Lampe (308 nm Schmalspektrum UV-B) zweimal pro Woche ein.
a © Rümmelein
b © Rümmelein
Abbildung 1: Chronisches, therapierefraktäres Fussekzem. a: Status bei Erstvorstellung. b: Status nach 3 Monaten Therapie mit Alitretinoin 30 mg einmal täglich.
Zur Diagnosesicherung erfolgte im Verlauf in domo eine Probebiopsie, welche die klinische Diagnose Psoriasis pustulosa nicht bestätigte, sondern eher ein Ekzem zeigte. Da es unter lokaler Steroidtherapie zu keiner Besserung kam, entschieden wir uns bei hohem Leidensdruck der Patientin zu einer Off-Label-Therapie mit Alitretinoin 30 mg einmal täglich. Hierfür wurde ein Kostenübernahmeantrag bei der Krankenversicherung gestellt, welchem stattgegeben wurde. Die Therapie wurde von der Patientin gut vertragen – auch laborchemisch zeigten sich keine pathologischen Veränderungen. Im Verlauf von zirka drei Monaten kam es zu einer deutlichen Besserung.
Diskussion
Aufgrund der multifaktoriellen Ätiopathogenese des Fussekzems ist die solide Diagnostik essenziell für den Erfolg der Therapie. Eine Biopsie kann hier entscheidende Hinweise liefern, auch wenn die schmerzgeplagten Patienten – wie auch unsere Patientin – das möglicherweise initial ablehnen. Diagnostische Sicherheit, ob eine Psoriasis plantaris oder eine Tinea pedum – ggf. auch begleitend – oder gar ein Kontaktekzem vorliegt, führt therapeutisch in völlig unterschiedliche Richtungen. Auch die Berufsanamnese
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zum Ausschluss einer Berufserkrankung sollte nicht ausser Acht gelassen werden. Der Wirkmechanismus des Excimer-Lasers ähnelt der Wirkung von UV-B-Licht. Durch die Bestrahlung kommt es zur Apoptose in Keratinozyten und T-Lymphozyten (6). Die Absorption einer Wellenlänge von 308 nm induziert einen DNA-Bruch, eine Hochregulation des Tumorsuppressorgens p53 und eine anschliessende Reduktion des Protoonkogens Bcl-2, was zu einem Stillstand des Zellzyklus in Keratinozyten und T-Lymphozyten führt. Sehr hohe Dosen der Excimer-Laser-Behandlung bei psoriatischen Läsionen können die Anzahl der pathogenen Gedächtnisund Effektor-T-Zellen verringern, welche die Epidermis und die Dermis der Läsionen infiltrieren. Die vom Laser emittierte UV-B-Strahlung hilft dabei, den p53-Tumorsuppressorweg zu regulieren, wodurch entzündliche Prozesse verhindert werden und ein Stillstand des Zellzyklus induziert wird (3). Es wird angenommen, dass aufgrund erhöhter Peptid-ET-1Spiegel sowie Melanozytenremigration und -proliferation eine Repigmentierung der behandelten Bereiche auftritt (6). Mit diesem Wissen wurde die Verwendung des Excimer-Lasers erweitert. Derzeit können fünf Hauptkategorien von Hauterkrankungen mit dem 308-nm-Excimer-Laser behandelt werden: Psoriasis-Läsionen, apigmentierte und hypopigmentierte Läsionen wie Vitiligo, pruritische Erkrankungen wie atopisches Ekzem, Lichen vidal und Mycosis fungoides. In unserem Fall hätten wir deshalb eine Besserung der Klinik erwartet, was aber leider nicht eintrat (3, 6).
Bei der Behandlung von Psoriasis pustulosa palmo-
plantaris zeigte die Therapie mit Alitretinoin 30 mg/
Tag in einer randomisierten Phase-II-Studie keinen
signifikanten Unterschied gegenüber Plazebo (7).
Unser Fall demonstriert leider einmal mehr, wie lange
leidende Patienten oft auf eine effiziente Therapie
warten müssen, da ohne Diagnostik «einfach losthe-
rapiert» wird. Chronische Hand- und Fussekzeme be-
dürfen oft der Ausschöpfung sämtlicher therapeuti-
scher Möglichkeiten.
s
Korrespondenzadresse:
Firat Aslanel und Dr. Bettina Rümmelein Dr. Rümmelein AG – House of Skin & Laser Medicine Grütstrasse 55 8802 Kilchberg ZH E-Mail: jasinski@smartaging-swiss.academy
Interessenkonflikte: keine.
Referenzen: 1. Coenraads PJ et al.: Construction and validation of a photographic guide for asses-
sing severity of chronic hand dermatitis. Br J Dermatol 2005; 152: 296–301. 2. DiepgenTL et al.: Management of chronic hand eczema. Contact Dermatitis 2007;
57: 203–210. 3. Tejera-Vaquerizo A et al.: Successful treatment of recalcitrant chronic foot eczema
with Alitretinoin. Actas Dermo-Sifiliogr 2012; 103: 931–932. 4. Lienhard A: Aktuelles zum Management chronischer Handekzeme. 94. Jahresver-
sammlung der SGDV. CongressSelection 2013; 2: 7–8. 5. RuzickaT et al.: Efficacy and safety of oral alitretinoin (9-cis retinoic acid) in patients
with severe chronic hand eczema refractory to topical corticosteroids: results of a randomized, double-blind, placebo-controlled, multi-centre trial. Br J Dermatol 2008; 158: 808–817. 6. Guggisberg E et al.: Psoriasis-Therapie mit dem Excimer-Laser, Ästhetische Dermatologie skinMAG, Heft 3/20: 16–19. 7. Reich K et al.: Oral alitretinoin treatment in patients with palmoplantar pustulosis inadequately responding to standard topical treatment: a randomized phase II study. Br J Dermatol 2016; 174(6): 1277–1281.
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