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KONGRESSBERICHT ZUM SCHWERPUNKT
ESMO 2020
Malignes Melanom
Langzeiterfahrungen mit der Checkpoint-Blockade
Die Immuntherapie mit Checkpoint-Hemmern hat die Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem malignem Melanom revolutioniert. Dass viele Betroffene auch langfristig von der Therapie profitieren, wurde unter anderem anhand der Langzeitdaten deutlich, die auf der diesjährigen virtuellen ESMO-Jahrestagung vorgestellt wurden.
SZD 1/2021
4-Jahres-Daten mit adjuvantem Nivolumab im Stadium IIIB-C/IV
Bei Melanompatienten in den Stadien IIIB-C und IV ist die adjuvante Therapie mit dem gegen den PD-1-Rezeptor gerichteten, monoklonalen Antikörper Nivolumab effektiv, wie in der Phase-III-Studie CheckMate 238 mit dem aktiven Komparator Ipilimumab als Kontrolle nun im 4-Jahres-Update bestätigt wurde (1). In der plazebokontrollierten CheckMate238-Studie erhielten insgesamt 906 Hochrisikopatienten mit Melanom nach kompletter Resektion randomisiert Nivolumab plus Ipilimumab-Plazebo oder Ipilimumab plus Nivolumab-Plazebo für eine maximale Dauer von 1 Jahr. Mit minimal 4 Jahren Nachbeobachtungszeit betrug das mediane rezidivfreie Überleben (RFS) 52,4 Monate unter Nivolumab versus 24,1 Monate unter Ipilimumab (Hazard Ratio [HR]: 0,71; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,60–0,86; p = 0,0003). Nach 36 Monaten waren 58 versus 44 Prozent und nach 48 Monaten 52 versus 41 Prozent der Patienten unter Nivolumab versus Ipilimumab ohne Rezidiv. Im Nivolumab-Arm betrug das mediane RFS für Stadium IIIB-C 52,4 Monate und für Stadium IV 47,4 Monate. Patienten mit In-Transit-Metastasen ohne Lymphknotenbefall erreichten mit der adjuvanten Nivolumab-Therapie ein medianes RFS von 46,8 Monaten. Bei Patienten mit BRAF-mutierten Tumoren war der Median noch nicht erreicht, bei BRAF-Wildtyp betrug das mediane RFS 46,8 Monate. Als explorativer Endpunkt wurde das fernmetastasenfreie Überleben (DMFS: distant metastases-free survival) von Patienten im Stadium IIIB-C untersucht und eine 21-prozentige Risikoreduktion bei Behandlung mit Nivolumab gegenüber Ipilimumab festgestellt (HR: 0,79; 95%-KI: 0,63–0,99). Das Gesamtüberleben (OS) war mit 4-Jahres-OS-Raten von 78 versus 77 Prozent vergleichbar. Es wurden in der Langzeitbeobachtung keine neuen Sicherheitssignale erkannt.
Pembrolizumab in der Adjuvanz bei Tumorstadium IIIA-C
Für die adjuvante Monotherapie mit Pembrolizumab bei Melanompatienten im Stadium III wurden die finalen Ergebnisse des DMFS mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 3,5 Jahren präsentiert (2). Die doppelblinde Phase-III-Studie EORTC1325MG/KEYNOTE 054 prüfte Pembrolizumab versus Plazebo für die Dauer von 1 Jahr bei 1019 Hochrisikopatienten mit reseziertem Melanom. Nach 1 Jahr wurde die Studie entblindet, und Patienten konnten bei Krankheitsrückfall aus dem Plazebo-Arm in den Verum-Arm wechseln oder bei Rezidiv > 6 Monate nach Beendigung der Pembrolizumab-Therapie erneut Pembrolizumab erhalten. Durch die Pembrolizumab-Gabe konnte das Risiko für Fernmetastasen um 40 Prozent reduziert werden (HR: 0,60; 95%-KI: 0,49–0,73; p < 0,001). Die 42-Monats-DMFS-Rate betrug 65,3 Prozent unter Pembrolizumab versus 49,4 Prozent im Plazebo-Arm. Innerhalb der Subgruppe der Patienten mit einer BRAF-Mutation wurde eine Risikoreduktion um 47 Prozent beobachtet (HR: 0,53), was mit dem Erfolg der zielgerichteten Therapien in der COMBI-AD-Studie vergleichbar war (HR: 0,55).
Pembrolizumab in Kombination mit Lenvatinib bei fortgeschrittener Erkrankung
Die Kombination von Checkpoint- und VEGFR-Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) soll die positiven Eigenschaften beider Therapiestrategien vereinen. In der einarmigen Phase-II-Studie LEAP-004 wurde Pembrolizumab plus der TKI Lenvatinib bei Melanompatienten mit bestätigtem Progress unter oder innerhalb von 12 Wochen nach einer Anti-PD-(L)1-haltigen (Kombinations-)Therapie geprüft (3). Die Kombinationstherapie wurde bis zum Progress oder bis zu inakzeptablen Nebenwirkungen gegeben. Eingeschlossen wurden 103 Patienten im medianen Alter
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von 63 Jahren. Die Studienteilnehmer wiesen bei Einschluss eine insgesamt schlechte Prognose auf: 55,3 Prozent der Patienten hatten einen erhöhten LDHWert, bei 20,4 Prozent betrug der LDH-Wert mehr als das Doppelte der Norm. Bei 14,6 Prozent der Patienten lagen Hirnmetastasen vor. 61,2 Prozent der Patienten hatten bereits ≥ 2 Therapien und 19,5% ≥ 4 Therapielinien erhalten. Eine BRAFV600-Mutation lag bei 36,9 Prozent der Patienten vor, und 64,1 Prozent der Tumoren war PD-L1-positiv. Im Ergebnis wurde bei 21,4 Prozent der Patienten ein Ansprechen (primärer Endpunkt) beobachtet, 65,0 Prozent der Patienten zeigten eine Krankheitskontrolle. Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten betrug die Dauer des Ansprechens median 6,3 Monate. Nach 6 Monaten waren noch 72,6 Prozent der Patienten mit Ansprechen in anhaltender Remission. Patienten, die im Vorfeld der Studie eine kombinierte Anti-CTLA4/Anti-PD-(L)1Therapie erhalten hatten, zeigten in 31,0 Prozent der Fälle ein Ansprechen und in 62,1 Prozent der Fälle eine Krankheitskontrolle. Das progressionsfreie
Überleben (PFS) betrug median 4,2 Monate mit einer
6-Monats-Rate von 41,7 Prozent und einer 9-Mo-
nats-Rate von 26,2 Prozent. Bezüglich des OS wurde
ein Median von 13,9 Monaten beobachtet, mit 6- und
9-Monats-OS-Raten von 77,3 bzw. 65,4 Prozent.
Die Kombination wurde gut vertragen. Klinisch rele-
vante Nebenwirkungen wurden bei 18,4 Prozent der
Patienten gesehen. Nur 7,8 Prozent der Patienten
brachen die Therapie aufgrund von Nebenwirkun-
gen ab.
s
Ine Schmale
Quelle: European Society of Medical Oncology (ESMO), Virtual Congress, 19. bis 21. September 2020.
Referenzen: 1. Weber J et al.: Adjuvant nivolumab (NIVO) vs ipilimumab (IPI) in resected stage III/
IV melanoma: 4-y recurrence-free and overall survival (OS) results from CheckMate 238. ESMO 2020, Abstr. #1076O. 2. Eggermont AM et al.: Pembrolizumab versus placebo after complete resection of high-risk stage III melanoma: Final results regarding distant metastasisfree survival from the EORTC 1325-MG/Keynote 054 double-blinded phase III trial. ESMO 2020, Abstr. #LBA46. 3. Arance Fernandez AM et al.: Lenvatinib (len) plus pembrolizumab (pembro) for advanced melanoma (MEL) that progressed on a PD-1 or PD-L1 inhibitor: Initial results of LEAP-004. ESMO 2020, Abstr. #LBA44.
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